Änderungsantrag zum Antrag "Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung"
Änderungsantrag vom 16. April 2018:
Beschlussvorschlag:
Der Beschlussvorschlag wird im Sinne des Verwaltungsstandpunktes wie folgt ersetzt:
Die Ratsversammlung beauftragt den Oberbürgermeister innerhalb von 6 Monaten zu prüfen,
- in welchem Maß die Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen in der Straßenausbaubeitragssatzung unter Berücksichtigung des allgemein erhöhten Verkehrsaufkommens in der wachsenden Stadt aus rechtlicher und finanzieller Sicht unbedenklich wäre. Hierzu sind eine rechtlich vertiefte Prüfung und eine Beteiligung des Rechnungsprüfungsamtes erforderlich.
- welche finanziellen Auswirkungen hätte eine Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen für die Stadt Leipzig?
- welche Auswirkungen hätte eine Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen auf die Gewährung von Fördermitteln für den Straßenbau?
- welche Auswirkungen hätte eine Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen auf die Realisierung erforderlicher Straßenbaumaßnahmen, insbesondere auf den Umfang des Ausbaus sanierungsbedürftiger Anliegerstraßen?
- ob die gültigen Beitragssätze von 75 % auf 60 % für Anliegerstraßen, von 50 % auf 40 % für Haupterschließungsstraßen und von 25 % auf 20 % für Hauptverkehrsstraßen abgesenkt werden sollten
- ist die Kategorisierung der Straßen im Netz (Anliegerstraße / Haupterschließungs-straße / Hauptverkehrsstraße) bei den einzelnen Straßen noch zutreffend
Begründung:
Im Stadtrat werden derzeit mehrere Themen mit erheblicher finanzieller Auswirkung diskutiert. Dazu zählen nicht nur die hier behandelten Anträge zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung, sondern insbesondere auch Überlegungen zu einem Verzicht auf die Erhöhung von Elternbeiträgen für Kita-Plätze oder die Erhöhung von Zuschüssen für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Alle diese Themen sind relevant für die Haushaltsplanung für 2019 und die Folgejahre. Mehrbedarfe in dieser Höhe überschreiten in ihrer Gesamtheit auf jeden Fall die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt.
Dieses vorausgeschickt, ist zu den Anträgen zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung folgendes auszuführen:
Im Zusammenhang mit der beantragten Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung wurde die Landesdirektion Sachsen um ihren Standpunkt gebeten. Dieser liegt nun vor. Danach steht ein Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Auch nach einem Verzicht auf die Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen hat die Stadt Leipzig sicherzustellen, dass hierdurch die Finanzierung der Erledigung von Aufgaben des Straßenbaus nicht gefährdet wird. Nach Einschätzung der Landesdirektion Sachsen verfügt die Stadt Leipzig voraussichtlich bis zum Jahr 2021 über eine ausreichende dauernde finanzielle Leistungsfähigkeit, um die erforderlichen Mittel für den Straßenbau entweder aus der vorhandenen Liquidität oder wenigstens aus Kreditaufnahmen aufzubringen. Angesichts der momentan von der Stadt Leipzig zu bewältigenden großen Investitionsaufgaben vor allem im Schul- und Kitabereich regt die Landesdirektion Sachsen jedoch vor einer diesbezüglichen Entscheidung eine genaue Prüfung darüber an, ob die mit der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung einhergehenden Mindereinnahmen auch tatsächlich keinen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit haben. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Auswirkungen auf die Förderfähigkeit von Straßenausbaumaßnahmen hat.
Aufgrund der Zunahme des allgemeinen Verkehrsaufkommens in der wachsenden Stadt Leipzig und der damit verbundenen erhöhten Nutzung der öffentlichen Verkehrsanlagen durch die Allgemeinheit wäre es sinnvoll, zu prüfen, in welchem Maß eine Absenkung der gegenwärtig in der Straßenausbaubeitragssatzung festgesetzten Anteile der Beitragspflichtigen unter Beachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit und Erfüllbarkeit der Pflichtaufgaben der Stadt Leipzig vertretbar und geboten ist. Eine Satzungsänderung mit ihren Auswirkungen sollte daher wohl überlegt und rechtlich abgesichert sein, die Auswirkungen in der Zukunft sollten ebenso bedacht werden.
Eine vertiefte rechtliche Prüfung ist erforderlich, um insbesondere auch die folgenden Punkte rechtssicher abzuprüfen:
Es sind die Grundsätze der Einnahmenbeschaffung gemäß § 73 SächsGemO zu beachten, wonach die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen erstrangig soweit vertretbar und geboten, aus selbst zu bestimmenden Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und erst im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat. Die Gemeinde hat bei der Einnahmenbeschaffung auf die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen. Dies betrifft alle Abgabepflichtigen, nicht ausschließlich die beitragspflichtigen Grundstückseigentümer.
Bei einer Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen ohne vorausschauende Prüfung der Folgen ist nicht abzuschätzen, welche Auswirkungen diese Entscheidung langfristig haben wird. Kann die Stadt z. B. ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachkommen, weil dringend sanierungsbedürftige Verkehrsanlagen dadurch nicht ausgebaut werden können, dass die Eigenmittel nicht in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, würde die Aufhebung der Satzung dazu führen, dass die Stadt diese Pflichtaufgabe nicht erfüllen kann. Es wäre mit Schadenersatzforderungen zu rechnen, nicht zuletzt könnte die Stadt dadurch auch politischen Schaden erleiden.
In der Antwort zur Anfrage VI-A-05595, "Mit welchen Fördermitteln rechnet die Stadtverwaltung in den Jahren 2018/2019/2020 für den kommunalen Straßenbau?" ist ersichtlich, dass die Fördermittel voraussichtlich rückläufig sein werden.
Zur Fördermittelanmeldung ist ein bestimmter Planungsstand erforderlich. Dieser unterliegt vielen Einflüssen. Daraus ergibt sich, dass nicht alle förderfähigen Maßnahmen bei der Vergabe der Fördermittel berücksichtigt werden können. Die Entwicklung der zur Verfügung stehenden Fördermittel ist rückläufig. Es ist daher zu erwarten, dass die Stadt Leipzig zukünftig mehr Eigenmittel zur Verfügung stellen muss, um notwendige Straßenbaumaßnahmen realisieren zu können. Mit den Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen stehen regelmäßig zu erwartende Eigenmittel zur Verfügung, um weitere dringend erforderliche Straßenbaumaßnahmen zu realisieren. Ohne entsprechende Eigenanteile können keine Fördermittel gewährt werden. Bei dem bekannten desolaten Zustand des Leipziger Straßennetzes ist daher sehr genau abzuwägen, ob man auf diese Einnahmequelle verzichten will. Auch wenn die Landesdirektion davon ausgeht, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt bis zum Jahr 2021 ausreichend ist, um die erforderlichen Mittel für den Straßenbau aufzubringen, sind Einschätzungen für den Zeitraum danach gegenwärtig nicht bekannt. Bereits jetzt können dringend erforderliche Straßenbaumaßnahmen, insbesondere in Anliegerstraßen, wegen fehlender finanzieller Eigenmittel nicht realisiert werden. Die Finanzausstattung für den Straßen- und Brückenbau wird sich lt. Haushaltplanentwurf 2019/2020 in den Folgejahren drastisch verschlechtern. Der Haushalt ist weiterhin kreditfinanziert. Für die Jahre 2022/2023 ist nach gegenwärtigem Stand lediglich ein Eckwert von 2,9 Mio. € Eigenanteil pro Jahr für Investitionen im Brücken- und Straßenbau vorgesehen.
Anhand der in den vergangenen fünf Jahren abgerechneten Straßenbaumaßnahmen wurde
die finanzielle Auswirkung einer Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen auf 60 % /
40 % / 20 % beispielhaft ermittelt. In diesem Zeitraum wurden Beiträge in Höhe von ca. 10,6 Mio € erhoben. Eine Absenkung der Anteile der Beitragspflichtigen in der genannten Höhe hätte diese Einnahmen um ca. 2,1 Mio € minimiert.
Eine Absenkung oder ein Verzicht auf Straßenausbeiträge hat insbesondere Auswirkungen auf Maßnahmen in den Nebenstraßen, da hier die Straßenausbaubeiträge prozentual am höchsten sind. Zum Zustand der Nebenstraßen hat die Leipziger Volkszeitung aktuell unter Beteiligung ihrer Leser die 25 "schlimmsten Straßen" bzw. umgangssprachlich "Buckelpisten" ausgewählt. Eine Sanierung auch nur dieser Straßen, die einen verschwindend kleinen Teil am Straßennetz der Stadt Leipzig mit seinem immensen Erneuerungsbedarf ausmachen, ist finanziell derzeit nicht gesichert. Dies gilt erst recht, wenn keine Straßenausbaubeiträge mehr erhoben werden können.
In der Vergangenheit wurden die meisten Straßenausbaumaßnahmen von Nebenstraßen aus Städtebaufördermitteln in festgelegten Sanierungs- und Stadterneuerungsgebieten finanziert. Dafür werden dann von den begünstigten Grundstückseigentümern Ausgleichsbeträge und keine Straßenausbaubeiträge erhoben. Da die Sanierungsgebiete bis 2020 schlussabgerechnet werden, wird diese Variante der Finanzierung von Maßnahmen bei Nebenstraßen künftig nicht mehr möglich sein.
Ausbaumaßnahmen bei Nebenstraßen werden, auch wenn der o.g. Eckwert für Investitionen im Straßen- und Brückenbau ab 2022/2023 noch in Größenordnungen erhöht werden sollte, weitgehend unterbleiben müssen.
Mit der Erhebung der Beiträge sollen die Sondervorteile für die Grundstückseigentümer abgeschöpft werden, die sich aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Verkehrsanlage von den jeweiligen Grundstücken aus ergeben. Die ausgebaute Verkehrsanlage ist Voraussetzung für die Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke. Derartige Sondervorteile entstehen für die Allgemeinheit nicht, so dass abzuwägen ist, bis zu welchem Maß die entsprechenden Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden dürfen. Hierzu wird nochmals auf das Urteil des VGH München vom 09.11.2016 - 6 B 15.2732 verwiesen: "Es ist kein tragfähiger sozialer oder finanzwirtschaftlicher Grund ersichtlich, aus dem eine Gemeinde zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von beitragsfähigen Straßenbaumaßnahmen bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit der Folge verzichten darf, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen. (amtlicher Leitsatz)." Es wäre daher nicht nachvollziehbar und anderen Abgabepflichtigen schwer zu vermitteln, wenn die Stadt Kredite aufnehmen würde, um bevorteilte Grundstückseigentümer zu begünstigen.
Artikel 14 (2) des Grundgesetztes ist ebenfalls zu berücksichtigen: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Die Abschöpfung des Sondervorteils, der den anliegenden Grundstücken durch den Straßenausbau gegenüber der Allgemeinheit entsteht, ist auf dieser Grundlage nur folgerichtig.
Der geäußerten Befürchtung, dass Mieter letztlich auch die Kosten der Straßenausbaubeiträge tragen müssten, da diese in die Mieten einfließen, kann folgendes entgegen gehalten werden: Bei Straßenausbaubeiträgen handelt es sich nicht um laufende öffentliche Lasten des Grundstücks und auch nicht um sonstige Betriebskosten im Sinne § 2 der Betriebskostenverordnung. Sie sind daher nicht auf die Mieten umlegbar. Eine Mieterhöhung bei Modernisierung nach § 559 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Die Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig wurde von der Ratsversammlung am 23.10.1996 beschlossen (Beschluss Nr. 628/96). Sie gilt in der Fassung der 3. Änderung vom 17.11.2011 für das gesamte Gebiet der Stadt Leipzig.
Im Eingemeindungsvertrag der Gemeinde Lützschena-Stahmeln mit der Stadt Leipzig ist unter § 4 (1) geregelt, dass die Bürger und Einwohner der bisherigen Gemeinde Lützschena-Stahmeln mit dieser Eingliederung gleichberechtigte Bürger und Einwohner der Stadt werden. Ihre Pflichten und Rechte sind die gleichen wie die der Bürger und Einwohner der Stadt Leipzig, soweit in dieser Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist.
Unter § 8 (3) des Eingemeindungsvertrages findet sich eine Regelung bezüglich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Danach werden Straßenausbaubeiträge nicht rückwirkend erhoben. Dies gilt auch für Straßenbaumaßnahmen, die im Jahr 1998 begonnen wurden. Speziell für die Stahmelner Straße heißt dies, dass die Kosten der ehemaligen Gemeinde Lützschena-Stahmeln für den 1994 erfolgten Straßenausbau zwischen Mühlenstraße und Sorbenstraße nicht Bestandteil der beitragsfähigen Kosten sind. Lediglich die für die damalige Baumaßnahme im Bereich der Gemarkung Wahren anteilig durch die Stadt Leipzig getragenen Kosten sind mit dem aktuell geplanten Ausbau der Stahmelner Straße beitragsfähig. Dies ergibt sich daraus, dass die Stahmelner Straße erst mit dem aktuell geplanten Ausbau fertiggestellt wird und in diesem Zusammenhang alle für den Ausbau der Verkehrsanlage angefallenen städtischen Kosten zur Beitragserhebung zugrunde zu legen sind. Hierbei handelt es sich somit nicht um eine rückwirkende Erhebung von Beiträgen, denn die sachlichen Beitragspflichten entstehen für die Stahmelner Straße erst mit Fertigstellung der Verkehrsanlage und Eingang der letzten Unternehmerrechnung.
Die Straßenausbaubeitragssatzung gilt für das gesamte Stadtgebiet. Die Aussetzung der Anwendung dieser Satzung im Bereich der Ortschaft Lützschena-Stahmeln wäre eine willkürliche Festlegung ohne jegliche rechtliche Grundlage. Der Grundsatz der Gleichbehandlung wäre nicht mehr gewahrt.
Die Satzung wurde durch die Ratsversammlung beschlossen und ist somit anzuwenden. Für die Aussetzung der Anwendung dieser Satzung besteht keine rechtliche Grundlage. Sie hätte zudem zur Folge, dass für einzelne Straßenbaumaßnahmen die Verjährung hinsichtlich der Erhebung von Beiträgen eintreten würde. Damit würde die Stadt Leipzig bewusst auf Einnahmen verzichten, die sie jedoch aufgrund der rechtskräftigen Satzung erheben muss. Ein solcher Verzicht wäre unzulässig sowie von strafrechtlicher Relevanz und ist daher abzulehnen.
Zu den Ausführungen im Sachverhalt zum Antrag VI-A-05613 wird zudem auf Folgendes hingewiesen:
- Die Straßenausbaubeitragssatzung ist seit ihrem Beschluss rechtskräftig und in ihrer aktuellen Fassung innerhalb des Gebietes der Stadt Leipzig gültig. Es wird keine gesonderte Straßenausbaubeitragssatzung für die Stahmelner Straße erarbeitet.
- Das ehemalige Gebiet der Gemeinde Lützschena-Stahmeln ist für die aktuelle Anwendung der Straßenausbaubeitragssatzung aufgrund des Eingemeindungsvertrages nicht mehr relevant. Für die Bestimmung der beitragsfähigen Verkehrsanlage ist das Stadtgebiet Leipzig in seinen aktuellen Grenzen maßgeblich.
Entscheidung der Ratsversammlung am 18. April 2018
Der Änderungsantrag wurde abgelehnt und stattdessen der Hauptantrag der CDU-Fraktion mehrheitlich beschlossen.