Anfrage: Bußgeldverfahren im Zuge von Versammlungsgeschehen

Anfrage vom 3. Mai 2017

In den letzten Jahren kam es zu einer Zunahme von Bußgeldverfahren im Zuge des Versammlungsgeschehens in der Stadt. Diese wurde zum Teil medial begleitet. Soweit bekannt wurde eine Reihe von Verfahren eingestellt. Wir fragen daher an:

  1. Wie viele Bußgeldverfahren wegen Verstoß gegen das sächsische Versammlungsgesetz oder unerlaubter Ansammlungen oder ruhestörenden Lärm nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz im Zusammenhang mit Demonstrations- und Versammlungsgeschehen wurden 2015 und 2016 eingeleitet? Bitte die Zahl auflisten, den Tatbestand und das Datum auflisten und zuordnen.
  2. Wie viele dieser Bußgeldverfahren wurden im Ergebnis bezahlt, durch Vollstreckung beendet, durch Rücknahme erledigt oder durch Gerichte entschieden? Bitte auflisten.
  3. In welcher Höhe hat die Stadt 2015 und 2016 durch Bußgelder aufgrund der Demonstrationen und Versammlungen Einnahmen erzielt und welche Kosten für die Bußgeldverfahren stehen dem gegenüber?
  4. Am 09.02. gab es ein Versammlungsverbot für den Augustusplatz. Dennoch versammelten sich vereinzelt Anhänger von LEGIDA auf dem Platz. Wie viele Bußgeldverfahren und in welcher Höhe wurden deswegen eingeleitet und wie sind diese ausgegangen?
  5. Am 02.05.2016 wurde 145 Verfahren von Seiten der Staatsanwaltschaft an die Stadt wegen Ordnungswidrigkeiten abgegeben, so die Angaben des Innenministeriums.
    a.    Gegen wie viele Personen wurde diesbezüglich ein Bußgeld in welcher Höhe verhängt?
    (Detaillierte Angabe)
    b.    Wie viele Personen haben dieses Bußgeld bezahlt?
    c.    Wie viele Personen sind gegen das Bußgeld in Einspruch gegangen?

 

Antwort der Stadtverwaltung:

Zu 1.)

Datum Tatort Tatbestand Anzahl Ordnungswidrig-keitenanzeigen Anzahl rechtskräftiger Bußgeldbescheide Anzahl Abgaben zur gerichtlichen Entscheidung
12.01.2015 Am Mückenschlösschen § 113 OWiG (unerlaubte Ansammlung) 64 36 28
09.02.2015 Augustusplatz  § 30(1) Ziff. 1 SächsVersG (Verstoß gg. vollziehbare Verbotsverfügung) 141 0 0
20.04.2015 M.-Luther-Ring/K.-Tauchnitz-Str.  § 118 OWiG (aus einer Demo heraus schwerer Eingriff in den Straßenverkehr) 5 5 0
07.09.2015 Kleiner Willy-Brandt-Platz/am LVB-Turm § 30 (1) Ziff. 3 SächsVersG (Sitzblockade – auf der Fahrbahn) 25 18 7
18.11.2015 Harkortstraße Höhe Landgericht § 113 OWiG (unerlaubte Ansammlung) 42 26 16
12.12.2015 Objekt Distillery, Semmelweisstr. 2 § 118 i. V. m. § 117 OWiG (ruhestörende Außenbeschallung – Störung Kundgebung) 1 0 1
02.05.2016* M.-Luther-Ring § 30 (1) Ziff. 4 und 6 SächsVersG (Nichtbefolgung von Auflagen; Nichtentfernen nach Ausschluss aus Versammlung) 147 46 0

*) noch in Bearbeitung (Angaben zum Stand  12.05.2017)

Zu 2.)

Siehe auch Beantwortung zur Frage 1.

Die im Ordnungsamt geführte Statistik zu Ordnungswidrigkeitenvorgängen, aus der auch Angaben zu Soll-Anordnungen aus Buß- und Verwarnungsgeldern hervorgehen, differenziert  lediglich nach Ordnungswidrigkeitenarten. Insofern bedarf eine Auskunft zu ausgewählten Tatbeständen bzw. nach einzelfallbezogenen Kriterien und Verfahrensständen einer gesonderten manuellen Aufbereitung, die für einen zurückliegenden Zeitraum mehrere Jahre und in der gewünschten Detaillierung nicht möglich ist.

Analog trifft dies auf Vollstreckungsvorgänge zu rechtskräftigen Bußgeldern zu. Hierzu ist ebenfalls – schon wegen des dortigen Bezugs auf alle offenen Forderungen zu einem Schuldner – keine verfahrensgestützte statistische Auswertung zu einzelnen Bußgeldern möglich. Eine manuelle Aufbereitung ist mit vertretbaren Mitteln nicht zu leisten.

Zu 3.)

Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erfolgt grundsätzlich nicht unter einnahmeorientierten Aspekten, was eine Entscheidung, die Verfolgung von Rechtsverstößen im Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Rechnung zu treffen, einschließt. Die gewünschte Aussage kann schon von daher nicht erfolgen. Des Weiteren wird auf die Darlegungen zur Frage 2 verwiesen.

Zu 4.)

Am 03.02.2015 hatte Herr Silvio Rösler per E-Mail zunächst für den 09.02.2015 oder den 11.02.2015 einen Aufzug unter dem Motto „LEGIDA – Gegen Missstände in diesem Land, gegen religiösen Fanatismus, radikalen Islamismus und Asylmissbrauch. Für unsere Heimat! Wir sind das Volk!“ angezeigt. Erst nach einer Umfrage auf Facebook wurde per E-Mail vom 04.02.2015 verbindlich mitgeteilt, dass die Versammlung am 09.02.2015 stattfinden sollte.

Am 06.02.2015 erreichte die Versammlungsbehörde ein Schriftsatz der Polizeidirektion Leipzig, wonach zur Begleitung der für den 09.02.2015 angezeigten Versammlungen nicht ausreichend polizeiliche Einsatzkräfte zur Verfügung standen. Nach Einschätzung der Polizeidirektion Leipzig reichten die vorhandenen Einsatzkräfte weder zur Absicherung eines Aufzugs noch zur Absicherung einer stationären Kundgebung aus.

Daraufhin wurde die Versammlung des Herrn Rösler mit Verfügung vom 07.02.2015 durch die Versammlungsbehörde verboten. Gleiches wurde für etwaige Ersatzveranstaltungen des Herrn Rösler am 09.02.2015 verfügt. Gegen diesen Bescheid wurde weder Widerspruch eingelegt noch ein gerichtliches Eilverfahren angestrebt. Eine Fortsetzungsfeststellungklage wurde nicht erhoben.

Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 09.02.2015 wurde durch die Versammlungsbehörde 18:45 Uhr am Augustusplatz festgestellt, dass sich auf der Opernseite 50 bis 70 Personen, die dem Spektrum von LEGIDA zuzuordnen waren, sammelten. Ein sich formierender Aufzug der Gruppe in Richtung Mittelfahrbahn wurde durch die Polizei unterbunden. Gegen 19:00 Uhr erfolgte mittels Lautsprecherkraftwagen der Polizei der Hinweis, dass die ursprünglich angezeigte Versammlung „LEGIDA“ verboten sei und die vor Ort befindliche faktische Ersatzversammlung aufgelöst wird. Die Gruppe wurde zum Abgang in Richtung Goethestraße aufgefordert. Mit Beginn der zweiten Durchsage formierte die Gruppe einen geschlossenen Aufzug in Richtung Goethestraße. Es erfolgte durch die Polizei die Feststellung der Identitäten der Teilnehmer der Versammlung und gegen 141 Personen die Aufnahme von Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen des Verstoßes gg. § 30 (1) Ziff. 1 SächsVersG.

Erst am 13.05.2015 gelangten diese Anzeigen in den Posteingang der Zentralen Bußgeldbehörde.

Am 22.05.2015 erreichte die Versammlungsbehörde ein Schreiben der Landesdirektion Sachsen. Demnach hatte die Landesdirektion Sachsen die beim Sächsischen Staatsministerium des Innern eingegangenen Beschwerden zum Anlass genommen, die Verbotsverfügung hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Im Ergebnis gab die Landesdirektion aus ihrer Sicht fach- und rechtsaufsichtliche Hinweise. So sei der polizeiliche Notstand nicht ausreichend dargelegt gewesen; ferner habe es an einer Begründung des Verbots der Ersatzversammlung gemangelt; insgesamt erscheine das Versammlungsverbot unverhältnismäßig. Zusammenfassend wurden erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung geäußert und durch die Rechts- und Fachaufsichtsbehörde darauf verwiesen, dass eine Ahndung etwaiger Ordnungswidrigkeiten nur zulässig sei, wenn die dem Verstoß zugrundeliegende Verbotsverfügung rechtmäßig ist. Angesichts dessen wurde erwartet, anhängige Ordnungswidrigkeitsverfahren einzustellen sowie geplante Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht einzuleiten.

Zu 5a)
Aufgrund der noch laufenden Verfahren erfolgte hierzu manuell eine Einzelauswertung zum Stand 12.05.2017:
Es wurden 142 Bußgeldbescheide erlassen.
In 138 Fällen wurde eine Geldbuße in Höhe von 300 EUR verhängt
In 4 Fällen wurde wegen einschlägiger Vorahndung eine Geldbuße in Höhe von 400 EUR festgesetzt.
In 24 Fällen wurde im Rahmen der Abhilfe nach Einspruch in Anbetracht der dort geltend gemachten wirtschaftlichen Verhältnisse die Geldbuße auf 200 bzw. 300 EUR gemindert.

Die Bußgeldhöhe für die tateinheitlich begangenen Verstöße gegen § 30 (1) Ziff. 4 und 6 des SächsVersG wurde jeweils der Bedeutung der vorgeworfenen ordnungswidrigen Handlungen entsprechend unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen bemessen.  


Zu 5b)
46 Bußgeldbescheide sind rechtskräftig.

Es haben:

  • 29 Betroffene das Bußgeld bezahlt.
  • 3 Betroffene Ersatzmaßnahmen (Arbeitsleistungen) gem. § 98 OWiG beantragt.
  • 8 Betroffene antragsgemäß Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung) gewährt bekommen.

 
Zu 5c)
Es liegen aktuell von 72 Betroffenen Einsprüche vor. Vier Betroffene haben ihren Einspruch wieder zurückgenommen. Derzeit erfolgt innerhalb der Stadtverwaltung die weitere rechtliche Prüfung zu den Einsprüchen.

 

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