Anfrage: Förderung und Umsetzung von Mieterstrom

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 21. April 2021

Auf Grundlage des von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in 2018 initiierten Ratsbeschlusses wurde die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH beauftragt, gemeinsam mit den Stadtwerken Leipzig GmbH Pilotprojekte zum Mieterstrom durchzuführen. Dem Sachstandsbericht vom März 2019 zufolge „haben Mieterstrommodelle kaum wirtschaftliche Attraktivität für Mieter, Wohnungswirtschaft und Energieversorger. Daraus ist bisher kein nachhaltiges Geschäftsmodell ableitbar und eine breite Marktdurchdringung ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht zu erwarten.“

Im Rahmen des Klimasofortmaßnahmenprogramms hat der Rat die Installation von 30 Solaranlagen auf den Dächern der LWB beschlossen. Darüber hinaus sollen Rahmen des Doppelhaushalts 2021/22 weitere Mittel bereitgestellt werden.

Im Zuge der jüngsten EEG-Novelle wurden wesentliche Verbesserungen zur Realisierung von Mieterstrommodellen beschlossen. Neben festen Mieterstromzuschlägen und einer Anhebung der Obergrenze für EEG-geförderte Mieterstromprojekte auf 750 Kilowatt kann Mieterstrom nun auch innerhalb eines Wohnquartiers an Mieter verkauft werden statt nur innerhalb eines einzelnen Gebäudes. Zudem soll einer Entschließung zum EEG2021 zufolge im Laufe des Jahres 2021 erreicht werden, dass Wohnungsgesellschaften ihre Gewerbesteuer-Privilegien nicht mehr allein dadurch riskieren, dass sie ihren Mietern Strom aus dem eigenen Quartier anbieten.

Wir fragen daher:

1. Welche Schlussfolgerungen ziehen Verwaltung und LWB aus der genannten Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Anwendung des Mieterstrommodells?
2. Welches Potential besteht der Verwaltung zufolge für Mieterstrom in Leipzig?
3. In welchem Umfang soll der beschlossene Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dächern der LWB für Mieterstrom genutzt werden?
4. Inwiefern beabsichtigen die Stadtwerke bzw. die Tochter LKE in die Realisierung von Mieterstrommodellen insbesondere im Sinne von Quartierslösungen einzusteigen?
5. Auf welche Weise unterstützt die Stadt Leipzig oder ihre kommunalen Unternehmen die Anwendung von Mieterstrommodellen bei genossenschaftlichen oder privaten Vermietern?

Der mündlichen Beantwortung in der Ratsversammlung am 21.04.2021 nachgereicht hier die schriftliche ergänzende Information:

1. Welche Schlussfolgerungen ziehen Verwaltung und LWB aus der genannten Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Anwendung des Mieterstrommodells?

Seit 2004 beschäftigt sich die LWB mit der Nutzung von regenerativen Energien zur Verbes-serung der ökologischen Nachhaltigkeit und zur Optimierung der Betriebskosten, wobei sie durch ihre Tochtergesellschaft WSL Wohnen & Service Leipzig GmbH unterstützt wird. Be-ginnend mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2004 installierte die LWB als eine der ersten Gesellschaften der Immobilienwirtschaft in Deutschland eine Solarstromanla-ge auf dem Dach eines ihrer Objekte. In den folgenden Jahren intensivierte die LWB die Geschäftsaktivitäten, so dass bis heute 54 PV-Anlagen mit einer Leistung von ca. 1,92 MWp auf den Dächern stehen und jährlich über 1.048 t CO2 eingespart werden. Der erzeugte Solar-strom wird je nach zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlagen anwendbarer Gesetzeslage eigengenutzt oder eingespeist. Die Standortauswahl, Grundzüge der Planungsleistungen, Ausschreibung der Installationsarbeiten sowie die Finanzierung organisierte die LWB in Eigen-regie. Weiterhin betreibt die LWB eine PV-Anlage auf ihrem Verwaltungsgebäude (Eigennutzung).

Die LWB hat über die Jahre eine hohe Kompetenz bei der Errichtung und Betreibung von Solarstromanlagen aufgebaut. Dazu zählen u.a. in der Planungsphase die speziellen Kenntnisse in der LWB über die verschiedene baustatische Konstruktionsvielfalt der zu DDR-Zeiten gefertigten industriellen Wohnbauten.

Insbesondere mit Blick auf den Gesellschaftszweck der LWB, welcher vorrangig eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung beinhaltet ("bezahlbares Wohnen"), untersucht die LWB Projekte unter Einbeziehung von Solarstromanlagen, um nachhaltig die Nebenkosten zu stabilisieren. Mit der Einführung des Mieterstromgesetzes in 2017 wurden große Hoffnungen auf eine sinnvolle flächendeckende Umsetzung gesetzt. Leider waren bis dato regulatorische Hürden im Mieterstromgesetz enthalten, die einen Rollout von Mieterstrommodellen in der Immobilienwirtschaft behindern.

Mit der EEG-Novelle 2021 einschließlich Mieterstromförderung wurde nach langen Diskussi-onen ein Gesetzeswerk geschaffen, welches Forderungen aus der Immobilienwirtschaft be-inhaltet, die bis dato dem Gedanken von Mieterstrommodellen entgegenstehen. So begrüßen die LWB und die Verwaltung die substanziellen Verbesserungen für Mieterstromanlagen. Neben der verbesserten Höhe des Mieterstromzuschlages gehen die Regelungen zur Anlagen-zusammenfassung und PV-Strom-Nutzung als Eigenstrom in die richtige Richtung. Als Wohnungsunternehmen verfolgt die LWB das Ziel, möglichst vor Ort den erzeugten Strom zu verbrauchen. Eine besondere Rolle wird der Klarstellung und Regelung zur Erzeugung und Vertrieb von Solarstrom zugerechnet. Das sogenannte Lieferkettenmodell begrüßen LWB und Verwaltung ausdrücklich. Hinsichtlich der Regelungen im Zusammenhang mit Quartieren werden weitere Verbesserungsmöglichkeiten gesehen. Ein Kernelement der Energiewende ist die dezentrale Energieversorgung, bei der es viele Potentiale noch zu heben gilt. Der Begriff Quartier muss klarer definiert werden. Um die Potentiale von Solarstrom gänzlich nutzen zu können, sollte es auch fördertechnisch möglich sein, unter Mitnutzung der öffentlichen Infrastrukturen Wohnquartiere in einem definierten Umfeld zu versorgen. Da es sich hierbei um Ökostrom handelt, sollte die EEG-Umlage zu Ungunsten von karbonisierten Strom entfallen. Im Sinne der sozialen Gleichstellung und der Stabilisierung von Wohnneben-kosten sind Standortvorteile mit Standortnachteilen gleichzuschalten. Technisch bzw. physikalisch verbrauchen die Mieter bereits heute schon den PV-Strom der Dachanlagen in den Wohnungen. Dezentral erzeugter Strom entlastet zudem die zukünftige öffentliche Netzbelastung, da mit hohen Anschlusswerten (E-Mobilität, Wärmepumpen etc.) zu rechnen ist.

Die neuen Mieterstromregelungen im EEG 2021 zum Lieferkettenmodell, der Ausnahme zur Anlagenzusammenfassung in Quartieren und dem festen Mieterstromzuschlag sind, wie auch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln im Rahmen des Doppelhaushaltes, werden auch von den Stadtwerken Leipzig sehr begrüßt. Eine breite Marktdurchdringung wird hierdurch nach Einschätzung der Leipziger Stadtwerke jedoch nicht ermöglicht. Die eigentliche Hürde stellen hier vielmehr die Marktkommunikationsprozesse zum jeweiligen Verteilnetzbetreiber (VNB) dar. Diese Prozesse sind vom Gesetzgeber für Mieterstrom nicht beschrie-ben/definiert, geschweige denn sind die Netzsysteme dafür ausgelegt. Dies führt dazu, dass Mieter-stromverbrauchsstellen bspw. via E-Mail beim VNB angemeldet werden müssen. Beim Mieterstrom entsteht somit manueller Aufwand beim Lieferanten sowohl als auch beim Netzbetreiber. Bei einigen Hundert Mieterstromverbrauchstellen kann man diesen Weg wohl gehen. Gehen die Verbrauchstellen in die Tausende, stoßen Lieferanten und Netzbetreiber hier an ihre Grenzen.

2. Welches Potential besteht der Verwaltung zufolge für Mieterstrom in Leipzig?

Die LWB wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vielzahl von Dachflächen der LWB-Objekte in die Klimaschutzmaßnahmen einbezogen werden. Hierzu sollen neben der Begrünung von Dachflächen auch Solarstromanlagen installiert werden.

Beim genaueren Hinschauen und letztlich einer Untersuchung im Einzelfall zeigt sich, dass viele Faktoren die Realisierungsmöglichkeiten beeinflussen. Die Solarstromanlagen verblei-ben als Energieerzeugungsanlage 20 Jahren auf dem Dach. Demzufolge kommt (neben der Hausstatik) dem baulichen Zustand des Daches eine hohe Bedeutung zu. Weiterhin bestim-men insbesondere die haustechnischen Anlagen (Elektroinstallationen) das Handeln. Beson-ders interessante Gebäude mit Flachdächern weisen derzeit noch einen Elektroinstallations-zustand nach TGL-Standard auf. Die LWB wird in den nächsten Jahren mit der weiter fort-schreitenden Umsetzung des Sanierungskonzeptes Großwohnsiedlungen eine elektrotechni-sche Ertüchtigung der Hausinstallation in diesen Wohnanlagen vornehmen. Im Ergebnis der Untersuchung verbleibt das Potential zur Errichtung von Solarstromanlagen gemäß des So-fort-Klimaschutzprogrammes 2020, Maßnahme Nr. 10.

Grundsätzlich prüft die LWB bei Neubau- und Sanierungsmaßnahmen, inwieweit für das je-weilige konkrete Objekt Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien bestehen.

Aktuell haben die Leipziger Stadtwerke ihre Aktivitäten für Mieterstrom auf ca. 200 Ver-brauchstellen fokussiert. Darunter ist aktuell ein Quartier mit ca. 120 Wohneinheiten, welches noch im Q2 2021 in Betrieb gehen soll. Anhand dieser Projekte sollen Möglichkeiten für eine weitere Standardisierung der Wechsel- und Meldeprozesse gemeinsam mit der Netz Leipzig GmbH erarbeitet werden.

3. In welchem Umfang soll der beschlossene Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dächern der LWB für Mieterstrom genutzt werden?

Die LWB untersucht derzeit die Auswirkungen der veränderten Gesetzeslage EEG 2021 auf Geschäftsmodelle und deren Umsetzung mit externer Unterstützung. Insbesondere mit Blick auf die Umsetzung der Sofort-Klimaschutzmaßnahmen der Stadt Leipzig mit dem Bau von weiteren Solarstromanlagen mit einer Leistung von je 500 kWp im Jahr 2021 und 2022 prüft die LWB aktuell umsetzbare Geschäftsmodelle als Mieterstromanlagen. Ein Ergebnis liegt derzeit noch nicht vor.

4. Inwiefern beabsichtigen die Stadtwerke bzw. die Tochter LKE in die Realisierung von Mieterstrommodellen insbesondere im Sinne von Quartierslösungen einzusteigen?

Der Geschäftszweck der Leipziger Kommunalen Energieeffizienz GmbH (LKE) liegt in der Versorgung kommunaler Verbrauchsstellen. Somit tritt die LKE bei Mieterstrom in Quartieren nicht in Erscheinung. Dennoch ist die LKE aktiv in der Belieferung städtischer Objekte mit PV-Strom, welcher direkt am Objekt erzeugt und verbraucht wird. Dies entspricht technisch gesehen dem Konstrukt Mieterstrom allerdings mit der Vereinfachung, dass eine PV-Anlage genau eine Verbrauchsstelle (bspw. eine Schule) beliefert und nicht wie beim Mieterstrom eine PV-Anlagen-Mieter in einem Objekt beliefert. Dies führt zu einem einfacheren Messkon-zept, wobei die Wechselprozesse zum VNB obsolet werden. Das genaue Potenzial für die Installation von PV-Anlagen auf städtischen Objekten wird aktuell in einer Potenzialanalyse bestimmt und anschließend die Umsetzungsplanung erstellt.

Nach aktuellem Planungsstand wird demnach in den nächsten Monaten eine Umsetzung folgender Projekte durch die LKE erwartet:

Objekt

Anschluss-leistung

gepl. Inbetriebnahme

71. Mittelschule, Lidicestraße 12, 04349 Leipzig

43,8 kWP

2021

172. Grundschule, Prießnitzstraße 19, 04179 Leipzig

30,1 kWP

2021

Grundschule Kleinzschocher, Baumannstraße 13, 04229 Leipzig

77,4 kWP

2021

Kita, Liliensteinstraße 1a, 04207 Leipzig

39,6 kWP

2021

Gymnasium, Mannheinmer Str. 128 a+b, 04209, Leipzig

39 kWP

2021

Fernwache Nordost, Gutsweg 2-4, 04092 Leipzig

k.A.

2021

Einfeldsporthalle 60. Schule , Seumestraße 93, 04249

27,3 kWP

2021

Oberschule Wiederitzsch

221 kWP

2021

Grundlage hierfür ist der Ausführungsbeschluss zum Individualvertrag ‚Stromlieferung aus PV-Anlagen in den Objekten der Stadt Leipzig durch die LKE' als Beitrag zum Klimaschutz des Verwaltungsausschusses vom 03.12.2020. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Gebäu-demanagement (AGM) erfolgt laufend eine Bewertung auf Eignung für PV-Projekte bei den kommunalen Objekten. Hierbei wird sich auf Objekte fokussiert, deren Bauzeit bzw. Sanie-rung in den letzten ca. 10 bis 15 Jahren stattfand. Ältere Dächer sind erfahrungsgemäß we-gen des Dachzustandes und der perspektivischen Nutzungsdauer nicht geeignet. Neben den baulichen Zuständen sind bei den Bestandsgebäuden häufig die Themen des Denkmalschut-zes und der Statik Ausschlussgründe für die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Bei kommunalen Neubauten und den Komplexsanierungen ist generell eine Zusammenarbeit vorgesehen. Eine Bewertung und Berücksichtigung für Photovoltaik erfolgt dann bereits im Planungsprozess.

In Summe sind in den Jahren 2021 und 2022 Photovoltaikprojekte auf kommunalen Dächern mit einer Anschlussleistung von ca. 2 MW geplant. Bis Ende 2024 soll die gesamt umgesetzte Anschlussleistung 4 MW betragen.

Außerhalb der LKE erfolgt der unter Pkt. 2 erwähnte, begrenzte Zubau, welcher eine Quar-tierslösung umfasst.

5. Auf welche Weise unterstützt die Stadt Leipzig oder ihre kommunalen Unter-nehmen die Anwendung von Mieterstrommodellen bei genossenschaftlichen o-der privaten Vermietern?

Aktuell sind die Leipziger Stadtwerke hier nur beratend tätig. Um weitere Projekte realisieren zu können, müssen erst die prozessualen Hürden (siehe Punkt 1) reduziert werden. Bis dahin werden sich die Stadtwerke in der Umsetzung auf die ca. 200 Mieterstromverbrauchstellen beschränken. Perspektivisch können über die beratende Tätigkeit hinaus die Planung, die Mieterstrombelieferung samt Investition der PV-Anlagen bzw. nur die Belieferung (durch das Lieferkettenmodell) angeboten werden.

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