Rede von Bert Sander am 13. März 2024 zum Antrag "Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrter Rat,

Ich komme nicht umhin, einige wenige Zahlen aufzurufen. Ich schicke allerdings voraus, dass ich das Zahlenwerk des 15. Planfeststellungsverfahrens mit dem Titel “Ausbau des Verkehrsflughafen Leipzig/Halle, Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld“ keineswegs in Gänze durchschaue, und schon gar nicht das Zahlenmonster, das zur Lärmberechnung, Lärmkartierung etc. aufgestellt wurde.
Was also bleibt vor lauter Hilfslosigkeit? Es bleibt, die im Planfeststellungsverfahren ausgebreiteten Rechnungen zumindest mal auf Plausibilität zu prüfen:

Drei Beispiele, die zeigen, dass Zweifel am Planungsverfahren tatsächlich begründet sind bzw. nicht einfach auf eine etwaige schlechte Laune der Flughafenanrainer zurückzuführen sind:

  • Beispielsweise Hohenheida: 2023 wurden hier 53,8 dB(A) gemessen. Das dem Planungsverfahren als Entscheidungsgrundlage beigegebene Gutachten des Münchner Instituts für Immissionsschutz und Technische Akustik. OBERMEYER, errechnet für diese Gemeinde in 2032 gerade mal 53,5 dB(A), also sogar 0,3 dB(A) weniger als heute, und das bei einem bis dahin um 50% erhöhtem nächtlichem Flugaufkommen.
  • Weiter, nächstes Beispiel: In der landeseigenen Lärmkartierung von 2022 ist von 63.517 nächtlich Betroffenen, und in der vom Flughafen aktuell beauftragten Betroffenheitsanalyse ist nur noch von ca. 59.000 Betroffenen in 2032 die Rede, also gut 5.000 Betroffene weniger als heute – und das bei einem um 50% erhöhten nächtlichen Flugaufkommen im Jahr 2032.
  • 3. Beispiel: Für die Gemarkung Lützschena-Stahmeln wurde jüngst festgestellt werden, dass die gemessenen Lärmwerte um bis zu 4 dB(A) über den berechneten, prognostizierten Werten liegen. Damit hin ist festzuhalten, dass den Anwohnern der Anspruch auf Lärmschutz seit über 15 Jahre vorenthalten worden ist.

Bereits diese drei Beispiele zeigen – sollte das Planfeststellungsverfahren von der Landesdirektion in der aktuellen Form positiv beschieden werden –, dass Leipzig und die Umlandgemeinden ihre Schutzrechte auf dem Klageweg werden durchsetzen müssen.

  • Der Verwaltungsstandpunkt klassifiziert unseren Antrag auf Gründung einer LÄRMSCHUTZGEMEINSCHAFT als „nachteilig für die Stadt“. Jedoch ist der VSP in seiner Ablehnung unentschieden bzw. – mathematisch ausgedrückt – nicht „eineindeutig“:
    [Zitat] Als Aktionär der Mitteldeutschen Flughafen AG … könnte für die Stadt Leipzig der Beitritt zur beabsichtigten Lärmschutzgemeinschaft … auch aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten untereinander (d. h. zu den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie den Städten Dresden und Halle) und gegenüber der Gesellschaft treuwidrig sein. [Zitat Ende]

Wie gesagt: „könnte … treuwidrig, und insofern nachteilig für die Stadt sein“. Wir meinen allerdings, dass die Eigenschaft als Mitgesellschafter des Flughafens jedenfalls nicht einem freiwilligen Verzicht auf die Rechtsmittel gleichkommen darf, die der Stadt als Gebietskörperschaft gegen einen möglicherweise rechtswidrigen Planfeststellungsbeschluss zustehen.

Auch behauptet der Verwaltungsstandpunkt, dass die Stadt auch in finanzieller Hinsicht nicht auf eine sogenannte Schutzgemeinschaft angewiesen sei, denn selbst im Falle einer juristischen Auseinandersetzung über drei Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht könne die Stadt die zu veranschlagenden Kosten auch eigenständig tragen. Das Kostenrisiko der Stadt lege bei lediglich 50.000 €.

  • Ja, es mag sogar sein, dass die vom Streitwert abhängigen Gerichtskosten in einer Größenordnung liegen, die auch Leipzig stemmen kann. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus vorrausgegangenen diesbezüglichen Verfahren, dass die Kosten für Gutachten zumeist im fünfstelligen Bereich liegen – und dann vor allem die Anwaltskosten fallen enorm aus, weil sich kein im Verwaltungsrecht wirklich versierter Rechtsanwalt finden lassen wird, der für die "normalen" Gebührensätze antritt. Die Abrechnung der anwaltlichen Leistungen erfolgte in vergleichbaren Fällen auf Stundensätzen von mehreren Hundert Euro/Stunde.

Aber gut jetzt: … unser Antrag und der dazugehörende Verwaltungsstandpunkt lassen einige entscheidende, vor allem juristische Fragen offen – weswegen wir sehr gerne dem vorliegenden ÄA der Kollegen Andreas Geisler und Michael Neuhaus folgen, heißt, ihn übernehmen.

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