Anfrage: Imageschaden der Stadt und nachfolgende Wirkung der gescheiterten Personalauswahlverfahren zu Amtsleiterpositionen

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 17. April 2018

Die Fraktionen haben mit dem Oberbürgermeister ein Verfahren vereinbart, wie für leitende Positionen in der Stadtverwaltung die Personalbesetzung erfolgen soll. Dafür wird jeweils eine Arbeitsgruppe aus Vertreter*innen der Fraktionen mit der Stadtverwaltung, dem Personalrat und der städtischen Gleichstellungsbeauftragten gebildet.

Auch wenn natürlich die grundgesetzlich garantierte freie Ausübung des Mandates nicht eingeschränkt werden soll, sollen doch die Vertreter*Innen der Fraktionen eine gewisse Rückbindung in ihre Fraktionen haben.

Jetzt ist es bereits zum zweiten Mal - nach dem Amt für Wirtschaftsförderung nun beim Stadtplanungsamt - zu registrieren, dass eine Bewerberin durch die öffentliche Beschädigung ihres Rufes ihre Bewerbung zurückgezogen hat.

Die Verfahren zur Besetzung des Umweltamtes, des Brandschutzamtes und des Amtes für Statistik und Wahlen wurden z. Zt. bereits ergebnislos abgebrochen.

Die Herabwürdigung als Frau, unverhohlene Altersdiskriminierung und die Verhinderung politisch offenbar missliebiger Kandidat*innen, sind dabei zu registrieren.

Wir fragen an:

  1. Wie schätzt der Oberbürgermeister die Verlässlichkeit und Ergebnisorientiertheit des im Einvernehmen mit dem Ältestenrat etablierten Verfahrens ein?
  2. Wie hoch bewertet der Oberbürgermeister den Imageschaden, der durch die abgebrochenen Verfahren und die öffentliche Diskussion um die Namen der Bewerberinnen entstanden ist?
  3. Wie gedenkt der Oberbürgermeister auch zukünftig hoch qualifizierte und fähige Kandidat*innen für Führungspositionen in der Stadtverwaltung Leipzig zu begeistern?

Antwort der Verwaltung am 18. April 2019:

Bürgermeister Hörning: Hierzu wurden drei Fragen gestellt.
Zur Frage 1. In Bezug auf die Auswahl leitender Bediensteter hat sich in den zurückliegenden Jahren eine gängige Praxis etabliert, die zwei rechtliche Rahmenbedingungen in die Abwägung bringt. Das ist zum einen die Gewährleistung der Bestenauslese nach Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, eine Grundrechtsnorm, die die Verwaltung und damit auch die kommunale Selbstverwaltung und damit auch alle Organe der kommunalen Selbstverwaltung, insbesondere auch den Stadtrat, bindet.
Gleichzeitig wird die Rolle des Stadtrats in einer weiteren Grundrechtsnorm hervorgehoben, nämlich in Artikel 28 Grundgesetz, Kommunale Selbstverwaltung - grundgesetzlich garantiert im Rahmen der Hoheit der Länder, aber eben präzisiert im Freistaat Sachsen über die Sächsische Gemeindeordnung und dann entsprechend über die Hauptsatzung der Stadt Leipzig -, der dem Stadtrat die Pflicht gibt, eine Amtsleiterbesetzung, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung durch die Verwaltung festgestellt wurde, final zu bestätigen.
Diese beiden Rechtsnormen finden sich in dem Verfahren, welches wir hier in der Verwaltung mit Ihnen anwenden. Die Verlässlichkeit und Ergebnisorientiertheit des praktizierten Verfahrens würden wir auch als grundsätzlich gut einschätzen. Die Vielzahl der in den letzten Jahren erfolgreich durchgeführten Stellenbesetzungen bestätigt diese Einschätzung. Auch Problemfälle in Zusammenhang mit Klagen anderer Bewerber konnten erfolgreich aus dem Weg geräumt werden.
Das Verfahren zur Besetzung der Amtsleiterstelle Amt für Umweltschutz läuft zurzeit, ebenso das Verfahren zur Besetzung der Amtsleitung der Branddirektion. Der für das Amt für Statistik und Wahlen ausgewählte Kandidat hatte 2018 aufgrund der Nichtgenehmigung einer Verbeamtung seitens der obersten Rechtsaufsichtsbehörden seine Bewerbung zurückgezogen. Das Verfahren wurde daraufhin abgebrochen und neu aufgenommen. Es steht jetzt mit neuen Bewerbern und mit neuer Auswahlkommission kurz vor dem Abschluss.

Zur Frage 2. Die Verlässlichkeit und das Vertrauen aller Beteiligten in die von der Stadt Leipzig durchgeführten Stellenbesetzungsverfahren sind ein äußerst wichtiger Faktor für die erfolgreiche Personalgewinnung, aber auch für das Ansehen und die Arbeitgebermarke „Stadt Leipzig“.
Zum konkreten Fall: Wir - und damit meine ich die gesamte Verwaltung - bedauern den Rückzug der Bewerberin für die Stelle Amtsleiterin Stadtplanungsamt und die Umstände, die zu dieser Entscheidung geführt haben, ausdrücklich.
Das Image der Stadt Leipzig am Bewerbermarkt bildet sich allerdings durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren. Die positiven Einflussfaktoren, die man darstellen kann, sind die Attraktivität der Stadt, die Attraktivität der Aufgabe, aber auch der Wohnort Leipzig, der uns weiterhin viele Bewerberinnen und Bewerber für Positionen bei der Stadt Leipzig bietet.

Zur Frage 3. Mit vielfältigen und anspruchsvollen Aufgabenfeldern, einem familienfreundlichen Arbeitsumfeld, guten Verdienstmöglichkeiten und den Vorteilen, die die Stadt mit ihren vielfältigen Angeboten in den Bereichen Wohnen, Kultur, Freizeitgestaltung bietet, wird die Stadt Leipzig auch weiterhin von potenziellen Führungskräften grundsätzlich als attraktiver und in Umsetzung der laufenden Modernisierungsprozesse auch immer mehr als moderner Arbeitgeber wahrgenommen. Die Chancen, qualifizierte und fähige Bewerberinnen und Bewerber für eine Tätigkeit bei der Stadtverwaltung zu gewinnen, sind damit gegeben.
Ferner wirbt die Stadt hier auch aktiv. Die Bewerber- und Bewerberinnengewinnung erfolgt zum Beispiel über Direktansprachen, sowohl aus dem Personalamt als auch über beauftragte Personaldienstleistungsunternehmen, die Veröffentlichung von Ausschreibungen in verschiedenen Fachmedien, die Teilnahme an Fachkongressen bis hin zur Auswertung der Teilnehmerlisten dieser Fachkongresse zur weiteren Direktansprache und weitere Maßnahmen. Im Hinblick auf die Personalauswahlverfahren bei leitenden Bediensteten ist die Verwaltung mit den Fraktionen aktuell im Gespräch, um wieder voll-umfänglich zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einem jederzeit achtsamen Umgang mit den Bewerberinnen und Bewerbern zurückzufinden.

Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Ihre Beschreibung der Attraktivität Leipzigs hörte sich wie ein Werbespot an. Sie glauben also, dass das allein ausreicht, um sich hier zu bewerben. Wir haben aber erlebt, dass Bewerber hier öffentlich durch den Kakao gezogen, dass sie auch öffentlich beschädigt wurden. Das kann, glaube ich, mit der Attraktivität Leipzigs nicht ausgeglichen werden. Insofern haben Sie unsere Frage elegant umschifft, bevor Sie zum Schluss auf die vertrauensbildenden Maßnahmen gekommen sind. Ich finde es schon interessant, zu erfahren, ob die Verwaltung beabsichtigt, an dem Verfahren der Bestenauslese, bei dem sie den Stadtrat mitnimmt, wie Sie in der Antwort auf die erste Frage ausgeführt haben, etwas zu verändern. Muss sie da anders vorgehen? Wird sie Gespräche mit den Fraktionen führen, um festzustellen, ob der Rück-halt der Fraktionsmitglieder gegeben ist, sodass das Verfahren unbeschadet zu Ende geführt werden kann? Welche Ideen haben Sie dahin gehend? Wir als Bündnis 90/Die Grünen haben wirklich große Sorge, dass dieses Einvernehmen nicht das gesamte Verfahren übersteht.

Bürgermeister Hörning: Darüber machen wir uns in der Verwaltung natürlich auch Gedanken. Wir teilen Ihre Sorge. Allerdings kann ich feststellen, dass wir in der Mehrzahl der Verfahren diese Vertrauenssituation hatten und dieses Vertrauen auch tragfähig war. Ich sage mal so: Sie fragen hier die Verwaltung. Am Ende liegt es auch an Ihnen als Fraktionen, an Ihnen allen, ob wir gemeinsam ein Verfahren in der Balance zwischen Bestenauslese und Kommunaler Selbstverwaltung vertrauensvoll durchführen können, ein Verfahren, bei dem Sie hier im Stadtrat das finale Bestätigungsrecht haben für Kandidatinnen und Kandidaten, mit denen auch Sie dann vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen. Ich denke, in den meisten Fällen ist das jetzt schon so.
Wie gesagt, es ist bedauerlich, dass es zu einer Beschädigung der Kandidatin in dem Verfahren Amtsleiterin Stadtplanungsamt kam. Ich kann hier nur noch einmal im Namen der Verwaltung - ich bin mir da mit Frau Dubrau auch sehr einig - mein Bedauern zum Ausdruck bringen.
Wir müssen in der Balance zwischen den beiden Institutionen, der Verwaltung und dem Stadtrat, überlegen, wie wir einerseits in einem Verfahren, in dem es teilweise auch um Bewerber geht, die sich aus der Verwaltung heraus von Arbeitgebern, die vielleicht auch Ihnen persönlich bekannt sind, aber auch anderen Institutionen bewerben und die teilweise im öffentlichen Leben stehen, mit den Informationen hochvertraulich umgehen, andererseits aber auch ab einem bestimmten Moment die Pflicht haben, diese Personalentscheidung hier öffentlich zu verhandeln.
Einem Bewerber ist natürlich das Risiko bekannt, dass seine Bewerbung ab einem bestimmten Zeitpunkt öffentlich verhandelt wird und er mit Bestätigung auch in der Öffentlichkeit steht. Dieses Risiko mit Respekt und Achtsamkeit zu minimieren, das muss das gemeinsame Anliegen von Verwaltung und Stadtrat sein. Wir sind laufend im Gespräch zu einzelnen Verfahren, zu einzelnen Methoden. Aber die Grundlogik, die wir in dem Verfahren angelegt haben, ist: Die Fraktionen benennen Vertreter für eine Auswahlkommission, und diese Vertreter vermitteln die Entscheidung, die in der Kommission von der Verwaltung unter Begleitung der Stadträte getroffen wurde, in ihre Fraktionen und sorgen dort für Rückhalt. Das bleibt die Aufgabe, und das bleibt auch im nächsten Stadtrat die Aufgabe. Da-ran müssen wir gemeinsam arbeiten.

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Hörning! Ich möchte noch mal auf das Thema Image eingehen und nachfragen. Können Sie nachvollziehen, dass gute Bewerber, die in der Regel in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, davor zurückschrecken, sich in Leipzig zu bewerben, weil sie damit rechnen müssen, dass ihr Name schon zu einem Zeitpunkt öffentlich wird, wo aufgrund der Situation, die wir hier in der Stadt haben, mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht sichergestellt ist, dass sie für die Stelle, für die sie von ei-ner Kommission ausgewählt wurden, tatsächlich auch bestätigt werden?

Bürgermeister Hörning: Ich habe Ihnen ja geschildert, dass jeder Bewerber, der sich um eine Position bewirbt, mit der Situation leben muss, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt sein Name öffentlich wird und dann auch öffentlich über ihn gesprochen wird. Wir versuchen über die Verfahren eine Abstimmungssituation zwischen den Hauptorganen herzustellen, dass keine Beschädigung geschieht. Das gelingt auch in den meisten Fällen. Das ist, denke ich, unser gemeinsames Anliegen.
Herr Morlok, ich sehe eine viel größere Gefahr auf uns zukommen, die Stellenbesetzungsverfahren im öffentlichen Dienst insgesamt betreffen wird.
Wir haben inzwischen aus dem engen Feld des Beamtenrechts eine Rechtsprechung zu konstatieren, die über das Instrument der Konkurrentenklage auf Verfahren insgesamt einwirkt. Da geht es nicht um Vertrauensverlust oder Störungsmomente zwischen den Hauptorganen der kommunalen Selbstverwaltung.
Ich will Ihnen einen Beispiel nennen: In einem Stellenbesetzungsverfahren hat sich eine Beamtin beworben. Ansonsten haben sich nur Menschen aus anderen Verwaltungen im Angestelltenverhältnis, Menschen, die freiberuflich tätig sind, Menschen, die selbstständig tätig sind, und Menschen, die bei einem privaten Arbeitgeber angestellt sind, beworben. Ein Verwaltungsgericht macht nun die Auflage, das Beamtenbewertungsformular der Stadt Leipzig jedem Arbeitgeber dieser 40 Bewerber, die sich in diesem Auswahlverfahren befanden - da ging es um eine Sachgebietsleiterposition; von solchen Besetzungsverfahren bekommen Sie hier gar nichts mit -, zuzuschicken, um dann entlang dieses Beamtenbewertungsformulars eine der Beamtenbewertung gleichgestellte Bewertung vorzunehmen und dann nach Schriftlage zu entscheiden, ob diese interne Beamtin, die geklagt hatte, auszuwählen ist oder nicht.
Das sind die Arten von Gerichtsentscheiden, denen wir uns in wachsender Zahl gegenübersehen. Hier ist es, glaube ich, an allen politischen Entscheidungsträgern in diesem Land, auf die Grund-frage der Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens einzuwirken, nämlich die Prüfnorm des Beamtenrechts auf einen Verfahrensanspruch auf grobe Verstöße abzusenken, um dieser Klagewirtschaft, die sich hier entwickelt, einen Riegel vorzuschieben und die Effekte zu minimieren. Das sind, glaube ich, die wahren Fragen, denen wir uns für die Personalgewinnung im öffentlichen Dienst generell stellen müssen, wenn wir Menschen bewegen wollen, sich überhaupt aus einem Nichtbeamtenverhältnis oder einem nicht öffentlichen Arbeitsverhältnis bei uns zu bewerben. Wenn wir diese Gefahr nicht angehen, haben wir ein viel strukturelleres Problem als die Frage, wie wir mit Vertrauensstörungen - das ist auch ein wichtiges Thema; von daher bin ich dankbar für die Frage, Frau Krefft - zwischen Teilen der Hauptorgane der kommunalen Selbstverwaltung in Verfahren hier umgehen.

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