Anfrage: Einrichtung des Willkommenszentrums für Geflüchtete und Migranten und Migrantinnen im Bürgeramt Otto-Schill-Straße

Anfrage vom 26.11.2017 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 15. November 2017

Im November 2015 beschloss der Stadtrat nach gründlicher Beratung die Einrichtung eines Willkommenzentrums mit Zieltermin Mitte 2016 (VI-A-01381). Die Initiative war im September 2015 in die Diskussion der Gremien gegeben worden. Den Unterstützer*innen und Beteiligten war es sehr wichtig, dass für die ankommenden Geflüchteten die Unterstützungsstrukturen bald, also innerhalb eines halben Jahres ausgebaut würden. Im Februar 2017 legte die Verwaltung eine Vorlage mit einem Umsetzungsvorschlag zur Information vor.

Seitens der Stadtverwaltung wurden viele Probleme im Zusammenhang mit Geflüchteten inzwischen weitgehend bewältigt, daran hegen wir keinen Zweifel und anerkennen dies ausdrücklich. Das Willkommenszentrum soll ein zusätzliches Angebot werden, welches unbedingt entlastend wirkend wäre und Unterstützungen koordinieren würde. Deswegen drängt die Zeit und wir verstehen nicht, wieso die Umsetzung so verzögert kommt. Falls dies alles so sein sollte wie wir meinen, kritisieren wir ausdrücklich den lässigen Umgang der Verwaltung mit politischen Beschlüssen und Willenbekundungen, die für die Herausforderungen der Stadtgesellschaft und deren Bearbeitung wichtig sind.

Da wir annehmen müssen, dass wir keine Informationen zum Arbeitsstand bekommen haben, weil es keinen nennenswerten Sachstand gibt, fragen wir im Interesse einer umgehenden Umsetzung des Beschlusses nach:

  1. Wie ist der aktuelle konkrete Arbeitsstand zum Willkommenszentrum in Leipzig zu beschreiben? Welche Initiativen wurden zur Konzepterarbeitung bereits mit eingebunden?
  2. Welche offenen Fragen sind noch klärungsbedürftig und mit welchen nächsten Arbeitsschritten wird der Stadtratsbeschluss zur Umsetzung gebracht?
  3. Was sind die Begründungen für die zeitliche Verschiebung der Eröffnung, die unserer Kenntnis nach mit der Eröffnung des Bürgeramtes in der Otto-Schill-Straße vorgesehen war?
  4. Mit welchem Zeitplan ist die Beschlussumsetzung untersetzt? Wurde die vorgesehene (halbe) Personalstelle inzwischen ausgeschrieben?

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 15. November 2017:

Bürgermeister Hörning: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Sachverhalt „Einrichtung des Willkommenszentrums für Geflüchtete und Migranten und Migrantinnen im Bürgeramt Otto-Schill-Straße“, in der nach dem Arbeitsstand gefragt wurde.

Frage 1: Wie ist der aktuelle konkrete Arbeits-stand zum Willkommenszentrum in Leipzig zu beschreiben? Welche Initiativen wurden zur Konzepterarbeitung bereits mit eingebunden? - Sie haben im Februar 2017 die von uns vorgelegte In-formationsvorlage beschlossen. Im Februar 2017 startete das federführende Referat für Migration und Integration die technischorganisatorischen und inhaltlichen Vorbereitungen zur Inbetriebnahme des Willkommenszentrums, die sich an der oben genannten Vorlage aus dem Februar 2017 orientierten. Diese beinhalten einerseits die erforderlichen Aktivitäten zur Möblierung und technischen Ausstattung der vorgesehenen Räume im Erdgeschoss des Gebäudes Otto-Schill-Straße 2 und andererseits die Gewinnung und Bindung von Kooperationspartnern für die in-haltliche Ausgestaltung des Vorhabens.
Wir konnten bereits vor der Sommerpause dieses Jahres drei von der Bundesregierung geförderte Migrationsdienste, nämlich den erband binationaler Familien und Partnerschaften, Mosaik e. V. und den Internationalen Bund, sowie die Organisation ARBEIT und LEBEN Sachsen für eine wöchentliche Präsenz im Willkommenszentrum gewinnen. In Ergänzung werden natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bürgeramt Mitte sowie aus dem Referat für Migration und Integration, welches sich durch einen Umzug bereits im gleichen Gebäude befindet, im Willkommenszentrum Dienstleistungen und Präsenz anbieten können.
Gleichzeitig erleben wir ein hohes Interesse an einer 14-tägigen oder auch monatlichen Präsenz von migrationsrelevanten Dienstleistungen und Informationen, beispielsweise des Amts für Ju-gend, Familie und Bildung, der Bildungsberatung der Agentur für Arbeit, des Jobcenters, der IHK und der Verbraucherzentrale Sachsen.
Der Migrantenbeirat der Stadt war bereits bei der Vorlage eng eingebunden und wird auch weiterhin über die Fortschritte der Arbeit informiert.
Lassen Sie mich eine grundlegende Bemerkung zur Einrichtung eines Willkommenszentrums machen in einer Zeit, in der Menschen, die zu uns gekommen sind, sei es als Geflüchtete oder als Arbeitsmigranten aus der EU, jetzt zunehmend in den Regelsystemen unserer Gesellschaft - sprich: in der Bildung, in der Beschäftigungsförderung, im Jobcenter oder an anderer Stelle - vorstellig werden, dort ihre Bedarfe artikulieren und ihre Rechte auf Leistung und Betreuung einfordern. Diese Bedarfe werden in erster Linie an Stellen wie Schule oder Jobcenter befriedigt und weniger in einem zentralen Willkommenszentrum, das von Natur aus nur beratend tätig sein kann und nicht - ich verweise auf den deutschen Datenschutz - übergreifend, fallbezogen, nachverfolgend mit den Klientinnen und Klienten arbeiten kann. Nichtsdestotrotz werden wir die Arbeit im Willkommenszentrum bald aufnehmen.
Frage 2: Welche offenen Fragen sind noch klärungsbedürftig und mit welchen nächsten Arbeits-schritten wird der Stadtratsbeschluss zur Umsetzung gebracht? - Es ist nichts klärungsbedürftig. Wir möchten Sie allerdings auf Folgendes hinweisen: Die Eröffnung des Gebäudeteils Otto-Schill-Straße, in dem das Willkommenszentrum sinnvollerweise untergebracht ist, nämlich an einem zentralen Ort der Stadt, wo Bürgerinnen und Bürger, Bewohnerinnen und Bewohner Verwaltungsdienstleistungen nachfragen und der auch als zentraler Ort angenommen ist, war nicht möglich, weil Sie als Stadtrat erst im September dem Mietvertrag, der diesen Gebäudeteil betrifft, final zugestimmt haben. Dieser Gebäudeteil war zu diesem Zeitpunkt formal noch nicht angemietet. Wir konnten natürlich nicht ein Willkommenszentrum eröffnen, ehe Sie den entsprechenden Beschluss dazu gefasst haben.
Inzwischen haben weitere Bauarbeiten stattgefunden. Diese sind jetzt abgeschlossen. Wir können jetzt auch mit den Kooperationspartnern ein entsprechendes Nutzungsmodell aufrufen, mit dem wir die Computertechnik und andere Dinge netzwerkgerecht und differenziert auch im Willkommenszentrum nutzen können. Für die weitere
Umsetzung sind, wie erwähnt, viele Kooperationspartner gewonnen worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats Migration und Integration befinden sich nach ihrem Umzug zu Beginn dieses Jahres dort im Gebäude und können über kurze Wege im Willkommenszentrum tätig werden oder die Beratung auch in den Büroräumen des Referats vornehmen. Wir werden demnächst auch einige Stellen über ein Landesprogramm im Rahmen der Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ des SMS/SMBL besetzen und dort temporär verstärkend auch extern finanzierte Stellen einsetzen, um die Aufgaben, die im Willkommenszentrum anfallen und auch in Abstimmung mit den großen Regelsystemen Bildung, Arbeit und Wohnen zu tätigen sind, zu erfüllen. Wir schauen der baldigen Eröffnung mit Freude und Interesse entgegen.

Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Bürgermeister, ich finde es in keiner Weise sachlich gerechtfertigt, dass Sie den Beschluss, den wir hier im Stadtrat gefasst haben, grundsätzlich anzweifeln. Wir haben damals ausführlich beraten, was dieses Willkommenszentrum leisten soll. Sie stellen jetzt infrage, ob man es überhaupt noch braucht. Das ist nicht Ihr Auftrag. Ihr Auftrag ist, vom Stadtrat so beschlossen, ein Willkommenszentrum zu eröffnen. Das ist eine Einrichtung, die den migrationsspezifischen Angelegenheiten Rechnung tragen, aber nicht in Konkurrenz zu den Dingen stehen soll, die im Regelsystem - Beratung, Praxis, Schule, Arbeitsamt etc. - ausgeführt werden. Es geht um die Dinge, die für Migrantinnen und Migranten zusätzlich erforderlich sind. - Das ist das eine. Sie mögen vielleicht denken: Warum machen die hier so ein Fass auf? Darauf möchte ich jetzt nicht weiter eingehen. Ich möchte, dass Sie die eigentliche Anfrage beantworten: Wann wird das Willkommenszentrum, das wir 2015 beschlossen haben, eröffnet? Bitte nennen Sie ein Datum dafür. - Danke.

Bürgermeister Hörning: Frau Krefft, wir werden das Willkommenszentrum im ersten Quartal 2018 eröffnen. Ich hatte Ihnen die Verzögerungsgründe genannt. Wir konnten kein Willkommenszentrum in einem Gebäudeteil eröffnen, für den ein von Ihnen bestätigter Mietvertrag noch nicht vorlag.
Natürlich setzen wir Ihre Aufträge um. Aber, Frau Krefft: Aufträge aus dem Stadtrat verbieten mir nicht das fachliche Denken über die Fachaufgabe Willkommenszentrum. Von daher gestehen Sie mir die Bemerkung zu, dass zum Beispiel das Jobcenter ein eigenes Willkommenszentrum am Standort Georg-Schumann-Straße aufbaut, das die über 9.000 Kunden, die einen Flucht- und Migrationshintergrund haben und vom Jobcenter betreut werden, in angemessener fachlicher Weise willkommen heißen und darin unterstützen wird, die ihnen zustehenden Rechte, von Arbeitsmarkt-förderung bis Hilfe zum Lebensunterhalt, wahrzunehmen.

Natürlich wird unser Willkommenszentrum am Bürgeramt auf diese Angebote verweisen. Aber ich kann als Verwaltungsdezernent Ihnen hier nicht eine Beschlusslage von 2015 pflichtgemäß wiederkäuen, ohne Sie darauf hinzuweisen, dass es bestimmte Entwicklungen in unserem hoch ausdifferenzierten Sozialstaat gibt, nämlich dass die Leistungen für die Menschen, die zu uns gekommen sind, seien es EU-Arbeitsmigranten oder Geflüchtete, inzwischen von anderen Institutionen erbracht werden. Das kann ich Ihnen nicht verschweigen. Es gehört zu meiner Aufgabe, Ihnen das hier auch darzustellen. Natürlich werden wir das Willkommenszentrum eröffnen. Das Willkommenszentrum steht klar im Arbeitsprogramm meines Dezernats und des zuständigen Fachreferats. Wir haben durch mehrfache Gespräche Partner für die Präsenz im Will-kommenszentrum gewinnen können. Aber ich brauche kein Potemkinsches Dorf, das wir sozusagen nur nach Beschlusslage betreiben, sondern es muss sich jeweils an den Bedarfen der geflüchteten Menschen ausrichten. Danach richtet sich unsere Arbeit.

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