Anfrage: Berücksichtigung der Orte von Zwangsarbeit in der NS-Diktatur im Erinnerungs- und Gedenkkonzept der Stadt Leipzig“

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 26. Februar 2020

Mit der historischen Aufarbeitung der Zwangsarbeiteranwerbung und -verschleppung im 2. Weltkrieg und deren Lebenssituation während ihrer Zwangsarbeitszeit und auch noch anschließend, mit ihrer Rückkehr in die Heimat, werden die jeweiligen lokalen Zusammenhänge bekannt. Zu Leipzig in der NS-Zeit ist bekannt, dass 60.000 Frauen und Männer Zwangsarbeit leisten mussten. Etliche von ihnen überlebten die Strapazen nicht.

Auszug aus dem Flyer der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig:
"Leipzig war während des Zweiten Weltkriegs ein bedeutender Rüstungs- und Wirtschaftsstandort. Hier arbeiteten mindestens 60.000 Frauen und Männer unter Zwang. Sie wurden in allen Wirtschaftszweigen eingesetzt, u.a. als Haushaltshilfen, bei den Stadtwerken, den städtischen Verkehrsbetrieben oder in privaten Firmen. Ein Großteil wurde in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Überall in der Stadt entstanden für sie Barackenlager und Gemeinschaftsunterkünfte. Im Stadtgebiet existierten mindestens 400 Sammelunterkünfte. Auch KZ-Häftlinge sollten den stetig steigenden Arbeitskräftebedarf der Rüstungsbetriebe decken. Daher wurden ab 1944 in und um Leipzig sechs Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald errichtet."

Jährlich am 27. Januar erinnert sich Leipzig an die Außenstelle des KZ Buchenwald in Leipzig in Abtnaundorf. Inwiefern aber ist bekannt wo sie die Monate und Jahre ihrer Zwangsarbeit leben mussten und wo die anderen KZ-Außenlager und Betriebe waren, in denen sie u.a. Rüstungsteile herstellen mussten? Wir sehen es als unsere Aufgabe, dieses Unrecht im allgemeinen Bewusstsein zu verankern und erwarten deswegen das angekündigte Erinnerungskonzept der Stadt Leipzig.

Wir fragen an:

  1. In welcher Form und welche Experten (Wissenschaft/ Bürger*innenschaft/ Gedenkinitiativen/ Pädagog*innen etc.) sollen bzw. werden bei der Konzepterstellung beteiligt?
  2. Wie wird die Konzepterarbeitung mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten abgestimmt und welche Aspekte soll das Konzept in diesem Zusammenhang berücksichtigen?
  3. Inwiefern ist geplant, ein Erinnerungs- und Bildungskonzept spezifisch für die nächsten Generationen bereitzustellen, und auf welche Zielgruppe(n) wird sich das Konzept unter Einbezug welcher gedenkstättenpädagogischen Methoden und Maßnahmen ausrichten?
  4. Wann wird die Stadtverwaltung das Erinnerungskonzept dem Stadtrat vorlegen?

Antwort der Verwaltung:

Zu Frage 1)

Der Stadtrat hat mit Bestätigung des Maßnahmeplans zum Kulturentwicklungsplan 2016 - 2020 das Dezernat Kultur beauftragt, zum Thema Erinnerungskultur ein Konzept vorzulegen.

Das Konzept soll sich zunächst auf alle Bereiche der Stadtverwaltung beziehen (Haus- und Gedenktafeln, Straßen- und Platzbenennungen, Denkmale, Jubiläen usw.).

Das Kulturamt hat im ersten Schritt alle Dezernate und Fachämter angeschrieben, um eine Bestandsaufnahme der bestehenden Projekte, Aufgaben und Tätigkeitsfelder der Stadtverwaltung zu ermitteln.

Die Abstimmung über zentrale zukünftige Handlungsfelder, Schwerpunkte und Ziele der Leipziger Erinnerungskultur wird in einem zweiten Schritt, durch einen zu noch etablierenden Arbeitskreis mit den Akteuren im Bereich Gedenken und Erinnern erarbeitet werden.

Erinnerungskultur bezeichnet alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse. In Leipzig gibt es ein breites Spektrum von Institutionen, Vereinen und Initiativen, die unterschiedliche lokalgeschichtliche Aspekte mit eigenen Veranstaltungsformaten abdecken. Museen, Archive, Gedenkstätten, Fachbibliotheken, Stiftungen und Begegnungsstätten zu historischen Themen, insbesondere zur nationalsozialistischen Vergangenheit und der SED-Diktatur in der DDR. Diese Vielfalt erinnerungskultureller Akteure trägt zu einer lebendigen öffentlichen Auseinandersetzung mit historischen Themen und Fragestellungen bei.

Ziel des Konzeptes ist es, einen Handlungsrahmen für die gemeinsame Fortführung und Profilierung der Erinnerungsarbeit der Stadt Leipzig zu setzen.

Zu Frage 2)

Die Notwendigkeit eines Konzeptes zur Erinnerungskultur der Stadt Leipzig ergibt sich aus der Gegenwärtigkeit der Vergangenheit. Es soll auch den Anspruch erheben, gegenwärtige Entwicklungen wie zum Beispiel einem erstarkenden Neofaschismus und zukünftige gesellschaftliche Veränderungen zu berücksichtigen. Angesicht aktueller Debatten zeigt sich eine bleibende Notwendigkeit weiter über die Geschichte zu informieren und Toleranz zu fördern und für eine demokratische Gesellschaft einzutreten.

Gleichzeitig verändert sich das Erinnern, wenn Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch darauf muss das Konzept reagieren und neue Formen der Erinnerung entwickeln. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ist ein Akteur in diesem Prozess.

Erinnerungskultur in Leipzig zeigt sich an verschiedenen Orten, greift historische Anlässe auf, ist geprägt durch Biografien und wird sowohl in Institutionen und Initiativen als auch in zeitlich befristeten Projekten realisiert.

Zu Frage 3)

 

Das Konzept richtet sich in seiner Gesamtheit an alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig. Es stellt die Erinnerungskultur und Erinnerungsarbeit vor und formuliert eine Perspektive für die Zukunft auch unter den gerade (unter 2.) formulierten Prämissen. Ziel ist eine Modernisierung der erinnerungskulturellen Praxis, weil sich die Aneignungsformen von Geschichte mit den Generationen und dem Zeitabstand zu den Ereignissen beständig verändern.

Zu Frage 4)

Wie bereits erläutert, läuft gerade die Bestandsaufnahme. Der Arbeitskreis soll in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen. Das Konzept soll 2021 erstellt und nach der verwaltungsinternen Abstimmung dem Stadtrat vorgelegt werden.

 

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