Anfrage: Illegale Müllablagerungen - wie groß ist der Schaden?

Anfrage vom 25. April 2018 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 16. Mai 2018

Mit der Leipziger Stadtreinigung haben die Leipziger*innen einen kompetenten Partner an ihrer Seite, wenn es um das Thema Müllentsorgung geht. Den privaten Sperr- und Sondermüll kann man in Leipzig in einem der siebzehn Wertstoffhöfen abgeben – oder diesen durch die SRL abholen lassen.

Vor diesem doch recht komfortablen Hintergrund ist es nicht nachzuvollziehen, warum einige Menschen ihren privaten Müll – bis hin zum Sperr- und Sondermüll – illegal in der Landschaft, an Wegrändern und auf unbebauten Grundstücken ablegen und entsorgen. Dabei scheuen sie offensichtlich keine Mühen und gehen auch das Risiko ein, erwischt und über ihr Kfz-Kennzeichen auch identifiziert werden zu können. Dieses Phänomen lässt sich ansonsten vorwiegend an Feldwegen beobachten. Bewegt man sich am Stadtrand oder innerstädtisch in begrünten Gebieten, so fallen immer wieder bestimmte Ecken zum wiederholten Male negativ auf. Hier werden regelmäßig alte Möbel, Bauschutt, Reifen, Farbdosen, Plastikmüll u.v.m. abgelegt.

Der Frühjahrsputz ist ein anerkennenswerter Versuch, die Öffentlichkeit auf diese Form des Umweltfrevels aufmerksam zu machen. Scheinbar sind die bisherigen verwendeten Instrumente der Bekämpfung illegaler Müllablagerungen aber nicht wirksam.
 

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Inwieweit ist der Stadtverwaltung das Ausmaß dieser illegalen Müllablagerungen in der Leipziger Landschaft und Natur bekannt? Wie schätzt die Stadtverwaltung die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre diesbezüglich ein?
  2. In welcher Größenordnung wurden diese illegalen Ablagerungen durch die Stadt Leipzig geräumt und entsorgt und welche Kosten wurden dadurch in den letzten fünf Jahren für die Allgemeinheit jährlich zusätzlich verursacht?
  3. Welche Bußgelder drohen wenn illegale Müllablagerungen Personen zugeordnet werden können? Welche Einnahmen hat die Stadt Leipzig / die Stadtreinigung durch Bußgelder in den vergangenen fünf Jahren generiert?
  4. Welche Möglichkeiten hätte die Stadt Leipzig, dieses illegale Verhalten noch stärker als bisher zu sanktionieren, bzw. was müsste auf städtischer Ebene unternommen werden, um den Sanktionsdruck zu erhöhen?

Antwort in der Ratsversammlung am 16. Mai 2018

Bürgermeister Rosenthal:

Lieber Kollege Bonew! Sehr geehrte Damen und Herren Stadt-räte! Zur ersten Frage. Das anhaltend hohe Niveau der sogenannten illegalen Ablagerungen im Stadtgebiet ist dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig seit längerem nicht nur aufgrund der vie-len Beschwerden und Anzeigen hierzu bekannt. Die Problematik wird regelmäßig in verschied-nen Gremien diskutiert, und es werden Lösungs-ansätze besprochen. Die Auswirkungen sind erheblich, da nicht nur das Stadtbild beeinträchtigt wird, sondern auch Gefahren durch Ablagerungen von Schadstoffen entstehen. Der Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt leider auch, dass keine Änderungen im Verhalten der Verursacher erfolgten. So ist der Pro-Kopf-Anteil bei 3 Kilo-gramm jährlich seit fünf Jahren gleichbleibend.

Durch den Stadtordnungsdienst wurden im Zeit-raum von 2014 bis 2018 nachfolgende Vorgänge zu illegalen Abfallablagerungen bearbeitet - ich greife jetzt nur einige Daten heraus -: 2014 waren es 2.357 Vorgänge, 2017 waren es 2.863, und bis Mai dieses Jahres wurden bereits 1.352 Vorgänge durch den Stadtordnungsdienst bearbeitet.
Zur zweiten Frage. Ich greife wiederum nur einige statistische Daten heraus, um Ihnen nicht alle vor-lesen zu müssen. 2014 wurden 1.447 Tonnen entsorgt, dabei entstanden Entsorgungskosten in Höhe von knapp 168.000 Euro. Im vergangenen Jahr wurden 1.593 Tonnen entsorgt mit einem Fi-nanzaufwand von knapp 240.000 Euro.
Zur dritten Frage. Hierbei handelt es sich klassischerweise um eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Dafür sind Geldbußen von 5 bis 100.000 Euro vorgesehen. Der jeweilige Einzelfall wird nach den Kriterien des Ordnungswidrigkeitengesetzes behandelt. Die Zentrale Bußgeldbehörde hat 2014 zum Bei-spiel 1.116 Euro eingenommen, im vergangenen Jahr waren es 6.856 Euro, die in den allgemeinen Haushalt eingehen.

Zur vierten Frage. Eine Erhöhung der Sanktionie-rung ist aus Sicht der Stadtreinigung durch intensivere Kontrollen und Ahndung von festgestellten Verstößen durch den Stadtordnungsdienst denkbar. Wir gehen davon aus, dass wir durch die personelle Zuführung beim Stadtordnungsdienst ab diesem Jahr möglicherweise auch mit einer er-höhten Streifenpräsenz dem illegalen Entsorgen besser Herr werden können.
Auch im Rahmen des INSEK, das ja heute zur Beschlussfassung steht, konkret: im Rahmen des Fachkonzepts Ordnung und Kommunale Sicherheitsinfrastruktur, wird das Thema der illegalen Abfallablagerungen behandelt. Hier wird sowohl auf die Präsenz als auch die Erhöhung des bürgerschaftlichen Engagements bzw. die stärkere Zurverfügungstellung von Beratungsangeboten und fachlicher Beratung eingegangen. Insofern sind das drei Bausteine, die aus unserer Sicht ge-eignet sind, illegalen Abfallablagerungen Herr zu werden. Last but not least, das Amt für Umweltschutz als untere Abfallbehörde wird gesondert zum Thema „Vorgaben der Gewerbeabfallverordnung“ Gewerbetreibenden noch einmal nahe bringen, wie tatsächlich legale Entsorgung in Leipzig organisiert werden kann. Insofern gibt es einen engen Schul-terschluss zwischen der Behörde und dem dafür verantwortlichen Betrieb, der Stadtreinigung. Bürgermeister Bonew: Vielen Dank. - Gibt es Nachfragen? - Herr Volger. Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Vielen Dank. Das war sehr aufschlussreich. Um die Be-antwortung der letzten Frage haben Sie sich allerdings ein bisschen herumgemogelt. Sie haben dargelegt, wie man präventiv dagegen vorgehen will, wie zum Beispiel durch höhere Streifentätigkeit. Das ist schon klar. Aber um den Sanktions-druck zu erhöhen, müsste es bei der Stadt ein Er-mittlungsteam geben, das feststellt: Wer hat das dort abgelegt? Möglicherweise ist zum Beispiel durch Adressetiketten oder Ähnliches nachweis-bar, von wem der Müll illegal abgelegt wurde. Ist daran schon mal gedacht worden? Und wenn ja, gäbe es dafür Kapazitäten im Haus? Das wäre ja eine Tätigkeit, die nicht unbedingt von der Stadtreinigung erledigt werden muss, sondern eher von der Polizeibehörde, dem Stadtordnungsdienst.
Bürgermeister Rosenthal: Zuständig ist die Ab-fallbehörde, das Amt für Umweltschutz. Soweit die Kollegen in die Lage versetzt sind, Vor-Ort-Begehungen durchzuführen, machen sie das im Rahmen ihrer Tätigkeit. Das ist aber, glaube ich, nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Das ist unsere Achillesferse; das muss man so deutlich sagen. In der Vergangenheit konnten Kontrollen über Mitarbeiter des zweiten Arbeitsmarkts abge-deckt werden. Bürgerdienst LE hat quasi im gesamten Stadtgebiet Streifengänge durchgeführt und uns über illegale Müllablagerungen, auf wel-chen Flächen auch immer, in Kenntnis gesetzt. Die Stadtreinigung oder das Ordnungsamt sind dann auf den Eigentümer zugegangen, gegebe-nenfalls auch per Ersatzvornahme, oder haben es dem Amt für Umweltschutz gemeldet. Dann konnten die was machen. Wir haben ja noch die „Dreck-weg-App“ im Ver-fahren. Gegebenenfalls ist das eine Möglichkeit, zu Erkenntnissen zu illegalen Müllablagerungen zu kommen. Aber unterm Strich muss man sagen: Die personellen Ressourcen, gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Schwerpunktsetzung „Was kann die Polizeibehörde an Präsenz in der Stadt tatsächlich leisten?“, und unsere Möglich-keiten einer präventiven Feststellung sind eher beschränkt. Das wird eher über Meldung bzw. Feststellung im normalen Dienst und durch Rück-kopplung mit den zuständigen Behörden oder dem Betrieb organisiert. So ist das Ist. Ich sehe derzeit wenige Möglichkeiten, das wirklich zu ver-bessern.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Dazu noch eine Nachfrage. Sie hatten eben eine Scha-denssumme von 240.000 Euro genannt, die ja in gewisser Weise auch von den Bürgern der Stadt bezahlt werden muss. Dem gegenüber stehen knapp 7.000 Euro Einnahmen aus Bußgeldern. Dieses Missverhältnis müsste doch eigentlich zu ein bisschen mehr Druck in der Verwaltung - ich schaue mal den Kämmerer an - führen. Da müsste doch gesagt werden: Das geht so nicht weiter. - Ich würde mir schon wünschen, dass da zumindest ein, zwei Personen, gegebenenfalls vom Stadtordnungsdienst, abgestellt werden, die dagegen ermitteln und im Ergebnis empfindlichere Strafen aussprechen. - Das war nur ein Statement zum Abschluss. Sie müssen sich dazu jetzt nicht äußern. Bürgermeister Rosenthal: Ich will Ihnen erspa-ren, vorzutragen, was mir zum Thema „Feststellung und Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten“ aufgeschrieben wurde. - Das nehme ich jetzt so mit. Okay, Herr Volger?


Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen): Ich habe eine Frage zur Zuständigkeit am Stadtrand. Der Stadtrand ist ja gekennzeichnet von Feldern, Agrarflächen. Es finden sich häufig Müllablagerungen zwischen dem Ortsausgangsschild „Leipzig“ und dem Ortseingangsschild der jeweiligen Ortschaft, für die der Landkreis zuständig ist. Wer ist in solchen Fällen für die Entsorgung zuständig? Wer ist für etwaige Müllablagerungen an Feldwegen zwischen den gepachteten Feldern zuständig? Sind dafür die Pächter zuständig?
An unsere Anfrage anschließend: Gehen Sie nur Hinweisen aus der Bevölkerung nach, oder wer-den auch proaktiv Kontrollgänge an bestimmten Flächen durchgeführt? Ich könnte mir vorstellen, dass viele Ablagerungsflächen gar nicht gemeldet werden, weil niemand weiß, welche Kommune für die Entsorgung zuständig ist. Meine letzte Frage: Gibt es Erfahrungen aus an-deren Städten, die mit diesem Sachverhalt ein Stück weit innovativer umgehen und damit eine bessere Wirkung erzielen?


Bürgermeister Rosenthal: Die Zuständigkeit der Stadt endet an der Stadtgrenze, egal wo das Ver-kehrszeichen steht. - Das zu Ihrer ersten Frage.


Zur zweiten Frage. Man muss immer beachten, wofür die Stadt Leipzig verantwortlich ist, nämlich für den öffentlichen Verkehrsraum, und wofür der jeweilige Eigentümer, Pächter, Besitzer zuständig ist. Das gilt auch für Verantwortungswechsel in-nerhalb des Stadtgebiets. Für den öffentlichen Raum ist die Stadtreinigung zuständig. Auf Privatgrund ist der jeweilige Eigentümer verantwortlich und wird im Falle solcher Feststellungen vom Ordnungsamt darauf angesprochen mit der Bitte, illegale Müllablagerungen zu beräumen. Soweit das in den Gefährdungsbereich wechselt, wird die untere Abfallbehörde tätig, also das Amt für Umweltschutz. So ist es geregelt.
Jeder Sachverhalt, der uns zur Kenntnis gelangt, wird auch geahndet bzw. es wird darauf reagiert, was allerdings nicht heißt, dass immer sofort ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wird. Wenn man auf seinem Privatgrundstück Müll ab-lagert, ist das nicht gleich eine Ordnungswidrigkeit. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob es sich tatsächlich um eine illegale Ab-fallverbringung handelt oder nur um ein Zwischen-parken oder um was auch immer. Es gibt ganz un-terschiedliche Sachverhalte, die es einzeln zu bewerten gilt.
Zu Ihrer letzten Frage. Ich bleibe dabei: Man kann so innovativ sein wie nur irgend möglich, sei es bei der Prävention oder anderem - es bedarf einer stärkeren Kontrolldichte. Zu mehr Kontrollen sind wir aber angesichts der personellen Ausstattung derzeit nicht in der Lage.


Stadtrat Zenker (SPD): Eine konkrete Nachfrage. Beziehen sich die Kosten der Entsorgung - Sie hatten ja die Zahlen genannt - nur auf den klassi-schen Sperrmüll oder auch auf das, was bei-spielsweise in Parks nach dem Grillen häufig liegen bleibt? Ist das dabei miterfasst? Zum anderen würde mich interessieren: Die Stadt hat über die Stadtmöblierung auch kostenlose Werbeflächen. Hat die Stadt schon mal darüber nachgedacht, eine Werbekampagne für mehr Sauberkeit zu starten? Ich kenne das aus Berlin. Dort gibt es eine sehr aktive Stadtreinigung, die sehr kreativ für mehr Sauberkeit wirbt. Hat die Stadt mal überlegt, ob eine Werbekampagne für mehr Sauberkeit auf das Bewusstsein der Bevöl-kerung den Effekt haben könnte, dass man seinen Müll nicht einfach irgendwo abstellen kann und dass man, wenn die Mülltonne im Park überquillt, das, was man mitgebracht hat, auch wieder mit nach Hause nehmen und dort entsorgen kann?


Bürgermeister Rosenthal: Zu den Kosten der illegalen Abfallablagerung: All das, was sich nicht im Regelkreislauf befindet, ist illegal und läuft über die genannte Summe auf.
Was die Kommunikation betrifft: Ja, sicherlich wird das Thema in anderen Städten viel stärker beworben - das können wir gern noch einmal im Betriebsausschuss diskutieren -; aber auch das ist eine Ressourcenfrage, nämlich: Was steht bei der Stadtreinigung für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung? Wir versuchen das auch schon punktuell. Ich darf auf den Clara-Zetkin-Park und die Kampagne „Unser Park“ verweisen, die insbesondere das legale Verhalten bezüglich der Entsorgung von Grillgut zum Ziel hat. Die aktuelle Situation in den Parkanlagen ist: Wir nehmen nicht wahr, dass die große Masse mit freundlichen Appellen erreicht wird. Unabhängig davon, ob es eine orange Tonne in der Anlage gibt oder nicht, liegt das Grill-gut komplett verstreut auf den Wiesen, und wir haben größte Probleme, es einzusammeln. Will sagen: Aus meiner Sicht sind die Grünanlagen wei-ter eine Komfortzone der Nutzerinnen und Nutzer, und wir müssen darüber nachdenken, wie wir das Problem der illegalen Abfallentsorgung lösen können.

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