Anfrage: fehlender Lärmschutz in der Güntzstraße

Anfrage zur Beantwortung durch die Verwaltung in der Ratsversammlung am 21. September 2016

Die fehlenden ca. 400 m Lärmschutzwand entlang der Bahnstrecke an der Güntzstraße sind ein lange bekanntes Problem. Es verwundert auch heute noch, warum auf der Westseite zum Gewerbegebiet eine Lärmschutzwand gebaut wurde, zum Mischgebiet auf der Ostseite jedoch nicht. In der Antwort zu einer Anfrage (876/13) unserer Fraktion gab die Stadtverwaltung als Grenzwerte für eine Lärmschutzwand oder anderweitige Lärmschutzmaßnahmen an einem Mischgebiet von 64 dB (A) am Tag sowie 54 dB (A) in der Nacht an. Die aktuelle Lärmkartierung zeigt aber für das bekannte Gebiet in der nördlichen Güntzstraße Lärmwerte über diesen Grenzwerten an.

Deshalb fragen wir an:

  1. Wie beurteilt die Stadtverwaltung die Lärmproblematik in der nördlichen Güntzstraße, insbesondere vor dem Hintergrund von sowohl steigendem Güterverkehr als auch zunehmender Wohnnutzung?

  2. Welche Bedingungen (z. B. tatsächliche Lärmwerte) würden etwas an der Situation ändern können bzw. unter welchen Umständen wäre die Bahn dazu verpflichtet, die Lärmschutzwand nachzurüsten?

  3. Würde die Umwidmung des Mischgebietes in ein Wohngebiet mit entsprechend niedrigeren Grenzwerten dazu beitragen, dass die Bahn verpflichtet wäre, die Lärmschutzwand nachzurüsten?

  4. Ist der Stadtverwaltung der aktuelle Standpunkt der Deutschen Bahn zur Lärmproblematik in der Güntzstraße bekannt und wenn ja, wie stellt sich die jetzige Situation dar?

  5. Welche Lärmschutzmaßnahmen gedenkt die Stadt in Eigeninitiative oder gegenüber der DB AG einfordernd, zu ergreifen?


Die Antwort der Verwaltung - Protokollauszug aus der Sitzung der Ratsversammlung am 21.09.2016

Bürgermeister Rosenthal: Zur ersten Frage die Aussage: Die aktuelle Lärmkarte zeigt für das bekannte Gebiet in der nördlichen Güntzstraße Lärmwerte über diesen Grenzwerten an. Die Schallemissionen werden im Rahmen der Lärmkartierung nach anderen Vorschriften berechnet als im Rahmen der Planfeststellung. Für den  Eisenbahnverkehr ist dies die vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungsverkehr an Schienenwegen für die Lärmkartierung und die Richtlinie zur Berechnung der Schallemission von Schienenwegen für die Planfeststellung.
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Berechnungsverfahren war bis zum 31.12.2014 die Anwendung bzw. Nichtanwendung eines sogenannten Schienenbonus. Dies führt dazu, dass nach der Vorschrift für die Lärmkartierung die berechneten Werte um circa 5 dB(A) höher ausfielen als die Berechnung für die  Planfeststellung. Deshalb sind die aus der Lärmkartierung entnommenen Werte nicht geeignet, die Wirksamkeit der im vorliegenden Fall ergriffenen Schallschutzmaßnahmen bzw. die fehlende Errichtung von Schallschutzmaßnahmen zu bewerten - schlichtweg, weil die Planfeststellung mit anderen Werten arbeitet.
Jetzt zu den Fragen dazu: Die Bebauung an der nördlichen Güntzstraße wird, wie im Flächennutzungsplan der Stadt dargestellt, als gemischte Baufläche eingestuft. Die Lärmsituation - vor allem in der Nacht - wird für die jüngst hinzugekommene bzw. zukünftig hinzukommende Bebauung als problematisch angesehen, da die Orientierungswerte der DIN 18005 für Mischgebiete nachts in großen Teilen des Gebietes zum Teil erheblich überschritten werden.

Zu Frage 2: Die Darstellung des Gebiets als gemischte Baufläche könnte zum Anlass genommen werden, die tatsächlichen Lärmwerte so weit zu mindern, dass die Orientierungswerte der benannten DIN für Mischgebiete 60 dB(A) tags, 50 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Tagsüber ist dies der Fall, nachts stellt sich die Situation allerdings wie unter erstens aufgeführt dar. Eine Minderung kann am besten durch die Errichtung einer weiteren Lärmschutzwand erreicht werden. Jetzt kommt allerdings die juristische Problematik:
Lediglich im Falle des § 75 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz könnte die Deutsche Bahn dazu verpflichtet werden, die bestehende Lärmschutzwand nachzurüsten. Jetzt versuche ich es, aus dem Kopf zu machen. In § 75 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz steht im Grunde genommen drin: Wir haben einen unanfechtbaren Planfeststellungsbeschluss. Wenn aber erhebliche Veränderungen zur Planfeststellung im Ist festzustellen sind, kann der Betroffene entweder aus öffentlichen oder privaten Belangen an die Planfeststellungsbehörde herantreten und möglicherweise eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses erwirken. Die Planfeststellungsbehörde ist das Eisenbahn-Bundesamt. Das heißt, das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen, der in seinen privaten Belangen Betroffene muss sich an das EBA wenden.

Zur dritten Frage: Nein, dies ist kein Tatbestand im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz.
Zur vierten Frage: Die letzte Meinungsäußerung der Deutschen Bahn gegenüber der Stadt datiert vom Oktober 2015. In einer Antwort auf ein Schreiben des Oberbürgermeisters legt die Deutsche Bahn dar, dass sie die Planfeststellungsunterlagen und den Planfeststellungsbeschluss, die Grundlage der Baumaßnahmen an den Gleisen und an den übrigen Bahnanlagen im Bereich der Güntzstraße sind, als rechtmäßig ansehen. Daraus ist zu  schließen, dass die Bahn keinen Nachbesserungsbedarf sieht.

Zur Frage 5: Es ist derzeit nichts durch die Stadt ergriffen worden. Bereits vor Jahren - die Diskussion ist schon immer einmal geführt worden - gab es einen Fall einer Lärmbelastung, verursacht durch Kfz-Verkehr von einer Autobahn. Es ging um die A38, falls Sie sich erinnern können. Damals hatte der Ortschaftsrat einen Antrag gestellt, eine Lärmschutzwand auf Kosten der Stadt nachzurüsten. Das ist damals abgelehnt worden. Die formale Haltung der Verwaltung möchte ich an dieser Stelle natürlich auch vortragen, dass - so meinen wir - sowohl rechtlich als auch finanziellen derjenige zur Verantwortung zu ziehen ist, der tatsächlich Bauträger der  Maßnahme ist. Das ist hier nicht die Stadt.

Nachfrage Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen):
Herr Rosenthal, ich gehe aber einmal davon aus, dass, wenn wir dort Bauflächen ausschreiben, neue Bewohner in die Stadt ziehen oder dorthin ziehen, die Stadt von diesen Bewohnern profitiert, und aufgrund dieses Profitierens der Stadt Leipzig wäre es auch eine Maßnahme, dass die Stadt Leipzig sagt: Okay, um ein solches Gebiet aufzuwerten, wo wir uns Zuzug erhoffen, bauen wir eine Lärmschutzwand aus eigener Initiative. Das ist doch rechtlich möglich. Ich erinnere mich, dass wir als Stadtrat an der B2 eine Lärmschutzwand auch in Eigenregie errichtet haben, um Anwohner zu schützen.

Bürgermeister Rosenthal:
Das ist, glaube ich, keine Rechtsfrage.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Das ist keine Rechtsfrage, sondern das ist eine Überzeugungsfrage
der Stadtrates.

Bürgermeister Rosenthal: Keine Rechtsfrage.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Gut, dann könnte man das tun. Ich wiederhole mich. Okay.

Oberbürgermeister Jung: Herr Volger, ich warne vor der präjudizierenden Wirkung einer solchen Haltung für die Zukunft. Sie können alles beschließen, wir können alle Kosten übernehmen, wenn wir das Geld hätten.

Stadträtin Dr. Lakowa (Bündnis 90/Die Grünen):
Mir ist schon bewusst, dass Präzedenzfälle natürlich auch auf andere Sachen Einfluss haben. Nichtsdestotrotz ist es doch so: Wenn schon die Stadt gegenüber der Bahn im Grunde genommen keine Handhabe hat, dort etwas zu erreichen, wie soll dann eine einzelne Person oder gar eine Einwohnergemeinschaft mit vielleicht zehn oder 50 Leuten mit ihren privaten Mitteln gegen eine Institution wie die Bahn klagen? - Dort gibt es einige Anwohner, die schon sehr viel Geld aus ihrer privaten Tasche bezahlt haben, und sie scheitern. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir als Stadt für unsere Bürger verantwortlich sind.
Wenn die Bahn das nicht interessiert, müssen wir als Stadt Verantwortung tragen. Wenn, wie Sie sagten, bei Mischgebieten sogar schon nachts die Lärmschutzgrenzwerte überschritten werden und jetzt dort sogar noch mehr Eigenheimsiedlungen entstanden sind, sogar Gewerbegebiet sich reduziert hat, dann stellt sich für mich die Frage, wie es denn bei einer Neubewertung dieser Fläche wäre. Ich erwarte jetzt keine Antwort, aber ich möchte einfach diese Sachen zu bedenken geben, dass wir da irgendwo eine Verantwortung haben - nicht irgendwo, sondern wir haben eine Verantwortung.

Bürgermeister Rosenthal:
Ich will es wirklich nicht abbügeln, Frau Dr. Lakowa - nicht falsch verstehen -, aber genau an der Stelle zitiere ich tatsächlich das Gesetz. Es ist eben nicht die Stadt in ihren Rechten betroffen, sondern es sind die Anwohner betroffen. Das Gesetz sieht für diesen Fall eben die Regelung des § 75 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz vor. Nicht die Bahn ist der Gegner, sondern die Planfeststellungsbehörde Eisenbahn-Bundesamt. Da muss man dann einfach diesen formalen Weg beschreiten.
- Danke schön.

Zurück