Anfrage: Interpretationsreichtum bei der Umsetzung von Stadtratsbeschlüssen – hier: Übergangsfinanzierung von Zero-Waste- und Upcyclingprojekten
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 24. April 2024
Am 20. September 2023 fasste der Stadtrat einen Beschluss im Zusammenhang mit dem Antrag VII-A-08404-NF-03 „Freiräume für junge Menschen in Leipzig sichern“. Dabei wurde mittels eines Änderungsantrages unserer Fraktion, unter Punkt 2 und 3 folgender Beschluss gefasst:
- Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ab 1. Januar 2024 eine Fördergrundlage vorzulegen, um auf Basis der Zero-Waste-Strategie der Stadt Leipzig Träger bzw. Projekte zu fördern, die sich im Bereich des nachhaltigen Umganges mit Ressourcen und der Kreislaufwirtschaft, etwa durch Selbsthilfe- und Upcycling-Werkstätten, Sozial- und Second-Hand-Läden und Umweltbildungsprojekte engagieren.
- Den Trägern Mütterzentrum Leipzig e.V. sowie Kinder- & Jugendwerkstatt e.V. (Bornaische Straße 54) wird dahingehend eine Übergangsfinanzierung in Höhe von monatlich 10.000 € für den Zeitraum vom 01.10.2023 bis 30.06.2024 zur finanziellen Absicherung von Miet-, Betriebs-, Personal- und Umgestaltungskosten aus dem allgemeinen Haushalt der Stadt Leipzig für ihre Projekte im Bereich Upcycling zur Verfügung gestellt. Grundlage der Auszahlung muss ein unter Punkt 2 beschriebenes Konzept und dessen tatsächliche Umsetzung bilden. In diesem Zeitraum soll zudem in Abstimmung mit den Trägern eine Anpassung der künftigen inhaltlichen Nutzungskonzepte bzw. des Angebotsschwerpunkts erarbeitet und vereinbart werden, um eine langfristige Finanzierung ab 30.06.2024 zu ermöglichen.
Beide Träger erarbeiteten daraufhin entsprechende Anträge und Konzepte und reichten diese beim Amt für Umweltschutz ein. Auf Grund der Kurzfristigkeit und der der für 2023 schon gewährten Förderung für das Projekt Restlos verzichtete der Mütterzentrum Leipzig e.V. für 2023 auf die zusätzlichen Mittel. Der Antrag für 2024 musste dann in mehrfachen Absprachen mit dem Umweltamt und Überarbeitungsrunden entsprechend getrennt auf die beiden Halbjahre und die Möglichkeit der erhöhten Fördersumme bis einschließlich Juni 2024 angepasst werden. Für 2024 hatte der Träger für das erste Halbjahr 2024 bei einem Gesamtvolumen von rund 80.000€ beim Umweltamt eine Summe von rund 52.000€ beantragt. Dennoch wurde seitens des Umweltamtes ein Bescheid in Höhe von lediglich 29.800 € statt der beschlossenen 60.000 € bzw. der beantragten 52.000€ erteilt. Gleichzeitig erfolgte die Auflage, dass der Finanzierungsplan in der Gesamtsumme als verbindlich gilt, das Projekt wie im Antrag beschrieben umzusetzen ist und die fehlenden 20.000€ eingespart und/oder aus Eigenmitteln erbracht werden sollen. Andernfalls würden die Fördermittel des Umweltamtes nicht ausgereicht. Für das zweite Halbjahr 2024 wurde eine Förderung sogar komplett versagt.
Bei der Kinder- und Jugendwerkstatt stellt es sich so dar, dass der Träger nach Einreichen seines Antrages bzw. der Konzeption in 2023 eine Förderung erhielt, für 2024 jedoch eine Ablehnung. Die Mitarbeitenden mussten daraufhin die Projektarbeit beenden und sich arbeitslos melden.
Eine wie in Punkt 2 beauftragte Fördergrundlage vorzulegen, um auf Basis der Zero-Waste-Strategie der Stadt Leipzig Träger bzw. Projekte zu fördern, die sich im Bereich des nachhaltigen Umganges mit Ressourcen und der Kreislaufwirtschaft, etwa durch Selbsthilfe- und Upcycling-Werkstätten, Sozial- und Second-Hand-Läden und Umweltbildungsprojekte engagieren, ist bis zum heutigen Tag – trotz Fristsetzung 1.1.2024 – nicht erfolgt. Nach Aussage der Verwaltung verfügt die Stadt Leipzig bereits über eine solche mit der Fachförderrichtlinie des Amts für Umweltschutz. Die dort adressierten Umweltbelange bilden die Grundlage auch für die im Beschluss beschriebenen Konzepte. Die Förderung mehrerer, sehr engagierter und fachkundiger Vereine und Projekte im Bereich Zero-Waste, Upcycling und Nachhaltigkeit sei zudem bereits ständige Förderpraxis.
Wir fragen daher an:
- Hält die Verwaltung an ihrer Interpretation fest, dass den beiden oben genannten Trägern für ihre Projekte entsprechend des Ratsbeschlusses statt je 000 monatlich nur bis zu 10.000 € für ihre Arbeit zufließen sollen?
- Hält die Verwaltung an ihrer Interpretation fest, dass die Finanzierung dieses Beschlusspunktes trotz der Formulierung im Ratsbeschluss „aus dem allgemeinen Haushalt der Stadt Leipzig“ ohne zusätzliche Mittel aus dem regulären Fördertopf zur Förderung von Vereinen und Verbänden gedeckt werden muss?
- Welche Versagensgründe wurden der Kinder- und Jugendwerkstatt mitgeteilt und welche Gründe dem Mutterzentrum Leipzig e.V. und wie können ggf. erfolgte Fehler (auf beiden Seiten) geheilt werden, um den Stadtratsbeschluss noch umzusetzen?
- Welche Budgets zur Förderung von Projekten und Trägern, die sich im Bereich des nachhaltigen Umganges mit Ressourcen und der Kreislaufwirtschaft, etwa durch Selbsthilfe- und Upcycling-Werkstätten, Sozial- und Second-Hand-Läden und Umweltbildungsprojekte engagieren standen und stehen in 2023 und 2024 zur Verfügung und plant die Verwaltung für 2025/26 ein?
- Wäre es sinnvoll, im Hinblick auf die weiteren Förderperioden innerhalb der Förderung von Vereinen und Verbänden klare Teilbudgets zu schaffen, um eine klarere Budgetierung, bspw. in Umsetzung der der Zero-Waste-Strategie der Verwaltung, zu erreichen?
Antwort der Stadtverwaltung in der Ratsversammlung am 24. April 2024
Am 20. September 2023 fasste der Stadtrat einen Beschluss im Zusammenhang mit dem Antrag VII-A-08404-NF-03 „Freiräume für junge Menschen in Leipzig sichern“. Bezüglich dessen Umsetzung erreichten uns die im Folgenden aufgeführten Fragen, die wir hiermit beantworten.
- Hält die Stadtverwaltung an ihrer Interpretation fest, dass den beiden oben genannten Trägern für ihre Projekte entsprechend des Ratsbeschlusses statt je 10.000 monatlich nur bis zu 10.000 EUR für ihre Arbeit zufließen sollen?
Im Punkt 2 des o. g. Beschlusses des Stadtrates wird die Stadtverwaltung beauftragt, ab dem 01.01.2024 eine Fördergrundlage vorzulegen, um die dort benannten Träger bzw. Projekte in den näher beschriebenen Bereichen zu fördern. Nach Prüfung der Stadtverwaltung liegt eine solche Fördergrundlage mit der Fachförderrichtlinie des Amts für Umweltschutz (FFRL) bereits seit längerem vor.
Im Punkt 3 des o. g. Beschlusses des Stadtrates wird eine Übergangsfinanzierung i. H. v. monatlich 10.000 EUR für den Zeitraum 01.10.2023 bis 30.06.2024 beschlossen. Grundlage der Auszahlung muss ein unter Punkt 2 beschriebenes Konzept und dessen tatsächliche Umsetzung bilden.
Eine im Zeitraum, beginnend ab der Beschlussfassung 20.09.2023 bis 01.10.2023, einsetzende alternative Fördergrundlage erscheint offensichtlich nicht umsetzbar. In Anwendung der Fachförderrichtlinie des Amts für Umweltschutz (FFRL) werden Zuwendungen stets für einzelne zeitlich und inhaltlich abgegrenzte Vorhaben vergeben, sodass prinzipiell eine generelle Pauschalbetragsfinanzierung keine Anwendung findet.
Die eingereichten Projektanträge wurden durch das Amt für Umweltschutz einer fachlichen Bewertung unterzogen. Unter Berücksichtigung aller Angaben wurde ermessensfehlerfrei im Einvernehmen mit dem Fachausschuss Umwelt, Klima, Ordnung (FA UKO) entschieden.
Im Übrigen wurde der Mütterzentrum e. V. mit Bescheidung (Anfang März 2024) zur Anpassung seines Finanzierungskonzeptes aufgefordert. Dies galt auch im Hinblick auf eine bedachte Finanzierung aus Eigenmitteln. Eine Vollfinanzierung ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. FFRL, 5 Zuwendungs- und Finanzierungsart).
Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dem zuständigen Fachausschuss neben dem angenommenen Fördervorschlag eine Gegenüberstellung der Förderung 2024 mit und ohne Berücksichtigung des Stadtratsbeschlusses vom 20.09.2023 vorlag. Das Einvernehmen des Fachausschusses wurde somit bewusst für den Fördervorschlag der Stadtverwaltung erteilt.
- Hält die Stadtverwaltung an ihrer Interpretation fest, dass die Finanzierung dieses Beschlusspunktes trotz der Formulierung im Ratsbeschluss „aus dem allgemeinen Haushalt der Stadt Leipzig“ ohne zusätzliche Mittel aus dem regulären Fördertopf zur Förderung von Vereinen und Verbänden gedeckt werden muss?
Über die Gewährung einer Projektförderung gemäß FFRL entscheidet das Amt für Umweltschutz (AfU) im Einvernehmen mit dem FA UKO nach pflichtgemäßen Ermessen. Dies sichert die Grundsätze der sparsamen Haushaltsführung sowie der Gleichbehandlung.
Nach Rücksprache mit der Stadtkämmerei werden die Mittel zusätzlich bereitgestellt, wenn das Budget des AfU vollständig ausgeschöpft ist. Dies impliziert nicht, dass andere FFRL des Amtes zur Deckung für diese Mehraufwendungen aufkommen müssen, es werden nur – soweit vorhanden – Minderaufwendungen im Sachkostenbereich des Amtes zur Finanzierung herangezogen.
Für den Zeitraum 01.10.2023 bis 31.12.2023 war in Beachtung der Ausführungen zu Frage 1 keine zusätzliche Fördermittelbereitstellung erforderlich. Entsprechend Beschluss erfolgt für 2024 eine zusätzliche Mittelbereitstellung für den Zeitraum bis zum 30.06.2024.
- Welche Versagensgründe wurden der Kinder- und Jugendwerkstatt mitgeteilt und welche Gründe dem Mutterzentrum Leipzig e. V. und wie können ggf. erfolgte Fehler (auf beiden Seiten) geheilt werden, um den Stadtratsbeschluss noch umzusetzen?
Dem Antrag der Kinder- und Jugendwerkstatt konnte nach Auswertung aller vorliegenden Anträge und Anwendung der einschlägigen Fachförderrichtlinie sowie gründlicher Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände keine Zuwendung bewilligt werden. Dem Verein wurde mit Schreiben vom 21.03.2024 eine Anhörungsfrist bis zum 30.04.2024 eingeräumt. Der Verein hat am 16.04.2024 ein Konzept zu einer längerfristigen Förderung durch die Stadt Leipzig eingereicht, welches sich derzeit in Prüfung durch das Amt für Umweltschutz befindet.
Der Antrag des Mütterzentrum e. V. konnte aus denselben Gründen nicht vollumfänglich berücksichtigt werden.
- Welche Budgets zur Förderung von Projekten und Trägern, die sich im Bereich des nachhaltigen Umganges mit Ressourcen und der Kreislaufwirtschaft, etwa durch Selbsthilfe- und Upcyclingwerkstätten, Sozial- und Second-Hand-Läden und Umweltbildungsprojekte engagieren standen und stehen in 2023 und 2024 zur Verfügung und plant die Verwaltung für 2025/26 ein?
Im gesamten Budget des AfU werden für ökologische Projekte zur Sicherung und Wiederherstellung der natürlichen Funktionen der Umweltmedien Boden, Luft und Wasser sowie zum Schutz des Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen vor schädlichen Veränderungen Zuwendungen gewährt.
Dafür stand 2023 ein Planansatz i. H. v. 598.750,00 EUR sowie 2024 ein Planansatz i. H. v. 599.250,00 EUR zur Verfügung. Im Rahmen der Doppelhaushaltsplanung 2025/2026 beabsichtigt die Stadtverwaltung eine Dynamisierung i. H. v. 2,5 %. Neben dem allgemeinen Planansatz werden jährlich 200.000 EUR für die Energie- und Klimaschutzberatung zweckgebunden bereitgestellt (vgl. Haushaltsantrag Nr. A 0051/ 23/24 Stärkung der Energie- und Klimaschutzberatung – bei freien Trägern).
- Wäre es sinnvoll, im Hinblick auf die weiteren Förderperioden innerhalb der Förderung von Vereinen und Verbänden klare Teilbudgets zu schaffen, um eine klarere Budgetierung, bspw. in Umsetzung der der Zero-Waste-Strategie der Verwaltung, zu erreichen?
Aus Sicht der Stadtverwaltung ist es nicht sinnvoll, innerhalb der FFRL des AfU Teilbudgets zu schaffen, da dadurch die Deckungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wird. Die Abbildung innerhalb eines Budgets räumt Gleichberechtigung im Abwägungsprozess ein und erhält Flexibilität bei der Finanzierungsgestaltung einer zivilgesellschaftlich ausgerichteten, breit gefächerten Fördermittellandschaft innerhalb der Kommune.
In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass seit 2018 der leben.lernen.leipzig e. V. (Café kaputt) sowie der kunZstoffe – urbane Ideenwerkstatt e. V. gefördert werden. Als bereits abgeschlossene Projekte sind hier folgende des BUND Leipzig zu nennen: „Recycling2go – Leipzig auf den Mehrweg bringen“ als auch „Suffiziente Gastronomie in Leipzig“.
Im Umweltinformationszentrum (UiZ) werden zudem eigene Projekte im Rahmen der Müllvermeidung und Nachhaltigkeit angeboten, wie der Tauschmarkt des Technischen Rathauses, die ausleihbare Medienkiste „Kunststoff-Probleme und Lösungen“, die wechselnden Ausstellungen u. a. zu den Themen „Schatz im Müll“ und „Plastiktüte? Nein, danke!“ sowie die Plastevermeidungskampagne „wieder verwenden statt wieder verschwenden“.
Dadurch leistet die Fachförderung und das UiZ einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Zero-Waste-Strategie in der Stadtverwaltung Leipzig. Grundsätzlich handelt es sich bei der Auswahl der jährlichen Projektförderung nicht um eine Interpretation, sondern die Abwägung von Tatsachen im Rahmen der Haushaltsführung, auf Grundlage der FFRL im pflichtgemäßen Ermessen sowie im Einvernehmen des FA UKO. Das Ergebnis ist maßgebend von den Entscheidungen unterschiedlicher Gremien abhängig, wie dem FA UKO, sodass die Stadtverwaltung keine intransparenten Entscheidungen über die Förderung diverser Projekte leistet.