Anfrage: Arbeit des Rechtsamtes und Zusammenspiel mit den kommunalen Eigenbetrieben

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 24. Februar 2021

Vorbemerkung: In mehreren Eigenbetrieben der Stadt werden eigene Juristen, zum Teil als Referent der Personalleitung beschäftigt. Es ist nicht ersichtlich, wie die Abstimmung mit dem Rechtsamt der Stadt läuft. Ebenso ist nicht ersichtlich, wann eine direkte Unterstützung durch das Rechtsamt in Frage kommt und ab wann die Stadt bzw. die Eigenbetriebe externe Juristen beschäftigen und welche Kosten der Stadt und ihrer Eigenbetriebe jährlich durch Prozesse entstehen.

Wir fragen daher:

  1. In welchen Eigenbetrieben der Stadt sind aus welchen Gründen Juristen in ebensolcher Funktion angestellt und wie läuft bei rechtlichen Fragestellungen die Abstimmung mit dem Rechtsamt der Stadt? Wie und in welchem Umfang können kommunale Eigenbetriebe ohne eigene Juristen bei Fragestellungen auf das Rechtsamt zurückgreifen?
  2. Auf welcher Grundlage werden durch die Stadt externe Kanzleien eingeschaltet und ab wann?
  3. Auf welcher Grundlage werden durch die Eigenbetriebe externe Kanzleien eingeschaltet und ab wann?

Prozesse:

  1. Wie viele Prozesse hat die Stadt in den letzten 2 Jahren geführt, welche Kosten sind dabei entstanden, wie viele dieser Prozesse endeten mit einem Vergleich, mit einem Obsiegen oder einer Niederlage?
  2. Bei wie vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurden im Vergleich dazu in den letzten 2 Jahren externe Kanzleien eingeschaltet, welche Kosten sind der Stadt hierbei entstanden und wie oft endeten diese Verfahren mit einem Vergleich bzw. einem Obsiegen oder Niederlage in der Sache?
  3. Welche Ableitungen lassen sich aus diesem Vergleich ziehen?

 

Antwort vom 24. Februar 2021

Vorab-Einordnung der Anfrage

Das Aufgabenspektrum des Rechtsamtes der Stadt Leipzig umfasst rechtsberatende Leistungen für die Organisationseinheiten der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe sowie zu ca. 60% des Arbeitsanfalls die Prozessvertretung.

Darüber hinaus sind manche Rechtsbereiche nicht vom Aufgabenspektrum des Rechtsamtes umfasst. So werden z. B. arbeits- und beamtenrechtliche Sachverhalte zentral im Personalamt verantwortet, das Liegenschaftsamt zeichnet für liegenschafts- und grundstücksverkehrsbezogene Rechtsfragen/-prozesse zuständig.

Vor diesem Hintergrund und dem die Anfrage leitenden Titel („Arbeit des Rechtsamtes und Zusammenspiel mit den kommunalen Eigenbetrieben“) beziehen sich die nachfolgenden Darstellungen auch ausschließlich auf das Rechtsamt.

Zum Zweck der verständlichen Beantwortung wurden die Fragen nachfolgend in Teilfragen untergliedert.

Frage 1.1: In welchen Eigenbetrieben der Stadt sind aus welchen Gründen Juristen in ebensolcher Funktion angestellt?

Eigenbetrieb

Juristen in ebensolcher Funktion

Gewandhaus zu Leipzig

Keine.

Der Verwaltungsdirektor verfügt über einen juristischen Abschluss.

Kommunaler Eigenbetrieb Leipzig/Engelsdorf

Keine.

Die Abteilungsleiterin Personal und Zentrale Dienste verfügt aber über einen juristischen Abschluss.

Musikschule „Johann Sebastian Bach“ Leipzig

Keine.

Oper Leipzig

In der Oper Leipzig sind insgesamt 4 Juristen (SGL und MA Bereich Vertragswesen und Grundsatzfragen, Leiter Personalwesen/Recht, Company Manager Ballett; tlw. in Teilzeit) auch mit juristischen Aufgaben befasst.

Schauspiel Leipzig

Keine.

Die Leiterin Personal sowie der Verwaltungsdirektor verfügen aber über einen juristischen Abschluss.

Städtischer Eigenbetrieb Behindertenhilfe

Die Personalreferentin verfügt über einen juristischen Abschluss. Ihr obliegen u. a. Grundsatzfragen der Personalratsbeteiligung und in Einzelfällen gerichtliche Vertretungen.

Städtisches Klinikum „St. Georg“ Leipzig

Keine.

Stadtreinigung Leipzig

Der Leiter der Fachberatung Recht ist Jurist, welcher u. a. die gerichtliche Vertretung des Eigenbetriebes und die Beurteilung von Rechtsfragen verantwortet.

Theater der Jungen Welt

Keine.

Verband kommunaler Kinder und Jugendhilfe

Der Eigenbetrieb beschäftigt eine Justiziarin (0,75 VzÄ), welche zu einem Anteil von etwa 50 % juristische Tätigkeiten (v. a. Rechtsberatung der Betriebsleitung) übernimmt.

 

Frage 1.2: Wie läuft bei rechtlichen Fragestellungen die Abstimmung mit dem Rechtsamt der Stadt?

und

Frage 1.3: Wie und in welchem Umfang können kommunale Eigenbetriebe ohne eigene Juristen bei Fragestellungen auf das Rechtsamt zurückgreifen?

Die Abstimmung erfolgt – sofern die Eigenbetriebe über keine hausinterne Rechtsberatung verfügen und/oder keine externe Beratung in Anspruch nehmen wollen – mit den Justiziaren des Rechtsamtes bzw. der Amtsleitung.

Sofern Eigenbetriebe über eigene juristische Sachbearbeitung verfügen besteht für sie keine Verpflichtung, das städtische Rechtsamt zu konsultieren. Das Rechtsamt versteht sich selbst als Angebot für die Eigenbetriebe, rechtsberatend und prozessvertretend zur Seite zu stehen. Dies wird von den Eigenbetrieben in unterschiedlicher Weise genutzt. Parallel erfolgt regelmäßig auch eine Einbindung der Dezernate, denen die Eigenbetriebe zugeordnet sind.

 

Frage 2: Auf welcher Grundlage werden durch die Stadt externe Kanzleien eingeschaltet und ab wann?

Es wird auf die Ausführungen zur Frage 4.1 verwiesen.

 

Frage 3: Auf welcher Grundlage werden durch die Eigenbetriebe externe Kanzleien eingeschaltet und ab wann?

Das Führen von Rechtsstreitigkeiten obliegt entsprechend der Betriebssatzungen der Eigenbetriebe den Betriebsleitungen. Es handelt sich mithin um einen Bestandteil der eigenständigen Haushalts- und Wirtschaftsführung. Nichtsdestoweniger besteht auch hier grundsätzliche die Möglichkeit, das Rechtsamt hinzu zu ziehen. Bei Überschreiten der jeweiligen Wertgrenze kann die Betriebsleitung die Entscheidung nicht allein treffen, vielmehr ist eine Entscheidung des jeweiligen Betriebsausschusses bzw. sogar der Ratsversammlung erforderlich. Die Anrufung der Ausschüsse im Falle der Erforderlichkeit obliegt den Betriebsleitungen.

Für rechtliche Bewertungen, die Anfertigung von Rechtsgutachten oder Stellungnahmen sowie die Prüfung grundsätzlicher Dokumente können die Eigenbetriebe auf die Expertise des Rechtsamtes zurückgreifen, sofern diese nicht über juristischen Sachverstand im eigenen Haus verfügen. Auch hierfür kann – ggf. in Abstimmung mit dem Rechtsamt – eine externe Kanzlei beauftragt werden.

Hierbei ist zu beachten, dass die zehn Eigenbetriebe in unterschiedlichen Bereichen aktiv sind und folglich diverse rechtliche Anforderungen haben. Auswahlkriterien bei der Beauftragung externer Kanzleien sind neben der Wirtschaftlichkeit auch die fachanwaltliche Kompetenz oder Erfahrungen in einem speziellen Rechtsbereich.

 

Frage 4.1: Wie viele Prozesse hat die Stadtverwaltung das Rechtsamt in den vergangenen zwei Jahren geführt?

Zu unterscheiden sind laufende Prozesse (in der vorliegenden Betrachtung seit dem Jahr 2013) und neue Prozesse aus den Jahren 2019 und 2020. Die Verfahrenszahlen haben sich auf Grund des Rückgangs der Kitaverfahren seit dem Jahr 2020 weitgehend normalisiert. 2019 waren noch 1.614 neue Verfahren zu verzeichnen, 2020 waren es noch 1.327 neue Prozesse.

Diagramm 1:

 

Insgesamt wurden im Rechtsamt seit dem Jahr 2013 nach aktuellem Aktenbestand zum Stich­tag 31.12.2020 die aus der nachfolgenden Übersicht (Diagramm 2) ersichtlichen Pro­zess­­­zahlen (laufende und abgeschlossene Verfahren) registriert. Hiervon ist ein sehr geringer Anteil dem Zivilrecht (ZR) zuzuordnen. Der überwiegende Prozessanteil liegt im Verwal­tungs­recht (VR). Dies ist in der Betrachtung wichtig zu unterscheiden, da im Zivilprozessrecht ab einem Streitwert von 5.000 € ein An­walts­zwang besteht. Das bedeutet, in diesem Verfahren darf die Stadt Leipzig nicht durch das Rechtsamt – mithin sich selbst – vertreten werden.

Die Einschaltung von externen Kanzleien erfolgt durch das Rechtsamt in der Regel nur in diesen Fällen des sogenannten Anwaltszwangs. Nur in Ausnahmefällen werden Anwalts­kanz­leien für „exotische“ Rechtsgebiete oder im Sinne des „Gleichgewichts der Kräfte“ für verwal­tungs­gerichtliche Verfahren beauftragt. Letzteres wird beispielsweise dann vorgenommen, wenn die Gegenseite fachrechtliche Schwergewichte der Branche mit ihrer Vertretung beauftragt hat und das Streitwertvolumen (von ggf. mehreren Millionen Euro) eine anwaltliche Vertretung rechtfertigt. Auch im Fall der anwaltlichen Vertretung werden diese Fälle selbstverständlich als „Backoffice“ durch das Rechtsamt begleitet und es erfolgen maßgebliche Zuarbeiten an die Fachanwälte.

Diagramm 2:

 

Frage 4.2: Welche Kosten sind dabei entstanden?

Die Prozesskosten des Rechtsamtes aus gerichtlichen Verfahren lagen 2019 bei ca. 950.000 € und 2020 bei ca. 630.000 €. Hier spiegelt sich ein Rückgang der Kitaprozesse auch kosten­technisch wieder.

Diagramm 3:

 

 

Frage 4.3 Wie viele Prozesse endeten mit einem Vergleich, einem Obsiegen oder einer Niederlage?

Der Verfahrensausgang wird im Rechtsamt bislang noch nicht dokumentiert. Es ist daher oh­ne einen erheblichen Verwaltungsaufwand nicht möglich, dies auszuwerten. Gemeinsam mit dem Rechnungsprüfungsamt werden aktuell Überlegungen zu einem Prozessregister ange­stellt, welches über das elektronische Dokumentenmanagementsystem geführt werden soll, um derartige Auswertungen künftig zu ermöglichen.

 

Frage 5.1: Wie viele gerichtliche Auseinandersetzungen wurden in den letzten 2 Jahren über externe Anwälte betrieben?

und

Frage 5.3 Wie oft endeten diese Verfahren im Vergleich dazu mit einem Obsiegen, Unterliegen oder einem Vergleich?

Aus Diagramm 4 wird deutlich, dass das Rechtsamt im Jahr 2019 14 neue Prozesse und im Jahr 2020 12 neue Prozesse anwaltlich begleiten ließ.

 

Diagramm 4:

 

Die Auswertung der Obsiegensquote war angesichts der geringen Fallzahlen möglich. Bislang wurden von diesen Verfahren vier Verfahren gewonnen (3 aus 2019 und 1 aus 2020) im Übrigen sind die Verfahren noch nicht beendet, so dass eine abschließende Aussage nicht getroffen werden kann. Die Darstellung des Unterliegensanteils (bis­lang 0 Verfahren – graue Fläche) erfolgte aus Gründen der Vollständigkeit.

 

Frage 5.2: Welche Kosten sind dabei entstanden?

Die anwaltlichen Verfahren haben bislang Anwaltskosten in Höhe von 60.791,47 € (2019) und 34.811,06 € (2020) verursacht (Diagramm 5). Eine Wertung dieser Anwaltskosten ist nicht möglich, da es sich um laufende Verfahren handelt und eine finale Kostenbe­rech­nung erst nach Verfahrensabschluss erfolgt. Aktuell liegen hier ausschließlich anteilige Kosten­vorschuss­zahlungen vor. Die gewonnenen Prozesse sind vom Rechtsamt nicht zu bezahlen. Die Kosten unserer Anwälte trägt in diesen Fällen die Gegenseite.

Diagramm 5:

 

Frage 6: Welche Ableitungen lassen sich aus dem Vergleich ziehen?

Ein Vergleich der vorgestellten Zahlen ist schwierig, da sich die Prozesse sowohl in der Anzahl, im Streitwert als auch in der jeweiligen Ausgangslage (siehe beispiels­weise Kitaverfahren) sowie in den daraus resultierenden jeweiligen Erfolgsaussichten unterscheiden.

 

Unabhängig hiervon ist deutlich, dass der Schwerpunkt der Prozessführung des Rechtsamtes im Verwaltungsrecht liegt und die dort geführten Verfahren durch die Eigenvertretung kostengünstiger geführt werden können, da eigene Anwaltskosten hier nicht anfallen. Insbesondere in Verfahren mit geringen Erfolgsaussichten würde die Einschaltung von anwaltlichen Vertretern zusätzliche Kosten verursachen, was bei der Vielzahl der geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhebliche Auswirk­ungen auf das erforderliche Prozessbudget haben dürfte.

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