Anfrage: Leipziger Gewässer und Auwald im Trockenstress – wie nachhaltig wird mit Leipzigs Wasser geplant?

Anfrage zur Beantwortung am 14. September 2022

Die Trockenheit der letzten Jahre wirkt sich spürbar auf das Neuseenland und die Leipziger Gewässer aus. Die Tagebauseen sind auf Wasserzufluss und Niederschläge angewiesen - für die Stabilität der Böschungen aber auch für die Wasserqualität (z.B. Sulfatbelastung). Bereits diesen Sommer zeichnete sich ab, dass Verdunstung und ausbleibende Niederschläge teils zu sinkenden Wasserspiegeln in den Seen führen. Die künftige Flutung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain soll sich ebenfalls u.a. aus der Weißen Elster speisen. Der Leipziger Auwald und der Leipziger Gewässerknoten sind aber ebenfalls stark abhängig vom Wasser aus Weißer Elster. Zusätzlich plant die Stadt Leipzig mit weiteren Kanälen und Offenlegung von verrohrten Kanälen, was ingesamt zu einem höheren Wasserbedarf führt. Da künftig von steigender Wasserknappheit ausgegangen werden muss, stellen sich hier Fragen einer sinnvollen und nachhaltigen Wasserbewirtschaftung.

Wir fragen daher:

  1. Wie haben sich die Grundwassersituation, Niederschläge und Trockenheit seit 2018 in Leipzig entwickelt?
  2. Mit welcher Entwicklung der Grundwassersituation, Trockenheit und Niederschlägen rechnet die Stadt Leipzig in den kommenden Jahren, basierend auf den Prognosen des LfULG und unter Einbeziehung der zu erwartenden klimatischen Veränderungen?
  3. Teilt die Stadt Leipzig die Einschätzung, dass selbst bei Normalisierung der Niederschläge auf dem Niveau des Vergleichszeitraums 1990-2010, mehr Wasser aufgrund der gestiegenen Temperaturen verdunstet, so dass langfristig mit einer weiteren Absenkung des Grundwasserspiegels zu rechnen ist?
  4. Auf welcher Grundlage und in welchem Umfang (Verträge, Absprache, Konzepte) erfolgt die Bereitstellung von Wasser seitens der LTV für den Gewässerknoten Leipzig (bitte konkret inkl. verabredeter Wassermengen benennen)?
  5. Welche Schlussfolgerung zieht die Stadt Leipzig aus den oben genannten Punkten:
    • Langzeitstrategien im Umgang Extremwettereignissen wie Starkregen, Dürre und temporären Hochwässern und dem Eintrag von Mischwasser ins Leipziger Gewässersystem?
    • sind Erhalt und geplanter Wiedervernässung des Leipziger Auwaldes bei gleichbleibender Gewässersteuerung und Wasserdargebot realistisch?
    • Folgen für die Flora und Fauna des Leipziger Auwaldes und die Leipziger Gewässer vor dem Hintergrund, dass Wasser aus der Weißen Elster zur Stabilisierung des Leipziger Neuseenlandes entnommen wird (Zwenkauer See)?
    • Wie ist die Versorgung der Leipziger Kanäle und Gräben mit ausreichend Wasser sichergestellt?

 

Anfrage zur Beantwortung vom 13. September 2022

1. Wie haben sich die Grundwassersituation, Niederschläge und Trockenheit seit 2018 in Leipzig entwickelt?

Hinsichtlich der Entwicklung der Grundwasserstände seit 2018 gibt es teilweise erhebliche lokale Unterschiede innerhalb des Stadtgebietes.

Generell, hat sich in den Jahren 2018, 2019, 2020 in Leipzig ein beträchtliches Niederschlagsdefizit aufgebaut (durchschnittlich -25% Jahresniederschlag im Vergleich zum Referenzzeitraum 1971-2000), welches durch das nasse Jahr 2021 nicht kompensiert werden konnte. Gepaart mit einer Erhöhung der Lufttemperatur und des sehr großen Strahlungsüberschusses, ergibt sich ein Sättigungsdefizit der Atmosphäre, wodurch die potentielle Verdunstung derzeit extrem hoch ist. Eine Quantifizierung daraus entstehender Dürreereignisse stellt der „Dürremonitor“ zur Verfügung (https://www.ufz.de/index.php?de=37937), die Auswertung beruht auf Modellierungen des Bodenwasserhaushaltes von 1950 bis heute.

Die Jahresmittelwert der Grundwasserstände von 1971 – 2001 zeigen einen negativen Trend, insbesondere die Jahre 2018-2020 trugen durch die defizitären Niederschlagssummen zum Absinken der Grundwasserstände bei.

Für das Stadtgebiet Leipzig zeigen vor allem flussnahe Bereiche, deren Wasserstände durch Wehre gesteuert und damit auf einem relativ gleichbleibenden Niveau gehalten werden, auch geringe Schwankungen des Grundwasserstandes. Seit 2018 schwanken auch für diese Areale, bspw. im Bereich des Leipziger Auwaldes die beobachteten Grundwasserstände um langjährige mittlere Grundwasserstände, wobei zeitweise auch hier die Wasserstände im Niedrigwasserbereich lagen.

Für die Bereiche ohne eine direkte Beeinflussung der Grundwasserstände durch die Vorfluter, bewegen sich die Grundwasserstände im Wesentlichen im Bereich unterhalb langjähriger Mittelwerte, teilweise auch über längere Zeiträume/Sommerhalbjahr im Niedrigwasserbereich.

2. Mit welcher Entwicklung der Grundwassersituation, Trockenheit und Niederschlägen rechnet die Stadt Leipzig in den kommenden Jahren, basierend auf den Prognosen des LfULG und unter Einbeziehung der zu erwartenden klimatischen Veränderungen?

Das LfULG hat mit dem Mitteldeutschem Klimaensemble (MDK) eine neue Klimaprojektion vorgelegt. Das MDK Ensemble zeigt hinsichtlich der projizierten Niederschlagsmengen für die Stadt Leipzig kurz- und langfristig keine klare Tendenz. Dahingegen verschiebt sich die Saisonalität des Niederschlagregimes. Es könnte zu weniger Niederschlag während der Sommermonate (2020 – 2050: -12%) kommen, mit einer Verlagerung der Niederschläge in den Winter und ins Frühjahr (2020 – 2050: +13%). Zukünftig müssen wir uns in den Sommermonaten neben extremeren Starkniederschlagsereignissen und damit einhergehenden Sturzfluten, auf ausgedehntere (in Raum und Zeit) Hitzewellen und Dürreperioden einstellen. Mitte September wird das LfULG Auswertungen des MDK zum Thema Trockenheit in Form von Steckbriefen für alle Kommunen bereitstellen. Kennzahlen hierzu liegen somit noch nicht vor.

Die vom LfULG projizierten Grundwasserneubildungsraten zeigen, unter Einbezug der aktuell genehmigten Grundwasserentnahmen im Stadtgebiet, zukünftig keine Entspannung des mengenmäßigen Zustandes der Grundwasserkörper der Stadt Leipzig auf. Hinzuzufügen ist, dass die Grundwasserneubildung nicht alleine die Grundwassersituation widerspiegelt, entscheidend hierfür ist letztlich eine Bilanzierung mit weiteren Grundwasserabflüssen und Entnahmen sowie der Verdunstung.

Eine hinreichend sichere Prognose der klimatisch bedingten Dargebotsentwicklung ist auch mit den Projektionen des LfULG nicht möglich.

3. Teilt die Stadt Leipzig die Einschätzung, dass selbst bei Normalisierung der Niederschläge auf dem Niveau des Vergleichszeitraums 1990-2010, mehr Wasser aufgrund der gestiegenen Temperaturen verdunstet, so dass langfristig mit einer weiteren Absenkung des Grundwasserspiegels zu rechnen ist?

Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass die Grundwasserneubildung in der Region insbesondere in den Winter- und Frühlingsmonaten erfolgt. Bleiben die Niederschlagsmengen zukünftig auf dem Niveau von 1990-2010 und erleben wir einen Regimeschifft von Sommer- hin zu vermehrten Winterniederschlägen, spricht dies grundsätzlich nicht für eine Absenkung des Grundwasserspiegels. In den Sommermonaten können aber erhöhte Verdunstungsraten und fehlende Niederschläge zu ausgedehnten landwirtschaftlichen Dürren führen. Wird der erhöhte Wasserbedarf durch Grundwasserentnahmen gestillt, wird die oberflächennahe Verdunstung, z. B. bei flächiger Bewässerung, stark erhöht. Dieser Prozess kann letztlich zur weiteren Absenkung des Grundwasserspiegels führen. Ob letztlich das erhöhte Potential der zukünftigen Verdunstung allein zur langfristigen Absenkung des Grundwasserspiegels führt, lässt sich nicht abschließend beurteilen und bedarf weiterer Modellierungen, welche im Rahmen von Wasserhaushaltmodellierungen durch das LfULG angeschoben werden.

4. Auf welcher Grundlage und in welchem Umfang (Verträge, Absprache, Konzepte) erfolgt die Bereitstellung von Wasser seitens der LTV für den Gewässerknoten Leipzig (bitte konkret inkl. verabredeter Wassermengen benennen)?

Es existieren keine vertraglich festgeschriebenen Regelungen für den Gewässerknoten. Notwendige Abstimmungen mit der Stadt Leipzig erfolgen derzeit nach Bedarf. Behördliche Festlegungen zur Wasserverteilung obliegen grundsätzlich den jeweils zuständigen Wasserbehörden.

Eine konzeptionelle Vorarbeit für zukünftige behördliche Entscheidungen erfolgt im Rahmen der „Facharbeitsgruppe Flussgebietsbewirtschaftung Westsachsen“ (FAG) des Freistaat Sachsens, in der neben der Stadt Leipzig die maßgeblich verantwortlichen Institutionen, SMEKUL, LfULG, Landesdirektion Sachsen, MIBRAG mbH, LMBV GmbH, Landestalsperrenverwaltung Sachsen und Landesbetrieb für Hochwasserschutz Sachsen-Anhalt vertreten sind. Die FAG erarbeitet für die Flussgebietsbewirtschaftung der Teileinzugsgebiete der Weißen Elster und Pleiße in Westsachsen Bewirtschaftungsgrundsätze, die durch strategische Arbeitsgruppe FAG seitens des Freistaates bestätigt werden. In Abstimmung mit den Bewirtschaftungsgrundsätzen, soll durch die Errichtung einer Bewirtschaftungszentrale in Rötha, das Wasserdargebot zukünftig in Hochwasser- und Niedrigwassersituationen nachhaltig gesteuert werden.

5. Welche Schlussfolgerung zieht die Stadt Leipzig aus den oben genannten Punkten:

a) Langzeitstrategien im Umgang Extremwettereignissen wie Starkregen, Dürre und temporären Hochwässern und dem Eintrag von Mischwasser ins Leipziger Gewässersystem?

Die Stadt Leipzig verfolgt das Ziel, Leipzig im Sinne einer wassersensiblen Stadtentwicklung langfristig zu etablieren. Dies bedeutet, dass anfallendes Regenwasser möglichst lokal versickert und nicht in die Kanalisation eingeleitet wird. Das versickerte Wasser ist so im Trockenfall verfügbar und die Kanalnetze werden im Starkregenfall entlastet. Dies soll mithilfe von naturbasierten Lösungen, welche bereits heute in Leipzig zum Einsatz kommen erreicht werden. Neben der Entsiegelung bisher befestigter Flächen, sind dies lokale grüne und blaue Infrastrukturen, wie multifunktionale Retentionsflächen, Straßenbäume, Fassaden- und Dachbegrünungen, sowie Mulden und Rigolensysteme. Über die grün-blaue Freiraumentwicklung, zum Beispiel mit den Planungswerkzeug „Masterplan Grün“, schafft die Stadt Leipzig so die Grundlage für eine „doppelte Innenentwicklung“, die neben der grauen Infrastruktur, in Form von Gebäuden, Straßen und anderer versiegelter Flächen, auch die grün-blaue Infrastruktur qualifiziert, die neben Kühlung, Regenrückhalt und Erholung, viele weitere Funktionen erfüllen, um die Stadt lebenswerter zu machen.

Fragestellungen zu Extremwetterereignissen und ihre Auswirkungen auf das Leipziger Gewässersystem, die Leipziger Aue, Stadtgrün, Abwassersystem und Stadtgestaltung sind Bestandteil und werden ganzheitlich untersucht in der sich in Bearbeitung befindenden integrierten Wasserkonzeption (VI-A-07938-NF-04-AÄ-01). Aus der bereits laufenden Analyse im Rahmen dieser werden strategische und praktische Schlussfolgerungen für das Agieren der Stadt in den genannten Bereichen abgeleitet, um die Stadt wasserbewusster und als solche klimaresilienter zu gestalten und entwickeln. Zur Formulierung von gesamtstädtischen Zielen und Strategien wird dabei intensiv zwischen verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung und den Leipziger Wasserwerken zusammengearbeitet. Bereits heute werden verschiedene flächenbezogene Maßnahmen zur Klimaanpassung in der Stadt umgesetzt, jedoch können Aussagen zu längerfristigen Strategien - auf Grundlage einer belastbaren Analyse auf die konkrete Situation in der Stadt Leipzig bezogen - derzeit noch nicht getroffen werden.

b) Sind Erhalt und geplante Wiedervernässung des Leipziger Auwaldes bei gleichbleibender Gewässersteuerung und Wasserdargebot realistisch?

Zur Wiederherstellung einer ökologisch funktionstüchtigen Aue ist es erforderlich, die bisherige Steuerung des Leipziger Gewässerknotens anzupassen. Dazu müssen zunächst die erforderlichen Mindestabflüsse in den jeweiligen Gewässern abgeschätzt werden, da dazu bisher keine behördlich festgelegten Werte existieren. Darauf aufbauend wird ein Vorschlag zur Steuerung des Gewässerknotens abgeleitet, so dass ein möglichst großer Nutzen für die Auenlandschaft entsteht. Dabei ist natürlich die Abschätzung des zukünftigen Wasserdargebots eine wesentliche Voraussetzung. Der Vorschlag zur Steuerung des Gewässerknotens wird mit dem Freistaat Sachsen (z. B. LTV, LDS, SMEKUL, LfULG) diskutiert werden. Die Erarbeitung geschieht im Rahmen des Auenentwicklungskonzeptes (AEK) und ist bereits beauftragt. Die behördliche und damit verbindliche Festlegung der Wasserverteilung obliegt letztendlich den zuständigen Wasserbehörden.

Im Rahmen der „Facharbeitsgruppe Flussgebietsbewirtschaftung Westsachsen“ (FAG) (siehe Antwort zu Frage 2) werden die besondere Belange der Leipziger Auenlandschaft berücksichtigt und aktiv eingebunden.

c) Folgen für die Flora und Fauna des Leipziger Auwaldes und die Leipziger Gewässer vor dem Hintergrund, dass Wasser aus der Weißen Elster zur Stabilisierung des Leipziger Neuseenlandes entnommen wird (Zwenkauer See)?

Die Wasserentnahme aus der Weißen Elster zur Stützung der Wasserqualität im Zwenkauer See ist behördlich planfestgestellt. Die genehmigte Menge und der Zeitpunkt der Entnahme geschehen unter der Maßgabe der Sicherung der wasserrechtlichen Erfordernisse der Unterlieger, also auch des Leipziger Gewässersystems einschließlich der Auenlandschaft.

Weiterhin erfolgt die Überschusswasserableitung aus dem Zwenkauer See über den Cospudener See und den Floßgraben und steht somit zum Beispiel den südlichen Auenwald zur Verfügung.

Unter natürlichen Bedingungen wäre der Leipziger Auwald durch den periodischen Wechsel von Überschwemmungs- und Niedrigwasserphasen geprägt. Perioden mit geringen Wasserständen sind für die Auenlandschaft ein Zustand, der auch in intakten Ökosystemen einen Normalzustand darstellt. Durch den Gewässerausbau und damit verbunden tiefliegenden Gewässersohlen treten seit vielen Jahren Überschwemmungen nur noch sehr selten auf, was maßgeblich zur aktuellen Schädigung des Auwalds beiträgt.

d) Wie ist die Versorgung der Leipziger Kanäle und Gräben mit ausreichend Wasser sichergestellt?

Die Leipziger Mühlgräben (Elstermühlgraben, Pleißemühlgraben und Knauthainer Elstermühlgraben) werden von den Flüssen Pleiße und Weiße Elster gespeist. Die Wasserführung dieser Gewässer war trotz niedriger Pegelstände noch ausreichend, um den ökologischen Mindestabfluss in den Gräben sicherzustellen. Auch wenn die Mühlgräben temporär deutlich weniger Wasser als sonst führen, bedeutet das nicht, dass sich Fische und Insektenlarven nicht wohlfühlen. Denn in den Mühlgräben wechseln sich Flachwasserbereiche und Vertiefungen in der Gewässerstruktur ab, so dass bei Niedrigwasserführung sich diese Arten in Kolke und Gumpen zurückziehen können.

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