Anfrage: Auswertung zu Unfällen mit Fahrradfahrenden und Zufußgehenden

Anfrage vom 2. November 2016 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 17. November

Die dunkle Jahreszeit und die schlechte Sicht erhöhen die Gefahr für Unfälle auf Straßen und Wegen. Die Polizeistatistik zeigt, dass im Gegensatz zu abnehmenden Unfallzahlen im Allgemeinen Unfälle mit Beteiligung Fahrradfahrender zunehmen. Im Radverkehrsentwicklungsplan ist die Erhöhung der Sicherheit von radfahrenden Verkehrsteilnehmenden ein wesentliches Ziel. Es besteht jedoch die Frage, ob die Maßnahmen der Stadt und der Polizeidirektion angesichts der Unfallzahlen und steigenden Fahrradfahrenden sowie Zufußgehenden bisher ausreichend sind.  Der Stadtrat hat im September 2015 dazu beschlossen, dass es einen jährlichen Verkehrsunfallbericht der Stadt Leipzig (VI-A-01331) geben solle. Dieser steht bisher aus.

Wir bitten deswegen um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Welche Struktur aus Stadtverwaltung und Polizeidirektion, ggf. erweitert mit weiteren Fachkompetenzen, arbeitet zur Identifizierung von Unfallschwerpunkten in Leipzig zusammen?
  2. Welche sind die bekannten Unfallschwerpunkte zwischen Autoverkehr und Radfahrenden und Zufußgehenden? Wir bitten um Nennung der zehn besonders gefährlichen Straßen und Kreuzungen.
  3. Welche sind die bekannten Unfallschwerpunkte zwischen Radfahrenden und Radfahrenden beziehungsweise Radfahrenden und Zufußgehenden? Wir bitten um Nennung der zehn besonders gefährlichen Straßen und Kreuzungen.
  4. Welche Schlussfolgerungen werden daraus abgeleitet?
  5. Wie wirkt sich das auf Planungen und Verkehrskontrollen aus?
  6. Was werden weitere Maßnahmen sein, um die Zahl und die Schwere der Unfälle zu verringern?

Leipzig-Informationssystem LIS:

 

 

2011

2012

2013

2014

2015

Verkehrsunfälle

Verkehrsunfälle insgesamt

14 461

14 485

14 010

13 904

13 750

darunter Unfälle …

mit Radfahrern

1 121

1 240

1 113

1 261

1 221

darunter verursacht von Radfahrern

483

425

488

541

525

dabei …

Getötete Radfahrer

2

3

3

3

2

Verletzte Radfahrer

794

846

793

936

921

mit Unfallflucht

3 909

3 854

4 021

4 198

4 451

unter Alkoholeinfluss

189

235

254

193

210

unter Drogeneinfluss

8

9

27

29

40

 

 

 

 

 

 

Quelle: Polizeidirektion Leipzig

 

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 17. November 2016

Die jährliche Informationsvorlage zum Verkehrsunfallbericht ist momentan in Vorbereitung und wird dem Stadtrat in Kürze zugeleitet.  Dies vorausgeschickt möchte ich nachfolgend die konkreten Fragen beantworten.

zu 1. Der Umgang mit Unfallhäufungsstellen, umgangssprachlich auch Unfallschwerpunkte genannt, ist formal in der Straßenverkehrsordnung beziehungsweise der zugehörigen Verwaltungsvorschrift
geregelt. So ist dort zu §44 festgelegt, dass zur Bekämpfung von Verkehrsunfällen Unfallkommissionen zu bilden sind, in denen Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde und Polizei eng zusammenarbeiten. Die Arbeit der Unfallkommissionen regeln die Bundesländer eigenständig. In Sachsen ist die Organisation, Zuständigkeit und die Arbeitsweise der Unfallkommissionen in einer gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren und des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr detailliert festgelegt. Die Leitung der Unfallkommissionen liegt demnach in Sachsen bei der
Straßenverkehrsbehörde. In Leipzig sind Straßenverkehrsbehörde und Straßenbaubehörde organisatorisch im Verkehrs- und Tiefbauamt eingeordnet.

Daher arbeiten in der Leipziger Unfallkommission Mitarbeiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes und der Polizeidirektion Leipzig zusammen. Die Leitung liegt beim Abteilungsleiter Straßenverkehrsbehörde/Verkehrsmanagement. Als ständiger Gast ist ein Mitarbeiter der Leipziger Verkehrsbetriebe aus dem Verkehrsunfalldienst der LVB Teilnehmer aller Sitzungen und Termine.
Des Weiteren wird das Landesamt für Straßenbau und Verkehr einbezogen, sofern Verkehrsanlagen in dessen Zuständigkeit berührt werden. Die Arbeit der Unfallkommission erfolgt auf der Grundlage des "Merkblatts zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen", welches im Freistaat Sachsen per Erlass als verbindlich erklärt ist.

Die Feststellung von Unfallhäufungsstellen erfolgt durch die Polizei auf der Grundlage elektronisch geführter Karten nach bestimmten Kriterien. In der sogenannten Dreijahreskarte werden unabhängig vom Typ diejenigen Unfälle mit Personenschaden erfasst, in der sogenannten Einjahreskarte werden alle Unfälle nach Typ erfasst. Sofern jeweils 5 Unfälle an einer Örtlichkeit in einer der beiden Karten zu verzeichnen sind, handelt es sich um eine Unfallhäufungsstelle, welche von der Polizei der Unfallkommission gemeldet wird. Nur diese Unfallhäufungsstellen werden in der Unfallkommission behandelt. Dazu tagt diese etwa 6
mal pro Jahr. Alle anderen Unfälle werden nach jeweilig individueller Festlegung einzelfallbezogen von Mitarbeitern der Verwaltung gemeinsam mit Mitarbeitern der Polizeidirektion Leipzig und bei Bedarf weiteren Sachkundigen behandelt.

Zu 2. Statistisch werden Unfälle ausschließlich durch die Polizei im Rahmen der Führung von elektronischen Karten zur Bearbeitung in den Unfallkommissionen ausgewertet. Dabei wird in Streckenabschnitte und Einzelpunkte unterschieden. Streckenabschnitte bilden Unfallhäufungslinien und Einzelpunkte bilden Unfallhäufungsstellen.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass linienhaftes Unfallgeschehen auf Innerortsstraßen aufgrund der kurzen Knotenpunktabstände kaum vorkommt. Eine Ausnahme bilden jene Unfälle des Typs "Überschreiten", d.h. zwischen die Fahrbahn querenden Fußgängern und Fahrzeugen. Hierfür gilt ein Grenzwert von 3 Unfällen mit Personenschaden in 3 Jahren auf einem
Abschnitt von 300 m Länge. Derzeit erfüllt keine Leipziger Straße dieses Kriterium. Vor der Umsetzung der  verkehrsorganisatorischen Sofortmaßnahmen in der Georg-Schumann-Straße bildete diese eine Unfallhäufungslinie.
Ein Kriterium für die Einstufung als gefährlichste Straße oder Kreuzung lässt sich nicht sinnvoll definieren. Dazu müsste festgelegt werden, ob zum Beispiel eine Unfallhäufungsstelle mit 20 Auffahrunfällen pro Jahr ohne Personenschäden gefährlicher ist, als eine Unfallhäufungsstelle mit 5 leicht verletzten Personen in 3 Jahren.

Mit dem Kriterium Gefährlichkeit arbeitet daher die Unfallkommission nicht. Deshalb kann die Frage so nicht beantwortet werden.
Die Unfallkommission arbeitet jedoch mit einem Arbeitsprogramm nach Prioritäten, welche sich aus einer Rangfolgentabelle ableitet. Die Rangfolgen gibt die automatisierte Auswertung der elektronischen Unfallkarten der Polizei vor und muss von der Unfallkommission plausibilisiert werden.
Von der Unfallkommission werden derzeit 81 Unfallhäufungsstellen bearbeitet. Davon gehören folgende 10 zu denen mit Unfällen zwischen Autoverkehr und Radverkehr und Fußverkehr:

1. Willy-Brandt-Platz/Fußgängersignalanlage (FSA) Osthalle: Hier treten besonders Unfälle mit Rotlichtverstößen durch Fußgänger auf.
2. Martin-Luther-Ring/Harkortstraße: Hier treten Abbiegeunfälle zwischen Auto- und Radverkehr auf.

An nachfolgenden 8 Unfallhäufungsstellen treten vor allem Einbiegen/Kreuzen-Unfälle zwischen Autoverkehr und Radverkehr auf:

3. Ossietzkystraße/Zeumerstraße
4. Richard-Lehmann-Straße/An der Tabaksmühle
5. Prager Straße/Stephanstraße: Mit dem Bau der Lichtsignalanlage im Zuge der vom Stadtrat beschlossenen Baumaßnahme werden diese Unfälle bekämpft.
6. Antonienstraße/Erich-Zeigner-Allee
7. Stannebeinplatz: Mittelfristig muss diese Unfallhäufungsstelle signalisiert werden.
8. Prager Straße/Talstraße
9. Lützner Straße/Auenweg in Miltitz
10. Jahnallee/Cottaweg

zu 3. Hinsichtlich der Einschätzung von „Gefährlichkeit“ möchte ich auf die vorangegangene Antwort verweisen. Wegen Unfällen zwischen Radfahrenden und Radfahrenden beziehungsweise Radfahrenden und Zufußgehenden ist aktuell nur eine Unfallhäufungsstelle bekannt:
1. Willy-Brandt-Platz/vor Hauptbahnhof-Osthalle

zu 4. Jede Unfallhäufungsstelle wird einzeln hinsichtlich der individuellen Unfallursachen erforscht und Maßnahmen als kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen festgelegt. In der Regel werden  Ortstermine durchgeführt. Mögliche Maßnahmen sind im sogenannten „Maßnahmenkatalog gegen Unfallhäufungen“, welcher vom BMVI, der BAST und der TU Dresden herausgegeben wurde, enthalten. In der Regel werden verkehrsorganisatorische Maßnahmen, wie zum Beispiel ergänzende Beschilderungen oder Markierungen festgelegt, Sichtfelder vergrößert, Abbiegebeziehungen angepasst oder auch Lichtsignalanlagen errichtet. Die Maßnahmen werden sorgfältig hinsichtlich Wirksamkeit und Angemessenheit sowie ihrer Auswirkungen auf das übrige Verkehrsnetz abgewogen. Nicht für alle genannten Unfallhäufungsstellen konnten auch schon die jeweiligen Maßnahmen
festgelegt oder umgesetzt werden.

zu 5. In der Leipziger Verkehrsunfallkommission arbeiten auch Mitarbeiter der Planungsabteilung mit. Damit wird sichergestellt, dass Feststellungen, Festlegungen und Erfahrungen der Unfallkommission bei allen Planungen berücksichtigt werden. Da Unfälle zwischen Autoverkehr und Radverkehr überwiegend an Kreuzungen und Einmündungen auftreten, muss der sicheren Führung des Radverkehrs besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nur wenn Radverkehr im direkten Sichtfeld des übrigen Verkehrs geführt wird, können vor allem Abbiege- und Einbiegen/Kreuzen-Unfälle, die in der Regel mit Personenschäden einhergehen,
vermieden werden. Unfälle mit Fußverkehr treten neben Kreuzungen und Einmündungen dann auf, wenn vom Fußverkehr auf kurzem Wege angestrebte Querungsstellen außerhalb von Kreuzungen und Einmündungen zum Beispiel nicht durch besondere Maßnahmen wie Querungsinseln gesichert sind. Die Beschlüsse der Unfallkommission werden im Rahmen personeller und finanzieller Ressourcen unverzüglich im Verwaltungshandeln zur Umsetzung vorbereitet. Verkehrskontrollen durch die Polizei werden schwerpunktmäßig und im Rahmen der dortigen personellen Ressourcen geleistet. Das Ordnungsamt geht ebenfalls den Hinweisen der Unfallkommission zu notwendigen Kontrollen des ruhenden und fließenden Verkehrs nach. Dies gilt sowohl für die Einordnung in die Einsatzpläne zur mobilen Geschwindigkeitsüberwachung als auch für die Planung, Errichtung und Finanzierung von stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen. Beispielsweise laufen derzeit die Vorbereitungen zur Inbetriebnahme einer Rotlichtüberwachungsanlage im Bereich Delitzscher Straße/Theresienstraße auf Hinweis der Polizeidirektion Leipzig. Nicht zuletzt tragen die regelmäßigen gemeinsamen Radfahrerkontrollen von Ordnungsamt und PD Leipzig dazu bei, die Sicherheit der Fußgänger in der Leipziger Innenstadt zu schützen.

zu 6. Neben verkehrsregelnden und baulichen Maßnahmen, die die Stadt Leipzig im Rahmen der vorhandenen Ressourcen selbst durchführt, ist auch bei Bauvorhaben der LVB gewährleistet, dass die Belange, die sich zur Beseitigung von Unfallhäufungsstellen ergeben, seitens des Verkehrs- und Tiefbauamtes in die LVB-Planungen eingebracht werden. Im Freistaat Sachsen findet seit 2010 auf Initiative der Stadt Leipzig unter Federführung der "LISt Gesellschaft für Verkehrswesen und ingenieurtechnische Dienstleistungen mbH", zweimal jährlich ein "Erfahrungsaustausch Verkehrssicherheit" mit den Städten Dresden und Chemnitz statt. Zuletzt war das Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig am 28.10.2016 Ausrichter. Die LISt bietet auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Mitglieder der Unfallkommissionen an, die von den Mitarbeitern des Verkehrs- und Tiefbauamtes intensiv genutzt wird. Wichtiges Gremium zum Thema Verkehrssicherheit ist die Arbeitsgruppe "Schulwegsicherheit", welche sich insbesondere mit der Querungsproblematik auf dem Schulweg und im Umfeld von Grundschulen auseinandersetzt. Die Arbeit dieser AG gewährleistet, dass seit Jahren keine Schwerpunkte bei Unfällen zwischen Autoverkehr und zu Fuß gehenden Schulkindern zu
verzeichnen sind.

Darüber hinaus arbeitet der Leiter der Unfallkommission im Beirat der Verkehrswacht Leipzig e.V. mit und der Stadtrat fördert die Verkehrssicherheitsarbeit von Vereinen mit jährlich 41.000 EUR. Unter anderem wird damit auch die jährliche Aktion  Sicherer Schulweg" unterstützt.

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