Anfrage: Dürfen in Leipzig Bäume umziehen?

Anfrage vom 30. Januar 2019 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 13. Februar 2019

Eingewachsene, gesunde Bäume müssen weichen, wenn sie dort stehen, wo gebaut werden soll. Bedeutet das in jedem Fall, dass sie gefällt werden (müssen)?
Der Wert großer Bäume für Luft und Klima ist inzwischen unstrittig.
Dennoch müssen Baumfällungen wegen der misslichen Rechtslage in Sachsen genehmigt werden, werden im privaten Grundstück einfach ersatzlos vollzogen, werden ggf. Nachpflanzungen beauflagt oder bei großflächigen Versiegelungen Ausgleichsflächen mit jungen Bäumen nachgepflanzt. Selbst Bäume im Auwald wurden abgesägt mit der Begründung, dass die Baumart nicht auwaldtypisch sein, wie z. B. Ahorn.
Wenn private und wenn kommunale Bauvorhaben auf Brachen geplant werden, geht das erfahrungsgemäß mit dem Verlust von Bäumen und anderem wertvollen Grün einher. Als Ersatz hat die Stadtverwaltung dem Bauherren einige Neupflanzungen ins Aufgabenheft geschrieben. Aber auch beim Sternwartenwäldchen und an der Leopoldstraße wurden Bäume für große Bauvorhaben gefällt, wie überall sonst auch im Stadtgebiet. Am Standort Jablonowski-/Brüder-/Leplaystraße wurden für den Grundschulbau 29 Bäume gefällt und 22 gespendete Bäume wieder ausgehoben und umgepflanzt. Entscheidend für Erhalt scheint zu sein, dass diese Bäume privat gespendete Patenbäume über das Programm Baumstarke Stadt waren.
Wir fragen an:

  1. Wie viele Bäume wurden in den vergangenen 5 Jahren durch Verpflanzung erhalten?
  2. Wurde bei den Maßnahmen zum Waldumbau ein Baumerhalt durch Umpflanzungen geprüft und wie viele Bäume konnten so erhalten werden?
  3. Wie entscheidet die Stadtverwaltung, ob gesunde Bäume umgepflanzt oder gefällt werden dürfen/sollen? Ist eine Abwägung zwischen Mehrkosten und dem ökologischen Wert eines Baumes dabei inbegriffen? (z. B. durch eine diesbezügliche Verwaltungsvorschrift)
  4. Wie stellt man den ökologischen Mehrwert von Umpflanzungen dar und welche Kosten entstehen im Vergleich zu Fällungen?
  5. Werden gesunde Patenbäume aus dem Programm Baumstarke Stadt grundsätzlich verpflanzt und wird mit den Paten der neue Pflanzort kommuniziert, ggf. sogar abgestimmt?
  6. Werden Grundstückseigentümer über die Möglichkeit der Umpflanzungen von gesunden Bäumen informiert, bzw. bietet die Stadtverwaltung die Verpflanzung auf städtische Flächen an?

 

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung

Bürgermeister Rosenthal: Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte!

Zur ersten Frage. Von 22 Bäumen, die am Standort Brüder-/Leplaystraße entnommen und verpflanzt wurden, konnten bisher 21 Bäume erhalten  werden. Die Kosten der Verpflanzung betrugen circa 35.000 Euro. Im Zusammenhang mit Baumaßnahmen am Schulstandort Jungmannstraße konnten von fünf verpflanzten Bäumen nur
vier erhalten werden. Die Verpflanzung von drei jungen Gingko-Bäumen im Bereich Gohliser Straße/Springerstraße konnte erfolgreich vorgenommen werden. Zu privat initiierten bzw. durchgeführten Baumverpflanzungen liegen der Verwaltung leider keine Daten vor.

Zur zweiten Frage. Bei forstlichen Maßnahmen der Bestandsbegrünung und des Bestandsumbaus darf gemäß der rechtlichen Vorschriften des Forstvermehrungsgutgesetzes nur zertifiziertes Pflanzgut entsprechender Herkünfte verwendet werden. Umpflanzungen sind daher nicht möglich.

Zur dritten Frage. Eine Verpflanzung von Bäumen kann nur erfolgen, wenn die Bäume zum einen verpflanzungswürdig sind, wenn sie zum Zweiten verpflanzungsfähig sind und zum Dritten wenn die Verpflanzung mit einem vertretbaren wirtschaftlichen  Aufwand erfolgen kann. Verpflanzungswürdig sind nur absolut gesunde Bäume, die einen atypischen Habitus aufweisen. Verpflanzungsfähig sind Bäume in der Regel nur, wenn sie im Freistand stehen, sich im Untergrund keine Leitungen befinden, der Wurzelbereich sowohl oberflächlich als auch in der Tiefe nicht auf
sonstige Weise eingeschränkt ist und der Standort den Einsatz der erforderlichen Technik zulässt. Ob der notwendige wirtschaftliche Aufwand vertretbar ist, kann nicht pauschalisiert werden, sondern hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab wie Baumgröße, Umfang des Wurzelballens, Aufwand beim Aus- und Einpflanzen, Transportentfernung, Einschränkung der Transportwege, Vorhandensein eines geeigneten neuen Standorts,
Möglichkeit der Vorbereitung der Verpflanzung. Belastbare Angaben zum ökologischen Wert von Bäumen existieren nicht. Es ist daher in der Regel nur eine Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen Aufwand der Verpflanzung und den Kosten bei Neupflanzung möglich. Die Kosten einer Verpflanzung eines älteren Baums, bei dem der Wurzelballen
unterfahren und gesichert werden muss, können durchaus im Bereich von 50.000 Euro liegen. Eine Verpflanzung ist in vielen Fällen nur sinnvoll bei jüngeren Bäumen, sorgfältiger Vorbereitung und gesichertem Neustandort sowie kurzen Transportwegen. Nur bei idealen Bedingungen halten sich die Verpflanzungskosten im Vergleich zu den Kosten von Neupflanzungen in etwa die Waage. Sofern die Bedingungen für die Verpflanzung nicht günstig sind, ist die Umpflanzung älterer Bäume mit einem hohen Risiko behaftet. Der Anwachserfolg sinkt ebenfalls stark, wenn der Neustandort nicht gut vorbereitet und/oder die Nachsorge nicht ausreichend gewährleistet ist. Der Dynamik der aktuellen Baumschäden geschuldet ist, dass die für erfolgreiche Großbaumverpflanzungen notwendigen Vorlaufzeiten üblicherweise nicht gegeben sind. Entscheidungen zu Baumumpflanzungen können daher nur in Ausnahmefällen getroffen werden. Eine Verwaltungs Vorschrift existiert nicht. Eine fachliche Grundlage existiert mit zusätzlichen technischen Vertragsbestimmungen für Großbaumverpflanzungen, kurz: ZTV-Großbaumverpflanzung.

Zur vierten Frage. Aussagefähige Studien und Langzeituntersuchungen zum ökologischen Mehrwert von  Umpflanzungen sind nicht bekannt. Die Abwägung zwischen Umpflanzung und Neupflanzung kann immer nur auf den jeweiligen Einzelfall abstellen. Meist kann nur der Vergleich des jeweiligen wirtschaftlichen Aufwandes zugrunde
gelegt werden.

Zur fünften Frage. Auch bei Verpflanzung von Patenbäumen erfolgt eine Einzelfallabwägung. Muss ein Patenbaum aufgrund eines Bauvorhabens weichen, wird dies dem Baumpaten kommuniziert und in Absprache ein anderer geeigneter Baum gefunden und als Patenbaum gewidmet. Diese Praxis hat sich in allen bisherigen Fällen bewährt.
Oft wird durch die Baumpaten mehr Wert auf einen Standort mit persönlichem Bezug als auf den Erhalt des jeweiligen Baumes gelegt.

Zur sechsten Frage. Grundstückseigentümer und Bauherren werden auf die Möglichkeit von Baumverpflanzungen
hingewiesen, wobei jedoch stets die in Antwort 3 angesprochenen Aspekte Berücksichtigung finden müssen. In der Regel sprechen wirtschaftliche Gründe dagegen. Pflanzstandorte im öffentlichen Raum können in der Regel nicht
angeboten werden, da in öffentlichen Grünanlagen und an Straßen entsprechend den Standards der Stadt Leipzig nur Pflanzware bestimmter Qualität aus anerkannten Markenbaumschulen zum Einsatz kommen darf.

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