Anfrage: Überlassung von kommunalen Flächen für Zirkusbetriebe mit Wildtieren

Anfrage vom 19. März 2015:

Das Mitführen und die Zurschaustellung von Wildtieren in Zirkusbetrieben sind, nicht nur bei Tierschützern, sehr umstritten. Wildtiere, z.B. Elefanten, Tiger oder Nashörner stellen besonders hohe Ansprüche an ihre Haltung, die sich in einem fahrenden Zirkusunternehmen nicht umsetzen lassen. Auch die Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) 2013 hat keine Verbesserung für die Tiere gebracht. Langsam setzt ein Umdenken ein. Immerhin lassen bereits 23 Kommunen in Deutschland Zirkusbetriebe, die Wildtiere mit sich führen, nicht mehr auf ihren städtischen Flächen gastieren. Dazu gehören u.a. Potsdam, München und Heidelberg und aktuell der Vorstoß in Chemnitz.

In Leipzig ist es nach wie vor Zirkusbetrieben erlaubt, Wildtiere mitzuführen und auf kommunalen Flächen zur Schau zu stellen. Das Veterinäramt muss dazu eine tierschutzrechtliche Genehmigung nach § 11 Abs. 1 erteilen. Es werden Defizite deutlich; so wurde im Jahr 2009 einem Zirkusbetrieb der Auftritt aufgrund vorgefundener Mängel in der Tierhaltung untersagt. Neben Tierschutzverbänden und Bundesländern fordert auch die Bundestierärztekammer ein Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen.

Wir fragen an und bitten um schriftliche Beantwortung:

  1. Wie viele Zirkusbetriebe/Tierschauen gastierten in den letzten 5 Jahren mit Wildtieren/mit Haustieren/ohne Tiere (bitte getrennt auflisten) in Leipzig?
  1. Auf welchen kommunalen/privaten Flächen gastierten Zirkusbetriebe mit Tieren in der Stadt Leipzig?
  1. Durch wen wurden die Tierhaltungen kontrolliert und wie häufig fanden diese Kontrollen statt?
  1. Wie viele und welche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bzw. gegen die "Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben und ähnlichen Einrichtungen" wurden in dieser Zeit bei den Kontrollen festgestellt und auf welche Tierarten bezogen sich diese? (bitte einzeln auflisten: Ordnungswidrigkeiten, Auflagen, Strafverfahren)
  1. Haben die Zirkusbetriebe die ihnen auferlegten Auflagen erfüllt? Wenn ja, wie und wenn nein, warum nicht?
  1. Welche Auffassung vertritt die Stadt Leipzig zu den Bundesratsentschließungen von 2003 und 2011 hinsichtlich eines Wildtierverbots in Zirkusbetrieben? Des Weiteren der Reaktion einiger deutscher Kommunen auf die fehlende Umsetzung durch die Bundesregierung, kommunale Flächen für Zirkusbetriebe mit Wildtieren nicht mehr zur Verfügung zu stellen, wie es die Stadt München prakiziert. Wie verhält es sich in Bezug auf die Praxis in Leipzig? Auch in Chemnitz gibt es derzeit dahingehend einen Vorstoß. Wird es in absehbarer Zeit auch in Leipzig eine Umsetzung geben?


Antwort der Verwaltung aus der Ratsversammlung vom 15. April 2015:

Zu 1.

In den letzten 5 Jahren gastierten in Leipzig 39 Zirkusunternehmen mit Wildtieren. Von diesen 39 Zirkusunternehmen führten 7 Unternehmen exotische Wildtiere (Elefanten, Tiger, Nashörner, Giraffen, Braunbären, Löwen, Seelöwen, Flusspferd) mit sich. 30 Zirkusunternehmen führten auch Haustiere mit sich. Zirkusunternehmen ohne Tiere werden nicht vom Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt kontrolliert.

Zu 2.

Die Zirkusunternehmen, die exotische Wildtiere mitführten, gastierten in der Regel auf dem Festplatz Cottaweg, der als kommunaler Standort vom Marktamt Leipzig vermietet wird.

Weitere Standorte für Zirkusunternehmen waren folgende kommunale und private Flächen:

– Ernst-Pinkert-Schule, Martinstr. 7, 04318 Leipzig
– 77. Grundschule, Riebeckstr. 50, 04317 Leipzig
– Parkplatz Löwencenter in Leipzig-Burghausen
–Kinderhaus „Lützschenaer Sternchen“, Sportplatz Hallesche Str. 119/121, 04159 Leipzig
– Festwiese Zweinaundorf am Gasthof Zweinaundorf
– Schönauer Park
– Leipziger Straße / Ecke Schönauer Straße, 04178 Leipzig
- Knautnaundorfer Straße, 04249 Leipzig
–Schönauer Straße, 04207 Leipzig
- Freie Schule, Alte Salzstraße 67, 04209 Leipzig
- Paunsdorf – Center, Hotel Ramada
- 120. Grundschule, Martin-Hermann-Str. 1, 04249 Leipzig
-Erich-Kästner-Grundschule, Erfurter Str. 9, 04155 Leipzig
-Grundschule Gundorf, Leipziger Straße 210, 04178 Leipzig
- Grundschule Stahmeln, Stahmelner Höhe 1, 04159 Leipzig
- Sportplatz SV Fortuna, Riesaer Str. 101, 04319 Leipzig
- Schule 5, Eitingonstr. 5, 04105 Leipzig
- Garskestraße, 04205 Leipzig
- Reineckestr. 4, 04179 Leipzig
- Parkplatz Möbelhaus Porta, Alte Messe Leipzig

Zu 3.

Die Tierhaltungen der Zirkusunternehmen werden regelmäßig mindestens ein Mal vor Beginn des Gastspiels durch einen amtlichen Tierarzt und einen Amtsinspektor des Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamtes kontrolliert. Falls Verstöße gegen Tierschutznormen festgestellt werden, ist der Zirkus bis zur Beseitigung der festgestellten Mängel wiederholt zu kontrollieren.

Zu 4.

Es wurden in den letzten 5 Jahren folgende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bzw. gegen die „Zirkusleitlinien“ festgestellt, die reglementiert wurden:

  •  1 Zirkusunternehmen mit erloschener § 11 – Tierschutz – Erlaubnis erhielt die Untersagung der Zur-Schau-Stellung seiner Tiere
  • 4 Zirkusunternehmen erhielten Ordnungsstrafen wegen fehlender Anmeldung zur tierschutzrechtlichen Kontrolle
  • 3 Zirkusunternehmen erhielten Ordnungsstrafen wegen unkorrekter Tierbestandsdokumentationen.

Bei folgenden Verstößen wurden Auflagen erteilt zur:

  • ausreichenden Wasserversorgung der mitgeführten Tiere
  • Verbesserung der Haltungsbedingungen für Kaninchen und Tauben
  • Vergrößerung des Außengeheges für Kamele, Ponys, Ziegen
  • Installation von Schattenplätzen und Scheuermöglichkeiten für Elefanten
  • tierärztliche Behandlung von Verletzungen bei einem Pferd
  • Absicherung einer stabilen Einzäunung des Außengeheges für Kamele und Lamas
  • tierschutzgerechteren Gestaltung einer Rampe für das Badebassin des Nilpferdes
  • Impfung des Hühnerbestandes
  • Kennzeichnung von Ziegen
  • Hufpflege von Pferden

Zu 5.

Die Zirkusbetriebe haben die ihnen erteilten Auflagen erfüllt. Die Erfüllung der Auflagen wurden vom Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt kontrolliert.

Zu 6.

Die Stadt Leipzig befürwortete die Bundesratsentschließungen von 2003 und 2011 hinsichtlich des Verbotes des Mitführens bestimmter exotischer Wildtiere in Zirkusunternehmen, deren artgerechte Haltung im Zirkusbetrieb generell in Frage gestellt werden muss (Menschenaffen, Elefanten, Nashörner, Nilpferde, Giraffen, Braunbären).

Für ein generelles Verbot des Mitführens von Wildtieren im Zirkus gibt es gegenwärtig keine Rechtsgrundlage. In der Neufassung des Tierschutzgesetzes vom 07.08.2013 wurde in § 11 Abs. 4 eine Ermächtigungsgrundlage für das Bundesministerium geschaffen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen  von Tieren wildlebender Arten unter streng definierten Voraussetzungen zu beschränken oder zu verbieten. Hiervon hat der Bund jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht. Die fehlende Umsetzung dieser Ermächtigung ist bedauerlich.

Die Regelungen einzelner Städte, die Vermietung kommunaler Standflächen an Zirkusunternehmen die Wildtiere mit sich führen zu versagen, sind nach Klagen der Zirkusunternehmen wegen Fehlens der Rechtskonformität zurückgenommen worden (z. B. Chemnitz 2008, Darmstadt 2013) bzw. wurden mangels Klageerhebung noch nicht gerichtlich überprüft.

Als rechtswidrig wurde von den Gerichten insbesondere beurteilt, dass den Zirkusunternehmen, die eine gültige tierschutzrechtliche Erlaubnis besitzen und ihre Tiere entsprechend den Mindestvorschriften der „Zirkusleitlinien“ und des „Säugetiergutachtens“ halten, generell ein kommunaler Standplatz versagt worden sei. Es müsse diesen Unternehmen zumindest eine ausgewiesene kommunale Fläche als Alternative bereitgestellt werden.

Auch müsse die Entwidmung eines bisher als „Veranstaltungsplatz“ genutzte Fläche durch eine rechtskonforme städtische Satzung die kommunale Regelung rechtssicher machen, damit einem Zirkusunternehmen das Gastspiel dort untersagt werden könne. In Leipzig gibt es als kommunalen Standplatz für größere Zirkusunternehmen nur den Festplatz am Cottaweg, der bei einer satzungsgemäßen Entwidmung auch für andere Vergnügungsveranstaltungen (z. B. Kleinmesse) nicht mehr genutzt werden dürfte.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre es jedoch rechtswidrig, diesen Standplatz jedem Zirkusunternehmen, das Wildtiere mit sich führt, zu versagen.

Die Vermietung privater Flächen an Zirkusunternehmen darf die Stadt nicht reglementieren.

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