Anfrage: Gewalt in Leipziger Bildungseinrichtungen

Anfrage vom 1. April 2016 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. April 2016

Im aktuell von der Stadt Leipzig vorgelegten Bericht „Jugend in Leipzig – Ergebnisse einer Befragung von Schülern und Schülerinnen“ ist zu lesen, dass 12 % der Schüler*innen von Mobbing durch andere Kinder und Jugendliche betroffen sind. 6% der befragten Kinder und Jugendlichen geben sogar an, in der Schule von körperlicher Gewalt betroffen zu sein.

Die Autoren des Berichts empfehlen:  „Auch wenn viele Schülerinnen und Schülern nicht von Mobbing und körperliche Gewalt betroffen sind, stimmt es bedenklich, dass vor allem an den befragten Förderschulen diese Probleme überdurchschnittlich häufig benannt werden. So hatte an diesen Schulen jede bzw. jeder Vierte in den letzten beiden Schuljahren Schwierigkeiten mit körperlicher Gewalt. Weitere 21 Prozent leiden unter Mobbing von Mitschülerinnen und Mitschülern. Hier ist es wichtig, präventive Angebote und Projekte bereitzustellen und gezielt einzusetzen und für eine höhere Sensibilisierung zu sorgen.“ (S. 27)

Wir fragen an:

  1. Hat die Stadt Leipzig Erkenntnisse über die Gewalterfahrungen von Kindern in Kindertagesstätten und Horten?
  2. Welche präventiven Angebote und Projekte zur Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche bietet die Stadt Leipzig bisher an?
  3. Worin erkennt die Stadt Leipzig die Ursachen für die hohe Gewaltbetroffenheit von Schülerinnen und Schülern?
  4. Welche Weiterbildungsangebote für Erzieher*inne und Pädagog*innen zum Thema bietet die Stadt Leipzig bisher an?
  5. Welche Schritte zur Verbesserung der Sicherheitslage von Kindern und Jugendlichen in städtischen Einrichtungen und Schulen sind geplant?

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 20. April 2016 (Auszug aus dem Verlaufsprotokoll)

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian:

Zur Frage 1. Der Stadtverwaltung liegen keine Informationen zu gewalttätigen Vorkommnissen in  Kindertagesstätten und Horten vor, die über das im Kindesalter übliche Maß hinausgehen.

Zur Frage 2. Allen Kitas und Horten steht die vom Land Sachsen erarbeitete Handreichung „Gemeinsam fühlen“ als Arbeitsmaterial zur Verfügung. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklungsbegleitung und Entwicklungsförderung von Kindern in ihrer emotionalen und sozialen Kompetenz. Im schulischen Bereich findet der Streitschlichteransatz bereits ab dem Grundschulalter Anwendung. Auch im Rahmen von Ganztagsangeboten bieten Schulen Projekte zur Gewaltprävention und gegen Mobbing an. Auch Schulsozialarbeit leistet ihrerseits einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention an mittlerweile immerhin 57 Schulen. Es werden von ihr Präventionsangebote und unterstützende Projekte sowohl organisiert als auch selber durchgeführt, so zur Stärkung der Handlungskompetenz, zur Verbesserung des Klassen- und Schulklimas und zum sozialen Lernen. Werden Vorfälle physischer und/oder psychischer Gewalt bekannt, können diese in Form von Einzelfall- und Gruppenarbeit bearbeitet werden. Die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention koordiniert ein Deeskalationstraining, das auf Anfrage in Schulen ab Klassenstufe 8 von zertifizierten Deeskalationstrainern durchgeführt wird. Die Stadt Leipzig fördert im Rahmen der Förderung Freier Träger der Jugendhilfe Präventionsprojekte für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen. Die vielfältigen Angebote unterschiedlicher Träger zur Gewaltprävention sind auf der Internetseite der Stadt Leipzig im Präventionsatlas zu finden. Zur Anregung und Würdigung des Engagements zur Prävention von Gewalt wird jährlich der Wettbewerb „Schule der Toleranz“ des Kommunalen Präventionsrates ausgelobt.

Zur Frage 3. Die Ergebnisse der Jugendstudie sind im Vergleich zu anderen Untersuchungsergebnissen nicht in besonderer Weise auffällig. Der Bericht „Jugend in Leipzig 2015“ stellt dieses auch explizit fest. Angesichts der erhöhten Umfragewerte bei Förderschulen hinsichtlich der Betroffenheit  von körperlicher Gewalt und Mobbing wird das Gespräch mit Förderschulen geführt. Die Stadt Leipzig wird die Erarbeitung schulkonkreter  Handlungsansätze in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Bildungsagentur unterstützen.

Zur Frage 4. Die Stadt Leipzig bietet für pädagogische Fachkräfte Fortbildungen an wie: „Wertschätzende Kommunikation“, „Gewaltfreie Kommunikation“,  „Umgang mit herausforderndem Verhalten“ oder „Ich und du - Freunde trotz Unterschiedlichkeit“. Die Universität Leipzig bietet in Kooperation mit der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention regelmäßig die Fortbildung „Fair sein“ an. Die Sächsische Bildungsagentur unterbreitet Lehrkräften Angebote in den Bereichen „Stärkung von Lernkompetenzen“ und „Schlichtung von Konflikten“. Das Projekt „Stinktier“ des Caritas-Verbandes beispielsweise erweitert derzeit seine Multiplikatorenarbeit, sodass neben den derzeitigen Kooperationsschulen weitere Lehrerinnen und Lehrer Formen der Gewaltprävention für ihre Schulen bzw. Schulklassen implementieren können. Ein entsprechendes Angebot ist im Fortbildungskatalog der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig, aufgenommen worden. Weitere Fortbildungsangebote zur Gewaltprävention sind ebenfalls im Präventionsatlas der Stadt Leipzig zusammengefasst und online einsehbar.

Zur Frage 5. Die Förderung von friedlichen Konfliktlösungskompetenzen ist eine Daueraufgabe im pädagogischen Alltag. Dies beginnt bei der Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern im Rahmen der Familienbildung und reicht über die gezielte fachliche Fortbildung von pädagogischem Personal und den Einsatz von Schulsozialarbeit bis hin zu Angeboten der Kinder- und Jugendförderung.

Nachfrage Stadträtin Dr. Märtens (Bündnis 90/Die Grünen): Ich bin richtig froh, dass wir diese Anfrage gestellt haben; denn wir konnten jetzt, einem Feuerwerk gleich, hören, was es schon alles gibt.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Ja, das ist auch so.

Stadträtin Dr. Märtens (Bündnis 90/Die Grünen): Dennoch habe ich einige Nachfragen zum Förderschulbereich. Sie sagten: Da sind wir jetzt im Gespräch. - Welche Ergebnisse erwarten Sie aus diesen Gesprächen? Im Allgemeinen wird gesagt, in jeder Klasse ist ein Kind von Gewalt betroffen. An den Förderschulen sind aber mehr Kinder davon betroffen. Was können wir dagegen tun?

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Ich hoffe, dass mir mein Kollege Hörning oder auch meine Leute aus dem Amt für Jugend, Familie und Bildung  jetzt nicht in den Nacken springen. Aber ich habe es noch einmal recherchiert. Diese Prozentzahlen beruhen auf den Angaben von 71 Schülerinnen und Schülern aus drei Schulen. Man muss jetzt prüfen, wie verallgemeinerbar und aussagekräftig diese Angaben tatsächlich sind. Ich gehe davon aus, dass aufgrund dieses Hinweises auf  jeden Fall Handlungsbedarf besteht. Jetzt muss man schulkonkret prüfen, an welcher Stelle etwas gemacht werden muss.

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