Anfrage: "Dritter Hitzesommer und noch immer kein Maßnahmenplan"

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 16. September 2020

Die Ratsversammlung beauftragte am 26. Juni 2019 mit dem Beschluss des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „10-Punkte-Programm gegen Hitze im Stadtgebiet“ die Erarbeitung einer Maßnahmenvorplanung. Demnach sollten bis zum II. Quartal 2020 nach umfassender „Bestandsaufnahme" im Stadtraum durch Stadtklimaanalyse und Masterplan Grün 2030 die nächsten Schritte abgeleitet werden. Mit konkreten Aussagen zu einem Flächenbezug und durch ämterübergreifende Erarbeitung sollte mit einer Beteiligung von öffentlichen Trägern die Maßnahmen weitgehend genau untersetzt werden.

Das Thema Schutz vor Hitze in der Großstadt Leipzig soll darin neben den Aspekten der Anpassung an den Klimawandel im Fokus stehen. Zudem soll die Maßnahmenvorplanung an aktuelle Untersuchungen gekoppelt sein und die finanziellen und personellen Ressourcen zur Umsetzung, Evaluierung und Weiterentwicklung der Maßnahmen in einem zu nennenden Zeitraum ausweisen.

Leipzig hat mittlerweile den dritten Hitze- und Dürresommer in Folge mit Temperaturen bis über 35 Grad Celsius erlebt. Ableitungen daraus, wie man das Leben in der aufgeheizten Stadt erträglicher gestalten kann und wie dieser Aufheizung entgegengewirkt werden soll, sind bislang seitens der Verwaltung nicht erkennbar.

Ein Bericht zum Stand der Umsetzung des Ratsbeschlusses ist trotz mehrfacher Fristsetzung nicht im Allris ersichtlich. Auch die beauftragte Vorplanung wurde bislang dem Stadtrat nicht vorgelegt.

So sind die damals seitens unserer Fraktion vorgeschlagenen Maßnahmen weiterhin weitestgehend unbearbeitet, obwohl hierfür Handlungsbedarf, vor allem auch im Hinblick auf die Aufstellung des nächsten Haushaltes, besteht.

Wir fragen daher an:

  1. Wie ist der Stand der Erarbeitung dieser Maßnahmenvorplanung und wann wird diese dem Stadtrat und seinen Gremien zur Beratung vorgelegt?
  2. Wo liegen die Gründe für die bisherigen Verspätungen und wie wird diesen künftig abgeholfen, um die weiteren Prozesse zu beschleunigen?
  3. Welche Maßnahmen wurden seitens der Verwaltung bereits im Zuge des 2020er Hitzesommers ergriffen, um den im Antrag und dem Ratsbeschluss beschriebenen Zielen gerecht zu werden?
    Welche über den Ratsbeschluss hinausgehenden Maßnahmen gegen Hitze im Stadtgebiet wurden seitens der Verwaltung ergriffen oder vorbereitet?

Schriftliche Antwort der Verwaltung vom 14. Oktober 2020

Antwort zu Frage 1 - 3:

Stadtklimamodellierung:

Die Stadtklimaanalyse Phase 1 ist fertiggestellt und wird demnächst veröffentlicht. Darin enthalten ist die Analyse der stadtklimatischen Tag- und der Nachtsituation sowie eine Verschneidung der Informationen zu gesamtstädtischen Planungsempfehlungen auf Blockebene.

Die 2. Phase der Stadtklimamodellierung befindet sich derzeit in der Erarbeitung. Darin werden folgende Bausteine behandelt:

  • Detailliertes Bild des Kaltluftprozesshaushaltes
  • Ausweisung eines klimatischen Sanierungsbereiches
  • Ableitung von lokal wirksamen, spezifischen Maßnahmen
  • Analyse der bereits beobachtbaren Klimaänderung in Leipzig, sowie die zukünftige Entwicklung des Klimas bis 2100 anhand von zwei Klimaszenarien.

Masterplan Grün 2030:

Der Masterplan Grün baut mit dem Thema Klimawandelanpassung auf der Stadtklimaanalyse auf. Die Verschneidung mit weiteren Daten zu Versiegelungsgrad und Grünausstattung weist Defiziträume im Kontext thermischer Belastung auf, in denen sich entsprechende Maßnahmenprogramme im Masterplan Grün ableiten lassen. Der Masterplan inklusive Maßnahmenprogramm wird Anfang 2021 in den politischen Diskussionsprozess gegeben.

Straßenbaumkonzept

Das Straßenbaumkonzept befindet sich in Umsetzung. Im Pflanzprogramm Herbst 2019/Frühjahr 2020 wurden stadtweit insgesamt über 660 Straßenbäume gepflanzt. In der im Herbst 2020 beginnenden neuen Pflanzperiode, die bis ins Frühjahr 2021 reicht, ist die Pflanzung von ca. 480 Straßenbäumen geplant, die allein im Auftrag des Amtes für Stadtgrün und Gewässer bzw. durch den Eigenbetrieb Stadtreinigung sowie die Bauhöfe realisiert werden sollen. Investive Mittel werden gemäß Stadtratsbeschluss ab 2021 i. H. v. 2,5 Mio. EUR pro Jahr im Finanzhaushalt für das Investitionsprogramm Straßenbäume geplant.

Starkregengefahrenkarte

Nicht nur Hitze auch Starkregen ist im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu betrachten. Hier wurde im Juli 2020 die Starkregengefahrenkarte, als ein Ergebnis aus dem Projekt KAWI-L – Kommunale Anpassungsstrategien für wassersensible Infrastrukturen in Leipzig heraus, veröffentlicht. Nun können kommunale und private Bauvorhaben gezielt dieses immer aktueller werdende Thema besser überblicken und einbeziehen. Dies hat Auswirkungen auf die Planung der Versickerungsanlagen, Regenwasserrückhalt im Plangebiet, Rigolenbau oder die Möglichkeit offene Wasserflächen anzulegen (Wasserspiele, Mulden etc.). Der Rückhalt von Wasser am Ort des Niederschlages trägt einerseits zur Verdunstungskühlung bzw. der Verbesserung des Mikroklimas bei und ist andererseits ein Beitrag zur Grundwasserneubildung.

Ämterübergreifende Austausch

Insbesondere im Rahmen der Beteiligung der Ämter an Entwurfs-, Planungs- und Bauvorhaben werden die Belange des Klimaschutzes aber auch der Klimawandelanpassung regelmäßig eingebracht und sind als Tagesgeschäft zu verstehen. Bauherren (kommunale und private) werden hier frühzeitig beraten und über notwendige Klimawandelanpassungen und entsprechende Mehrwerte für die Qualität der neuen Quartiere/Vorhaben informiert und sensibilisiert (Doppelte Innenentwicklung, Flächenversiegelung minimieren, multifunktionale Nutzungen, Albedo verringern ...). Alle Bauvorhaben werden nach Grünpotentialen und Beschattungsmöglichkeiten begutachtet. Gleichzeitig erfolgt permanent der ämterübergreifende Austausch zu diesen Themen, um hier in allen Arbeitsbereichen das Bewusstsein zu stärken.

Antwort zu Frage 4:

Die Gründach-Förderrichtlinie soll noch in diesem Jahr die Möglichkeit Geld für den Bau eines Gründaches abzurufen. Die Förderrichtlinie hat das Ziel, die Herstellung von Gründächern auf bestehenden Gebäuden oder Neubauten anzuregen.

Das Umweltinformationszentrum berät. Eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit befindet sich in Vorbereitung. Leipziger, die derzeit eine Dachbegrünung planen, können auch vom Amt für Umweltschutz geeignete Samenmischungen erhalten.

Die kostenlose "Leipziger Gründachmischung" besteht aus Kräutern, Gräsern und Steingartengewächsen, ist ab einer Substratstärke von acht Zentimeter einsetzbar und je Samentüte für Kleindächer bis 15 Quadratmeter Dachfläche ausreichend.

Weitere Projekte in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Leipzig

  • Umsetzung eines Modellgründachs auf einer kommunalen Kita zur Untersuchung des Potentials der Regenrückhaltung.
    Das Ziel ist es genaue Aussagen zur Wirksamkeit und Menge der Wasserrückhaltung auf dem Dach zu erlangen sowie nähere Kenntnisse zu klimatologischen Effekten zu erhalten (AGM, L-Gruppe, UFZ, AfU).

  • Leipzig Blau-Grün: BP 416 Eutritzscher Freiladebahnhof: BMBF-Förderprogramm - Es wird die Frage untersucht „Wie kann ein naturbasiertes klimawandelangepasstes Regenwassermanagement, einschließlich Überflutungsvorsorge bei Starkregenereignissen, in einem neuen Stadtquartier umgesetzt werden und welche Maßnahmen lassen sich ggf. auch in Bestandsquartieren anwenden?“ (UFZ, AfU, ASG, SPA).

    Ein Forschungsgegenstand sind hierbei Baumrigolen:
    Im Zuge der Straßensanierung sollen erstmals am Standort Kasseler Straße Baumrigolen umgesetzt und wissenschaftlich begleitet werden. Drei Baumstandorte werden hierzu mit unterirdischen Regenrückhaltesystemen ausgebildet (Kopplung von Speicher- und Versickerungsrigolen) (UFZ, L-Gruppe, VTA, ASG, SPA, AfU).
  • Bewässerung der Stadtbäume: Seit 2018 werden bedingt durch die extreme Trockenheit junge Bäume bis zum 10. Standjahr zusätzlich bewässert. Auch in diesem Jahr werden seit Mai alle 8.337 Bäume, die in den letzten zehn Jahren an Straßen und in öffentlichen Grünanlagen gepflanzt wurden, zusätzlich gegossen - auch mit Unterstützung durch externe Firmen. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer ist mit der Erarbeitung eines Bewässerungskonzeptes für das Leipziger Stadtgrün beauftragt.
  • Pflanzenauswahl: Nach drei Jahren Hitze und Trockenheit, nach drastisch wirkenden Krankheiten (z.B. Pseudomonas, Eschentriebsterben, Rußrindenkrankheit) sind europaweit immense Baumabgänge zu kompensieren. Die Stadt orientiert sich bei Pflanzenauswahl an Empfehlungen für klimatolerante Gehölze, also kälte-, trockenheitstolerante und strahlungsverträgliche Gehölze und setzt auf Sorten und Arten aus der Empfehlungsliste des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK).

    Neben den Erkenntnissen zu einheimischen Gehölzen (z.B. Linden, Ahorn, Eschen) oder bereits langjährig verwendeten fremdländischen Gehölzen (z.B. Robinien, Kastanien, Platanen), führt die GALK ständig Straßenbaumtests mit neuen Sorten und Arten durch. Die Erkenntnisse der Straßenbaumtests werden über lange Zeiträume gesammelt. Die Stadt Leipzig beteiligt sich auch an Testpflanzungen in Zusammenarbeit mit der GALK. So in der Lützner Straße, wo unter anderem die gegen das Eschentriebsterben tolerante Grünesche getestet wird.

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