Anfrage: Energiearmut und Energieberatung

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 15. September 2021

Von Energiearmut ist die Rede, wenn Rechnungen für Strom und Heizen kaum oder nicht mehr bezahlt werden können. Heizkosten werden im Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zweites Sozialgesetzbuch, SGB II) vom Jobcenter übernommen, Stromkosten müssen hingegen über den Regelsatz bezahlt werden. Wenn Warmwasser dezentral z.B. per Durchlauferhitzer aufbereitet werden muss, sind diese Kosten nicht durch die Kosten der Unterkunft gedeckt. Es kann ein Mehrbedarf beantragt werden, der sich pauschal an der Höhe des Regelsatzes orientiert - jedoch häufig die realen Warmwasseraufbereitungskosten nicht deckt, was zu finanziellen Engpässen in betroffenen Haushalten führen kann. Für Leistungsbeziehende nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt eine analoge Regelung.


Ein wichtiger und oft zu wenig beachteter Aspekt der Energie- und Wärmewende ist die Einsparung von Energie. Kompetente und individuelle Beratung kann gezielt Einsparpotenziale aufdecken, welche sowohl Energiekosten als auch CO2-Emissionen senken. In Leipzig gibt es u.a. Beratungsangebote der Verbaucherzentrale Sachsen in Kooperation mit dem Umweltinformationszentrum; für Kund*innen der Stadtwerke Leipzig gibt es ein Energieberatungsangebot sowie ein umwelt plus-Programm.

Wir fragen deshalb an:

1) Wie viele Leipziger Haushalte sind in den Jahren 2018, 2019 und 2020 von Strom- oder Gassperrungen wegen Zahlungsverzug betroffen gewesen? Wie viel Prozent der von Sperrungen betroffenen Haushalte beziehen Leistungen nach dem SGB II/SGB XII? Wie vielen Haushalten wurde im selben Zeitraum die Strom- oder Gassperrung angedroht?
2) Wie lange dauern Strom-/Gassperrungen durchschnittlich an?
3) Mit welchen Kosten müssen Betroffene von Strom-/Gassperrungen rechnen? Welcher organisatorische und finanzielle Aufwand entsteht den Versorgern bei Sperrungen?
4) Wie viele Leistungsbeziehende nach SGB II/SGB XII nutzen Durchlauferhitzer, Boiler o.ä. zur Warmwasserbereitung?
5) In welchem Umfang haben Kund*innen der Stadtwerke Leipzig 2018, 2019 und 2020 Gebrauch von den Fördermöglichkeiten im umwelt plus-Programm gemacht? Bitte tabellarisch auflisten. Wie könnten die vorhandenen Fördermöglichkeiten bzw. deren Nutzung ausgebaut werden?
6) Inwieweit unterstützt die Stadt Leipzig die Bürger*innen angesichts steigender Energiekosten bei der Einsparung von Energie?
7) Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Sozialamt mit der Verbraucherzentrale Sachsen bzw. anderen Trägern, die Energieberatungen in Leipzig anbieten?
8) Welche Unterstützung gibt es für einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte?

Antwort vom 15. September 2021

1) Wie viele Leipziger Haushalte sind in den Jahren 2018, 2019 und 2020 von Strom- oder Gassperrungen wegen Zahlungsverzug betroffen gewesen? Wie viel Prozent der von Sperrungen betroffenen Haushalte beziehen Leistungen nach dem SGB II/SGB XII? Wie vielen Haushalten wurde im selben Zeitraum die Strom- oder Gassperrung angedroht?

Detaillierte Angaben zu Strom- oder Gassperrungen liegen nur für Kundinnen und Kunden der Leipziger Stadtwerke vor. Demnach wurde 2018 bei 4.537, 2019 bei 4.160 und 2020 bei 2.459 zahlungssäumigen Haushalten eine Sperrung durch den Netzbetreiber Netz Leipzig beauftragt. Von Ende März 2020 bis zum 30.06.2020 erfolgten aufgrund des pandemiebedingten gesetzlichen Moratoriums keine Liefereinstellungen oder Sperrandrohungen.

Darüber hinaus beauftragen weitere Energieversorger, welche Haushalte im Netzgebiet der Netz Leipzig beliefern, den Netzbetreiber Netz Leipzig mit ca. 120 bis 180 Liefereinstellungen pro Jahr.

Die Leipziger Stadtwerke erheben keine Informationen zu den Einkommensverhältnissen ihrer Kundinnen und Kunden.

Einen Anhaltspunkt bieten die vom Sozialamt gewährten Darlehen zum Ausgleich von Energieschulden. Der Anteil der Haushalte, an die solch ein Darlehen ausgereicht wurde und die Leistungen nach dem SGB II oder XII bezogen, lag im Jahr 2018 mit 330 von 4.537 Haushalten bei 7,3 Prozent, im Jahr 2019 mit 278 von 4.160 Haushalten bei 6,7 Prozent und im Jahr 2020 mit 269 von 2.459 Haushalten bei 10,9 Prozent.

Daten zu Sperrandrohungen liegen nur für Kunden der Stadtwerke Leipzig vor. Im Jahr 2018 gab es 19.076, im Jahr 2019 14.954 und im Jahr 2020 8.660 Sperrandrohungen. Die niedrigere Anzahl im Jahr 2020 ist auf das pandemiebedingte gesetzliche Moratorium zurückzuführen.

2) Wie lange dauern Strom-/Gassperrungen durchschnittlich an?

Laut Informationen der Stadtwerke Leipzig ist die Bandbreite bezüglich der Länge der Strom- oder Gassperrungen groß. Bei der großen Mehrheit aller Haushalte erstreckt sich die Liefereinstellung nur über wenige Stunden oder Tage.

3) Mit welchen Kosten müssen Betroffene von Strom-/Gassperrungen rechnen? Welcher organisatorische und finanzielle Aufwand entsteht den Versorgern bei Sperrungen?

Der jeweilige Energielieferant beauftragt den Netzbetreiber Netz Leipzig mit der Sperrung. Die Kosten sind auf der Internetseite der Netz Leipzig GmbH (Netzentgelte 2021, Preisblatt sonstige Entgelte) veröffentlicht. Für Inkassogang, Sperrung und Wieder-Öffnung des Zählers werden derzeit insgesamt 101,54 € in Rechnung gestellt.

Nach Information der Stadtwerke werden bei einer überfälligen Forderung zahlungssäumige Haushalte durch die Leipziger Stadtwerke mehrfach kontaktiert. Die Leipziger Stadtwerke beraten und unterstützen Kundinnen und Kunden, die sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden. Es werden Ratenzahlungsvereinbarungen angeboten sowie auf die Möglichkeit der Kostenübernahme in Form eines Darlehens durch das Sozialamt hingewiesen. Die Kosten des Forderungsprozesses können nur teilweise den säumigen Vertragspartnern auferlegt werden, da durch die aktuelle Rechtsprechung die Höhe der Mahnkosten begrenzt wurde.

Eine Sperrung des Zählers wird erst beim Netzbetreiber beauftragt, wenn die vorgelagerten Kundenkontakte nicht erfolgreich waren. Für die Organisation und Durchführung des Sperrprozesses durch den Netzbetreiber bedarf es der Koordination und Schulung der entsprechend ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie des Vorhaltens notwendiger Betriebs- und Geschäftsausstattung (KFZ, Werkzeug, IT). Ein exakter finanzieller Aufwand pro Sperrung kann durch die Stadtwerke nicht beziffert werden.

4) Wie viele Leistungsbeziehende nach SGB II/SGB XII nutzen Durchlauferhitzer, Boiler o.ä. zur Warmwasserbereitung?

Den Leipziger Stadtwerken liegen keine Informationen über die Ausstattung der jeweiligen Wohnungen ihrer Kundinnen und Kunden vor.

Nach Mitteilung der LWB mbH stellt eine solche Technik (Boiler, Durchlauferhitzer) zur Versorgung mit Warmwasser in deren Wohnungsbestand die Ausnahme dar. Das hat auch die Datenerhebung zum Mietspiegel 2020 bestätigt.

5) In welchem Umfang haben Kund*innen der Stadtwerke Leipzig 2018, 2019 und 2020 Gebrauch von den Fördermöglichkeiten im umwelt plus-Programm gemacht? Bitte tabellarisch auflisten. Wie könnten die vorhandenen Fördermöglichkeiten bzw. deren Nutzung ausgebaut werden?

Der nachfolgenden Übersicht kann der finanzielle Umfang der im umwelt plus-Programm ausgereichten Förderungen entnommen werden.

 

 

2018

2019

2020

 

Euro

Anzahl

Euro

Anzahl

Euro

Anzahl

Förderung Kühlgeräte

34.900 €

698

28.050 €

561

20.460 €

409

E-Check

330 €

11

300 €

10

90 €

3

Solarförderprogramm

2.623 €

k.A.

k.A.

k.A.

2.601 €

k.A.

Umweltbonus Erdgas-Brennwerttechnik

5.965 €

66

5.040 €

56

4.590 €

51

Entsorgung Heizöltank

-

-

-

-

600 €

4

 

Das Leipziger umwelt plus-Programm steht allen Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Leipzig zur Verfügung, unabhängig von der Einkommenssituation.

Für einen Ausbau der Nutzung des Programms kann z. B. den Bürgerämtern der Stadt Leipzig Infomaterial zur Verfügung gestellt werden, so dass auch dort bereits auf die Nutzung dieser Förderung hingewiesen werden kann.

6) Inwieweit unterstützt die Stadt Leipzig die Bürger*innen angesichts steigender Energiekosten bei der Einsparung von Energie?

Die Leipziger Stadtwerke unterstützen Bürgerinnen und Bürger durch die Energieberatung im Energie- und Umweltzentrum, durch den Verleih von Messgeräten zur Ermittlung des Verbrauches von Elektrogeräten und die Förderung energiesparender Geräte.

Die Stadt Leipzig finanziert die Koordinierungsstelle für die Energieberatung (KEB) des Mosaik Leipzig e.V. aus den Mitteln des Wohnungspolitischen Konzeptes. Ziel der Koordinierungsstelle ist es, einkommensschwache Haushalte und Menschen mit Migrationshintergrund über die Beratungsangebote der Caritas (Stromsparcheck) und der Verbraucherzentrale Sachsen (Energieberatung) zu informieren bzw. zu den Beratungsstellen zu vermitteln. Dabei kommen auch Sprachmittler zum Einsatz. Das Projekt wurde im Jahr 2020 von den Stadtwerken Leipzig mit 4.000 € unterstützt.

Stromsparcheck und Energieberatung sind für Haushalte, die Leistungen nach dem SGB II oder XII beziehen, kostenfrei.

7) Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Sozialamt mit der Verbraucherzentrale Sachsen bzw. anderen Trägern, die Energieberatungen in Leipzig anbieten?

Die Verbraucherzentrale Sachsen e.V., der Caritasverband Leipzig e.V. und das Sozialamt sind gut miteinander vernetzt und steuern die Arbeit der Koordinierungsstelle für die Energieberatung (KEB) des Mosaik Leipzig e.V. Die Stadtwerke Leipzig nehmen als lokaler Grundversorger beratend an den regelmäßigen Netzwerktreffen teil. Ziel dieser Arbeitstreffen ist, eine große Inanspruchnahme der bestehenden Beratungsangebote zu erreichen, um den Energiebedarf der Haushalte zu reduzieren und damit hohe Nachforderungen zu vermeiden. In Einzelfällen nimmt das Sozialamt auch direkten Kontakt zu den Energieberatungsstellen auf, um Haushalte mit Unterstützungsbedarf dort anzubinden.

Zwischen Sozialamt und Jobcenter Leipzig findet eine enge Zusammenarbeit in den Fällen statt, bei denen eine Energiesperre droht bzw. erfolgt ist. Speziell bei angedrohter Gassperrung wird durch das Sozialamt geprüft, inwiefern durch das Jobcenter Leipzig die Kosten für eine Nachzahlung aus Gaslieferung übernommen werden können, da diese Bestandteil der Kosten der Unterkunft und Heizung darstellen.

Um zukünftige Energiesperrungen wegen fehlender Abschlagszahlungen zu verhindern, veranlasst das Sozialamt bei Haushalten, die ein Darlehen zum Ausgleich der Energieschulden erhalten haben und Leistungen nach dem SGB II oder XII beziehen, die künftige Überweisung der monatlich zu leistenden Abschlagszahlungen vom Sozialleistungsträger direkt an die Energieversorger.

Geprüft wird vor darlehensweiser Schuldenübernahme seitens des Sozialamtes auch, ob ein Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung bei dezentraler Wassererwärmung über Boiler oder Durchlauferhitzer für Haushalte, die Grundsicherung oder Sozialhilfe beziehen, beantragt werden muss.

Das Jobcenter informiert leistungsberechtigte Haushalte, wenn ein unwirtschaftlicher Energieverbrauch vermutet wird.               In diesen Fällen wird den Haushalten unter anderem empfohlen, sich an eine anbieterunabhängige Energieberatung zu werden. Über die Voraussetzungen der Inanspruchnahme einer kostenfreien Beratung bei der Verbraucherzentrale Sachsen wird ebenfalls informiert.

Erlangt das Jobcenter Kenntnis über bestehende Stromschulden informiert es den leistungsberechtigten Haushalt mittels Flyer über das Angebot des Sozialamtes zur darlehensweisen Kostenübernahme.

Zwischen dem Sozialamt und den Leipziger Stadtwerken findet seit Jahren ein regelmäßiger Austausch statt. Die Leipziger Stadtwerke beraten und unterstützen Kundinnen und Kunden, die sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden. So wird u.a. auf die Möglichkeit der darlehensweisen Kostenübernahme durch das Sozialamt hingewiesen und ggf. dorthin verwiesen.

8) Welche Unterstützung gibt es für einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte?

Einkommensschwache Haushalte können eine Abwrackprämie für ihren alten Kühlschrank/ Gefrierschrank bei Neukauf eines A+++ Gerätes erhalten. Voraussetzung ist, dass der betroffene Haushalt einen kostenfreien Stromsparscheck durchführen lässt.

Dazu können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher an den Caritasverband Leipzig e.V. wenden. Dort erhalten sie eine umfangreiche persönliche Beratung. Im Jahr 2018 wurden 197 Gutscheine für Kühlschränke im Gesamtwert von 29.550 Euro ausgegeben. Im Jahr 2019 wurden 92 Gutscheine im Gesamtwert von 9.700 Euro ausgegeben. Im Jahr 2020 wurden 62 Gutscheine im Gesamtwert von 6.200 Euro ausgegeben.

Die Zahl der ausgegebenen Gutscheine ist seit April 2019 rückläufig. Zurückzuführen ist das auf die Kürzung des Zuschusses von 150 € auf 100 €. 2020 ist aufgrund der Corona-Pandemie nicht repräsentativ. Im Rahmen der persönlichen Beratung des Stromsparchecks werden außerdem Soforthilfen zum Energie- und Wassersparen vor Ort installiert.

 

 

2018

2019

2020

Energiesparlampen

5.058

4.199

3.044

Schaltbare Steckleisten

434

292

186

Strahlregler für Wasserhahn

1.043

855

542

WC-Stoppgewichte

33

46

19

Wasserspar-Duschköpfe

522

369

304

Durchflussbegrenzer

93

79

14

Kühlschrankthermometer

449

180

17

Hygro- und Thermometer

32

54

72

Raumthermometer

519

436

224

Zeitschaltuhren, Thermostopps

0

2

2

Wärmesoforthilfen

4

10

2

 

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