Wann ist ein Mann ein Mann? Zur Förderung vielfältiger Männerbilder

Veranstaltungsbericht

Veranstaltungsplakat
Foto: Martin Jehnichen

Nach einer längeren Auseinandersetzung unserer Fraktion mit problematischen Männlichkeitsvorstellungen, dem Einfluss dieser auf das Verhalten von Männern und die Ausübung von Gewalt, wollten wir uns auch in einer Fachveranstaltung gemeinsam mit Expert*innen mit dem Thema Männerbilder beschäftigen.

Zu diesem Zweck kamen wir am 5. März 2024 in der Stadtbibliothek Leipzig zur Vortrags- und Gesprächsveranstaltung mit dem Titel „Wann ist ein Mann ein Mann? Zur Förderung vielfältiger Männerbilder“ zusammen. Wir hörten zunächst einen Vortrag von Dr. Marc Gärtner, Referent für internationale Gleichstellungspolitik beim Bundesforum Männer mit dem Titel „Raus aus dem Krisenmodus – Vielfalt braucht Emanzipation“. Marc Gärtner ging zunächst darauf ein, dass Männlichkeit nicht per se in der Krise stecke – dass aber gesellschaftliche Krisen und Verunsicherungen wie die Krise unseres Wirtschaftssystems, Krieg sowie die zunehmende Bedrohung unserer Demokratien durch autoritäre Strömungen patriarchale Männerbilder wieder massiv aufleben lassen. Alte, überholte Verhaltens- und Kulturmuster würden wieder attraktiver, weil sie Sicherheit zu geben scheinen. Er betonte, dass die Orientierung an patriarchalen Verhaltensmustern jedoch auf keinen Fall für alle Männer gelte. Parallel zum patriarchalen Backlash gebe es progressive Aufbrüche: Ein sehr großer Teil der Männer stimme inzwischen der Aussage zu, dass Gleichstellung wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei. Väter seien der Ansicht, dass es für Männer genauso akzeptiert sein sollte wie für Mütter, ihre Erwerbsarbeit zu reduzieren, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Solche progressiven Diskurse seien sehr stark abhängig vom Zustand der Demokratie und Zivilgesellschaft, umgekehrt sei der patriarchale Backlash ein Zeichen der Krise der Demokratie. Dr. Gärtner ging anschließend noch auf die immensen Kosten von toxischer Männlichkeit für die Gesellschaft ein und nannte hier exemplarisch die Kosten für Verkehrsunfälle, Straftaten, Gewalttaten, Bedrohungen der inneren Sicherheit sowie Kosten für das Gesundheitssystem. Abschließend stellte der Referent die Frage, was wir also tun könnten, um patriarchale Männerbilder zu bekämpfen und Männer für Gleichstellung zu gewinnen. Es gehe darum, aufzuzeigen, dass traditionelle, dominanzorientierte Männerbilder nicht nur Frauen und anderen Geschlechtern, sondern auch Männern selbst schadeten. Und schließlich darum, die zahlreichen, konkreten Vorteile von Gleichstellung für Männer deutlich zu machen.

Im Anschluss sprach Max Rühlemann von der Fach- und Koordinierungsstelle für geschlechterreflektierte Kinder- und Jugendhilfe des Leipziger lemann e.V. zur „Geschlechterreflektierenden Bildungsarbeit an Schulen“. Max Rühlemann berichtete von den gemachten Erfahrungen an Schulen: Welche Fragen haben männliche Kinder und Jugendliche? Was treibt sie um? Mit welchen Männlichkeitsbildern sind sie konfrontiert? In den Beispielen zeigte sich klar, welche Unsicherheiten Jungs mit sich herumtragen, unter anderem auch, wie Männlichkeitsbilder sie unter Druck setzen („Wächst ein Sixpack wirklich automatisch in der Pubertät?“). Max führte aus, warum es für Jungen schwieriger ist, sich Hilfe zu holen und wie die Bildungsarbeit an Schulen zum Nachdenken anregen und Akzente setzen kann, um Jungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, in ihrer Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen sowie den eigenen und fremden Grenzen zu stärken. Max schloss mit der Erinnerung daran, dass es für eine gelingende Bildungsarbeit eine verlässliche Trägerlandschaft mit intersektionalen Perspektiven brauche.

In der anschließenden Diskussion wurde eifrig debattiert: Zum Beispiel über die Frage, wie wir Jungs und Männer, die sich nicht mit den eigenen, traditionellen Männlichkeitsvorstellungen auseinandersetzen möchten, dazu motivieren können, oder wie wir mit Sexismus am Arbeitsplatz umgehen.

Dank unseren tollen Referent*innen und dem zahlreichen, interessierten Publikum war die Veranstaltung ein voller Erfolg! Die Erkenntnisse aus der Veranstaltung nehmen wir für unsere weitere politische Arbeit mit – so zum Beispiel die Forderung nach Männerberatung als Grundversorgung und die Stärkung feministischer Jungen- und Männerarbeit.

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