Anfrage: Klimaschutz bei Dienstreisen?
Anfrage vom 8. Mai zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 26. Juni 2019
Der Stadtrat hat schon 2007 auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, dass die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung bei Flugreisen im dienstlichen Auftrag entsprechende Klimschutzzertifikate von atmosfair gGmbH erwerben müssen. Atmosfair setzt die Einnahmen in zertifizierten Projekten zum Klimaschutz ein, entwickelt Projekte in den Bereichen „Erneuerbare Energien“ und „Energieeffizienz“ in Entwicklungsländern, um so die verursachten Treibhausgase wieder auszugleichen. Selbst wenn dieses Engagement die negativen Effekte des Tourismus oder der Dienstreisen nicht vollständig ausgleichen kann, erachten wir sie als weiterhin sehr sinnvoll, da atmosfair zudem das selbstkritische Verbraucher*innenverhalten mit Informationen zur Klimabilanz beim Reisen und zu alternativen Reisemöglichkeiten fördert.
Schon in der damaligen Begründung verwiesen wir 2007 auf die besonders klimaschädlichen Emissionen des Flugverkehrs und die Zielstellung, städtische Dienstreisen mit dem Flugzeug einzugrenzen und weniger klimaschädlichen Reisealternativen den Vorrang zu geben. Das Ziel ist heute dringender denn je, da der Flugverkehr weiter besonders stark wachsende Anteile am Reiseverkehr verzeichnet obwohl er die Klimaerwärmung besonders begünstigt.
Verkehrsmittel im Vergleich: CO₂-Ausstoß in Gramm pro Person und zurückgelegtem Kilometer. Die durchschnittliche Auslastung der Fahrzeuge und die klimawirksamen Effekte des Flugverkehrs sind mitberücksichtigt. Mit Ökostrom betriebene Bahnen (z.B. mit Öko-Ticket) fahren praktisch CO₂-frei. Der CO₂-Ausstoß des Fluges variiert stark nach Flugklasse, Maschine, Verbindung etc. (Quelle Webseite atmosfair.de)
Wir fragen an:
1. Wie hat die Stadtverwaltung den Beschluss des Stadtrats bisher umgesetzt?
a. Wie viele Flugreisen wurden seit 2007 pro Jahr durch die Stadtverwaltung als Dienstreise gebucht?
b. Wie viele Zertifikate hat die Stadtverwaltung von atmosfair gGmbH pro Jahr erworben?
c. Wieviel CO2 konnte durch die von der Stadt Leipzig erworbenen Zertifikate bzw. die Unterstützung der mehr als 20 von atmosfair betreuten weltweiten Klimaschutzprojekte kompensiert werden?
2. Werden bei Dienstreisen alternative Reisemöglichkeiten im Sinne des Klimaschutzes generell geprüft?
a. Wer prüft diese und verantwortet die jeweilige Entscheidung?
b. Wird die inzwischen eingerichtete Klimaleitstelle in diese Entscheidung einbezogen?
3. Wie setzt die Stadtverwaltung den Beschluss bei den zahlreichen Bürgerreisen zu den Leipziger Partnerstädten, die zum Teil vom Referat Internationale Zusammenarbeit vorbereitet und begleitet werden um?
a. Welche der Bürgerreisen fanden mit dem Flugzeug statt und wie viele atmosfair-Zertifikate wurden für die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und ggf. die mitreisenden Gäste jeweils erworben?
Folgende Reisen fanden statt (Quelle: Webseite Stadt Leipzig)
• Addis Abeba 2007, 2011, 2014
• Birmingham 1999
• Bologna 1998, 2008
• Brünn 2000, 2009
• Frankfurt am Main 2001
• Hannover 2001, 2007
• Herzliya 2011, 2012, 2014, 2018
• Houston 2010, 2013
• Kiew 2004, 2011, 2016
• Krakau 1998, 2005
• Lyon 1999, 2006
• Nanjing 2004
• Thessaloniki 2010
• Travnik alljährlich
b. Wie wird die Stadtverwaltung bei den Bürgerreisen im laufenden Jahr 2019 diesbezüglich verfahren? (Nanjing, Travnik, Kiew, Thessaloniki , Addis Abeba)
Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 26. Juni 2019
Bürgermeister Hörning: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frage 1
: Wie hat die Stadtverwaltung den Beschluss des Stadtrats bisher umgesetzt?
-
Diese Anfrage beruht auf dem Stadtratsbeschluss vom 18.06.2008 zu Klimaschutz bei Dienstreisen. Beschlusspunkt 1
lautete: Für Dienstreisen mit Luftfahrzeugen ist ab 01.01.2009 eine Ausgleichszahlung von 23 Euro pro Tonne CO2 auf die Haushaltsstelle Klimaschutzfonds der Stadtverwaltung Leipzig zu leisten. In Beschlusspunkt 2 heißt es sinngemäß: Diese Kosten sind aus der Kostenstelle des Dienstreisenden zu tragen, um hier auch entsprechende Lenkungs-und Entscheidungseffekte zu unterstützen. Es war nicht Teil des Beschlusses, Zertifikate der Atmosfair
gGmbH zu kaufen. Es hieß lediglich: Der Preis hat sich an den Ausgleichszahlungen des Emissionsrechners der Atmosf
air gGmbH zu orientieren. Die Stadtverwaltung hat infolge des genannten Beschlusses die Vorlage „Einrichtung eines Klimaschutzfonds Stadt Leipzig“ im Jahr 2010 durch den Stadtrat beschließen lassen, da im Nachgang ersichtlich wurde, dass der Beschluss von 2008 die formale Bildung des Klimaschutzfonds nicht abdeckt.
Auf dieser Grundlage wurde dann die Dienstanweisung des Oberbürgermeisters „Verfahrensweise zu Ausgleichszahlungen für unvermeidbare Dienstreisen mit Luftfahrzeugen“, Nr.13/2011, erstellt. Diese Dienstanweisung regelt die Fragen der Flugreisen und des Klimaschutzes wie folgt: Der Klimaschutzfonds Stadt Leipzig stellt eine Geldreserve dar, die durch die Ausgleichszahlungen für unvermeidbare Dienstreisen mit Luftfahrzeugen gespeist wird. Aus diesem Klimaschutzfonds Stadt Leipzig sollen Klimaschutzprojekte als Kompensation für klimaschädigende Handlungen finanziert werden. Durch die gezielte Verwendung der Mittel aus dem Klimaschutzfonds Stadt Leipzig für entsprechende Klimaschutzmaßnahmen soll erreicht werden, dass die gleiche Menge an CO2-Emissionen kompensiert wird, die durch die Flugreisen erzeugt wird. Die Verwendung der Mittel aus dem Klimaschutzfonds ist wie folgt geregelt: Die in den Klimaschutzfonds Stadt Leipzig einfließenden Mittel werden zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet, welche die negative Beeinflussung der Klimabilanz der Stadt Leipzig durch Flugreisen kompensieren. Dies können sein:
Projekte der CO2-Kompensation durch Begrünung im Stadtgebiet, Projekte zur Ablösung fossiler Energieträger
durch Nutzung erneuerbarer Energien in Liegenschaften und Projekte zur Energieeinsparung in Liegenschaften. Dies sind nur einige beispielhafte Nutzungen.
Frage 1a: Wie viele Flugreisen wurden seit 2007 pro Jahr durch die Stadtverwaltung als Dienstreise gebucht?
- Ich will jetzt nur einige Eckpunkte nennen; Sie bekommen es noch mal schriftlich.
- Im Jahr 2011 gab es 179 Flugreisen und im Jahr 2018 107 Flugreisen, was nur 60 Prozent des Niveaus von 2011 entspricht. Es ist also eine Reduzierung der Niveaus der Flugreisen zu konstatieren. Bei einer Annahme von 23 Euro pro Tonne CO2 und einer Gesamtemission von 735.000 Kilogramm - also 735 Tonnen CO2 - ergibt sich ein Ausgleichsbetrag von etwa 17.000 Euro. Wir haben jedoch einen Ausgleichsbetrag von insgesamt 25.000 Euro in den Klimaschutzfonds Stadt Leipzig geleistet, sodass die geleisteten Ausgleichszahlungen um 40 Prozent höher liegen als das, was Sie im Jahr 2008 mit 23 Euro pro Tonne CO2 beschlossen haben.
Die Frage 1b zu den Zertifikaten erübrigt sich, weil keine Zertifikate gekauft werden, sondern über das Modell des Klimaschutzfonds Stadt Leipzig konkrete Projekte in Leipzig gefördert werden, wie zum Beispiel der Kauf eines Lastenrads, eines E-Bikes und weiterer Fahrräder, außerdem Geld zur Verfügung gestellt wird für die Waldpflanzung,
den sogenannten Klimawald.
Frage 1c: Wie viel CO2 konnte durch die von der Stadt Leipzig erworbenen Zertifikate bzw. die Unterstützung der mehr als 20 von Atmosfair betreuten weltweiten Klimaschutzprojekte kompensiert werden?
- Eine Abschätzung der durch die Förderung der nachhaltigen Mobilität in der Stadtverwaltung kompensierten CO2-
Menge ist leider nicht möglich. Gemäß Dienstanweisung gilt jedoch: Die Projekte sind so auszuwählen, dass die durch dienstliche Flugreisen verursachten CO2-Emissionen durch die im Folgejahr zu realisieren-den Projekte in etwa ausgeglichen werden.
Frage 2: Werden bei Dienstreisen alternative Reisemöglichkeiten im Sinne des Klimaschutzes generell geprüft? -
Hier ist die Dienstanweisung 18/2015 der Dienstreiseordnung einschlägig, in der es um die Wahl des Verkehrsmittels geht. Hier ist insbesondere festgelegt, dass bei Dienstreisen, soweit dadurch keine höheren Reisekosten entstehen, stets mit dem umweltfreundlichsten Verkehrsmittel, zum Beispiel per Dienstfahrrad, zu
Fuß, per Zug usw., gereist werden soll. Nur in Ausnahmefällen sollen Kraftfahrzeuge oder Luftfahrzeuge genutzt werden. Auch hier dient der Klimaschutzfonds als Steuerungsinstrument, weil die Reisekosten für eine Flugreise entsprechend höher ausfallen als für eine Reise mit einem anderen Verkehrsmittel.
Frage 2a: Wer prüft diese und verantwortet die jeweilige Entscheidung?
- Die Auswahl des Transportmittels sowie die damit verbundenen Kosten werden auf Grundlage der Rahmenvorgaben vom Vorgesetzten bzw. dem Genehmigungsbefugten geprüft und durch die Zentrale Reisestelle zur Verfügung gestellt. Der Genehmigungsbefugte des Fachamts trifft die Entscheidung mit dem Vermerk auf dem Dienstreiseantrag.
Frage 2b: Wird die inzwischen eingerichtete Klimaleitstelle in diese Entscheidung einbezogen?
- Die Klimaleitstelle ist in die operativen Fragen der Verkehrsmittelwahl von Dienstreisen der Stadt Leipzig nicht einbezogen, jedoch in die generelle Frage von Mobilitätskonzepten innerhalb der Stadt Leipzig, wie zum Beispiel den Pool von E-Fahrzeugen oder Dienstfahrrädern.
Frage 3: Wie setzt die Stadtverwaltung den Beschluss bei den zahlreichen Bürgerreisen zu den Leipziger Partnerstädten, die zum Teil vom Referat Internationale Zusammenarbeit vorbereitet und begleitet werden, um?
- Die Zahlung einer Flugabgabe in den Klimaschutzfonds zur Kompensation der entstandenen Treibhausgase be-
schränkt sich auf verwaltungsinterne Flugreisen. Ursächlich hierfür ist unter anderem die Tatsache, dass Ausgleichszahlungen bei Bürgerreisen und Ähnlichem keiner Organisationseinheit zugeordnet werden können, die
dadurch entstehenden Kosten zu tragen. Zu beachten ist ferner: Die Bürgerreisen zu Leipzigs Partnerstädten werden von verschiedenen lokalen Institutionen, zumeist im Ehrenamt, organisiert. Sofern die Bürgerreisen durch städtische Angestellte oder Wahlbeamte begleitet werden, sind die genannten städtischen Vorgaben einschlägig.
- Sie werden auch anhand der entsprechenden Tabelle sehen, dass in dem Moment, wo städtische Mitarbeiter eine Bürgerreise begleiten, die entsprechenden Ausgleichszahlungen in den Klimaschutzfonds geleistet wurden.
Frage 3a: Welche der Bürgerreisen fanden mit dem Flugzeug statt und wie viele atmosfair-Zertifikate wurden für die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und ggf. die mitreisenden Gäste jeweils erworben?
- Wir haben die Bürgerreisen seit 2011 registriert in Verbindung mit der für den Klimaschutzfonds geltenden Dienstanweisung. Es fanden folgende Bürgerreisen zu Partnerstädten Leipzigs statt:
- Addis Abeba, in 2011 und 2014. Hierfür wurde erst im Jahr 2014 eine Ausgleichszahlung geleistet, weil 2011 keine städtische Begleitung gegeben war.
- Herzliya, in 2011, 2012, 2014 und 2018. Im Jahr 2011 wurden Ausgleichszahlungen für vier Personen, im Jahr 2014 Ausgleichszahlungen für drei Personen geleistet. In den Jahren 2012 und 2018 fanden die Reisen ohne städtische Begleitung statt.
- Houston, in 2010 und 2013. Es wurde entsprechende Ausgleichszahlungen für eine bzw. zwei Personen geleistet.
- Kiew, in 2011 und 2016.
- Thessaloniki, in 2010.
- Travnik, jährlich. Hier findet die Reise per Bus statt. Für mit dem Flugzeug anreisende Personen wurde eine Ausgleichszahlung im Jahr 2013 und im Jahr 2018 geleistet.
Frage 3b Wie wird die Stadtverwaltung bei den Bürgerreisen im laufenden Jahr 2019 diesbezüglich verfahren (Nanjing, Travnik, Kiew, Thessaloniki, Addis Abeba)?
- Die Reise nach Thessaloniki ist inzwischen abgesagt. Wir werden aber bei den anstehenden Bürgerreisen ähnlich verfahren. Bei Bürgerreisen, an denen auch städtische Mitarbeiter beteiligt sind, werden entsprechende Ausleichszahlungen an den Klimaschutzfonds geleistet.
Oberbürgermeister Jung: Gibt es dazu Nachfragen?
- Herr Morlok.
Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sie sagten, dass bei der Abwägung der Entscheidung auch die Kosten der entsprechenden Verkehrsmittel eine Rolle spielen. Meine Frage: Fließt in die Kostenbetrachtung auch die Reisezeit des Mitarbeiters mit ein? Ich meine, man kann nach Kiew mit dem Flugzeug fliegen; man kann aber auch mit der Bahn dorthin fahren. Man kann nach Houston auch mit dem Schiff fahren, was vielleicht kostengünstiger ist als mit dem Flugzeug, allerdings um einiges länger dauert. Also: Ist die Reisezeit Gegenstand der Kostenbetrachtung? Wie sieht die Verwaltung das hinsichtlich der Eigenbetriebe? Ich denke da zum Beispiel an das Gewandhausorchester, das ja häufig auf Konzertreise ist. Die Musiker sind zwar keine städtischen Mitarbeiter, aber Mitarbeiter der Eigenbetriebe. Die Konzertreisen führen oft auch nach Übersee, weil es dort großen Anklang findet. Es macht Konzertreisen in die USA und auch nach Japan. Werden auch Überlegungen angestellt, dass das Gewandhausorchester mit der umweltfreundlichen Bahn über Land erst nach Wladiwostok fährt, weil von dort aus der Flug nach Japan kürzer ist?
Bürgermeister Hörning: „Planes, Trains & Automobiles“, das ist auch einer meiner Lieblingsfilme, Herr Morlok.
- Ich denke, dadurch, dass der Preis der CO2-Emissionen im Verhältnis zu den Kosten einer Dienstreise betrachtet und erst dann eine Entscheidung getroffen wird, muss sich jeder Mitarbeiter, der vor einer Dienstreise steht, mitsei-
nem Haushaltsverantwortlichen ins Benehmen setzen, um zu schauen: Was leisten wir uns? Wie kann die Arbeitszeit auf Reisen möglichst effizient genutzt werden? Auch das geht neben dem Reisepreis in die interne Verwaltungsentscheidung ein. In die Entscheidung geht auch ein, dass der Mitarbeiter die dienstlichen Geschäfte, für die er im dienstlichen Auftrag unterwegs ist, bestmöglich erledigen kann, aber auch während seiner Dienst-
reise in Fortsetzung seiner Verpflichtungen im Heimatgeschäft verfügbar ist. Dafür nutzen wir inzwischen Videokonferenzen und anderes, um die Leute, die wir auf Reisen schicken, über Prozesse, die wir hier in der Verwaltung in ihrem Aufrag während ihrer Dienstreise weiter vorantreiben, auf dem Laufenden zu halten.
Oberbürgermeister Jung: Also: Es findet eine Vollkostenbetrachtung statt.
Bürgermeister Hörning: Genau.
- Ihre Frage zu den Eigenbetrieben nehmen wir jetzt noch mal mit. Es wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden, das zu ermitteln. Ich weiß nicht, wie die Eigenbetriebe das handhaben. Wir haben es jetzt für die Verwaltung beantwortet. Wenn es Sie interessiert, stellen Sie bitte noch einmal eine neue Anfrage; Sie bleiben uns ja treu, Herr Morlok.
Oberbürgermeister Jung: Danke, Herr Hörning.