Anfrage: Aktuelle Situation wohnungsloser Menschen in Leipzig

Anfrage vom 6. März zur Beantwortung durch die Verwaltung in der Ratsversammlung am 12. April 2017

Jeder Mensch braucht eine Wohnung.

Das Leipziger Hilfeangebot für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen ist mit dem städtischen Beratungsangebot Vier Wände im Sozialamt und einem breit aufgestellten Beratungs-, Betreuungsangebot sowie den Übernachtungshäusern durch Freie Träger (für Frauen) und (für Männer bei der Stadt Leipzig) recht gut aufgestellt. Als Interessenvertreter der Hilfeeinrichtungen arbeitet die Arbeitsgruppe Recht auf Wohnen seit 25 Jahren daran mit,  Zwangsräumungen zu verhindern, Wohnungslosigkeit erfolgreich zu beenden und Härtefällen vorzubeugen und die Öffentlichkeit zum Thema zu sensibilisieren.

Als wohnungslos werden Menschen bezeichnet, die über keinen eigenes Wohneigentum, z. b. in Form eines eigenen Mietvertrages verfügen. Den rechtlichen Anspruch auf Unterstützung und bei der Verhinderung von Wohnungslosigkeit begründet §§ 67 SGB XII. Die Zuständigkeit ist dabei an die Kommunen übergegangen. Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind sehr vielfältig, sie reichen von unangepassten Lebensverhältnissen, Gefängnisaufenthalten, psychischen Krankheiten und (wiederholte) Sanktionierungen durch das Jobcenter. Es sind aber auch Lebenskrisen verantwortlich, wie Scheidung oder Tod eines nahe stehenden Menschen und wenn die Lebensbewältigung versagt.

Die Träger der Einrichtungen stellen fest, dass die Suche nach verfügbaren Wohnungen für Wohnungslose in Leipzig nahezu aussichtslos geworden ist. Insbesondere wohnungslose Alleinstehenden mit Mietrückständen oder anderen Problemlagen sind nicht mehr in Wohnungen in angemessener Größe vermittelbar, auch weil es diese Wohnungen in sozialhilferechtlich angemessener Größe nicht gibt. Die Träger stellen fest, dass es in Leipzig überdurchschnittlich viele Zwangsräumungen gibt, verglichen mit anderen sächsischen Kommunen (Sachsen 2015: 4.762, davon Leipzig 1.369, Dresden 953). Zugleich ist bekannt, dass kleine Kommunen im Umland ihre Hilfeeinrichtungen schließen und die Betroffenen nach Leipzig verweisen.

Wir fragen an:

  1. Welche Ursachen für den um ein Drittel höheren Verlust von Wohnungsmietverträgen in Leipzig erkennt die Stadtverwaltung?

  2. Welche Hilfestellung bietet die Stadt Leipzig im Fall von Sanktionen durch das Jobcenter an, um Wohnraum erhaltend zu wirken?

  3. Wie schätzt die Stadtverwaltung die gegenwärtige Situation und die Entwicklung von Wohnungslosigkeit in Leipzig in den letzten drei Jahren – unter Berücksichtigung  der wachsenden Einwohnerzahlen und einem enger werdenden Wohnungsmarkt - in sozialer  Hinsicht ein?

  4. Ist das Angebot, auch die personelle Ausstattung der Träger und im Sozialamt, noch ausreichend? Welcher Handlungsbedarf wird für 2017 und 2018 gesehen?


Schriftliche Antwort der Verwaltung:

Zu 1:
In 2015 wurden dem Sozialamt gemäß der gesetzlichen Meldepflicht des Amtsgerichtes (§ 36 Abs. 2 SGB XII)  1.059 Räumungsklagen in Leipzig gemeldet.
Dabei handelt es sich um Räumungsklagen, die ausschließlich aufgrund von Mietrückständen erfolgten.  
Bei der in der Anfrage genannten Zahl der Räumungsklagen in Leipzig (1.369) handelt es sich um die Gesamtzahl aller beim Amtsgericht Leipzig anhängig gewordenen Räumungsklagen im Jahr 2015, einschließlich Räumungsklagen wegen anderer mietvertraglicher Verletzungen durch den Mieter (wie z.B. Beschädigungen der Mietsache), Eigenbedarf des Vermieters oder der Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung durch Modernisierung, Umbau oder Verkauf.
Die höhere Anzahl an Wohnungsverlusten in Leipzig im Vergleich zu Dresden hängt vermutlich mit einer höheren Anzahl von Personen mit niedrigerem Einkommen zusammen.

Zu 2.:
Sobald durch Sanktion des Jobcenters die Zahlung der Miete gefährdet ist, haben Leistungsberechtigte die Möglichkeit, sich im Sozialamt beraten zu lassen.
Im Beratungsgespräch wird der Grund für die Leistungskürzung festgestellt.
Gründe für die Sanktionierung kann ein Meldeversäumnis beim Jobcenter sein, die Weigerung eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen oder das Fehlen der Mitwirkung des Leistungsberechtigten.
Durch das Nachholen der Mitwirkung oder der Meldung des Leistungsberechtigen im Jobcenter kann eine Aufhebung der Sanktion oder eine Verkürzung des Sanktionszeitraumes erreicht werden.
Soweit durch eine Sanktion nur geringe Mietrückstände entstanden sind, wird den betroffenen Personen empfohlen, mit Unterstützung eines Mitarbeiters des Sozialamtes eine Klärung mit dem Vermieter sowie eine Vereinbarung zur Ratenzahlung herbeizuführen.
Falls bereits Mietrückstände in kündigungsfähiger Höhe (i.d.R. zwei Monatsmieten) aufgelaufen sind, kann durch das Sozialamt die Übernahme der Mietschulden in Form eines Darlehens zum Erhalt des Wohnraumes erfolgen.

Zu 3.:
Die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt ist gestiegen. Wohnungslose und Personen mit Mietschulden haben es von daher schwerer, eine neue Wohnung anzumieten.
Umso wichtiger ist es, den Verlust der Wohnung zu verhindern.  
Je eher sich Personen mit Mietschulden an das Sozialamt wenden, desto höher ist die Chance des Wohnraumerhalts. Im Jahr 2016 übernahm das Sozialamt in 212 Fällen die Mietschulden.
(Im Jahr 2015 waren es 170, in 2014 179 Fälle.)
Im Übernachtungshaus für wohnungslose Männer war in den letzten drei Jahren kein Anstieg der notuntergebrachten Klienten zu verzeichnen.
Im Jahr 2016 waren es 406 Personen. Im Jahr 2015 386 und in 2014 425 Personen.
Eine geringe Steigerung gab es bei der Anzahl notuntergebrachter EU-Bürger aus Osteuropa (2015: 45 Personen, 2016: 56 Personen).

Zu 4.:
Das Sachgebiet Wohnungsnotfallhilfe des Sozialamtes ist mit acht Sozialarbeitern und sechs Sachbearbeitern Wirtschaftliche Wohnhilfen und einem Leiter ausgestattet. Zur Absicherung des Schichtdienstes im Übernachtungshaus erfolgt zum 01.04.2017 eine Aufstockung des Personals um eine Stelle einer pädagogischen Mitarbeiterin im Umfang von 0,75 VZÄ.
In Leipzig gibt es verschiedene Angebote zur Verhinderung von Wohnungsverlust und zur Unterstützung von wohnungslosen Personen.
Neben den Leistungen, die die Stadt Leipzig selbst vorhält, werden durch freie Träger ein Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen und drogenabhängige Personen, zwei Tagesaufenthalte für Wohnungslose und zwei Wohnhäuser für chronisch mehrfach geschädigte abhängigkeitserkrankte Männer betrieben.
Seit 2016 gibt es das Projekt „Leipziger Obdach Plus (LOP)“, dass sich an wohnungslose, psychisch kranke Menschen richtet.  
Zusätzlicher Handlungsbedarf im Bereich der Wohnungslosenhilfe besteht derzeit nicht. Jedoch wird die Bedeutung präventiver Maßnahmen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit weiterhin steigen.

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