Anfrage: Maßnahmen der Verwaltung gegen Leerstand und für den Erhalt von Freiräumen

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 18. Oktober 2023

Mit der Besetzung des leerstehenden Gebäudes in der Hermann-Liebmann-Straße 108 wird wiederholt auf ein akutes Problem hingewiesen: Immer mehr selbstorganisierte soziale und kulturelle Orte, insbesondere im Leipziger Osten, werden durch Entmietung verdrängt. Jüngstes Beispiel ist das Erythrosin in der Eisenbahnstraße. Die ehemals in Bahnbesitz befindliche Hermann-Liebmann-Straße 108, die trotz vorhandenen Kaufinteresses nicht von der Stadt erworben werden konnte, dient den jetzigen Eigentümer*innen offensichtlich als Spekulationsobjekt.

Zu den dahinterliegenden Problemen des spekulativen Leerstands und den schwindenden selbstorganisierten sozialen und kulturellen Freiraum hat der Rat insbesondere auf Initiative unserer Fraktion zahlreiche Ratsbeschlüsse gefasst. Bereits 2018 wurde die Verwaltung mit der Erarbeitung einer Zweckentfremdungssatzung beauftragt. 2021 wurde die Verwaltung mit der Umsetzung des Modernisierungs- und Instandsetzungsgebots sowie mit dem Erhalt und der Schaffung sozialer, kultureller und kleingewerblicher Freiräume und der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und Gewerbe beauftragt. Im Haushalt 2023/24 haben wir 1 Mio. EUR bereitgestellt, um die niedrigschwellige Modernisierung und Instandsetzung von Wohnraum verbunden mit kulturellen und anderen gemeinwohlorientierten Nutzungen zu unterstützen. Im April 2023 wurde ein Freiraummanagement beauftragt, mit dem gemeinwohlorientierte kreative Projekte beim Erhalt und der Suche nach Räumen unterstützt werden sollen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir nach der Umsetzung der Ratsbeschlüsse.

  1. Inwiefern und mit in welchem Umfang der bereit gestellten Haushaltsmittel wurde das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot gemäß § 177 BauGB seit 2020 angewandt, um Leerstand zu beheben und welche Problemlagen gibt es bei der Umsetzung?
  2. In welchem Umfang wurden seit 2020 niedrigschwellige Modernisierungen und Instandsetzungen von Wohnraum verbunden mit kulturellen und anderen gemeinwohlorientierten Nutzungen durchgeführt und welche Problemlagen gibt es bei der Umsetzung?
  3. Welche weiteren Maßnahmen zur Behebung des Leerstands wurden seit 2020 seitens der Verwaltung ergriffen oder sind geplant?
  4. Bis wann wird die Verwaltung nach Vorliegen der rechtlichen Grundlagen im Freistaat eine Zweckentfremdungssatzung vorlegen?
  5. Bis wann wird das vom Rat beauftragte Freiraummanagement seine Tätigkeit aufnehmen?

Antwort vom 18. Oktober 2023

  1. Inwiefern und mit in welchem Umfang der bereit gestellten Haushaltsmittel wurde das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot gemäß § 177 BauGB seit 2020 angewandt, um Leerstand zu beheben und welche Problemlagen gibt es bei der Umsetzung?

Die Stelle für den Erlass von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten und die Bearbeitung von Wohnungsleerstand wurde zum Januar 2023 im Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung (AWS) besetzt. Seit 2022 führt das AWS monatlich ein bis zwei „Voranhörungen“ beziehungsweise Beratungen mit Eigentümer/innen verwahrloster Immobilien durch, um gemeinsam über die Gebäude zu beraten. Dabei wird zu bestehenden Fördermittelkulissen und Bedarfen im Quartier beraten und im besten Fall die eigenständige, freiwillige Sanierung angestoßen sowie Verkäufe thematisiert. Ende 2022 wurde außerdem ein Planungsbüro beauftragt, das die Gutachten für die im Rahmen eines Gebotserlasses erforderlichen baulichen Maßnahmen erarbeitet. Bei Vorlage dieser Gutachten, voraussichtlich Ende 2023, kann mit den Anhörungen, die Bestandteil des Verfahrens sind, begonnen werden.

Beim Erlass von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten steht die Stadt vor der Herausforderung, dass durch die massiv gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten auch der unrentierliche Anteil an den Kosten erheblich gestiegen ist, der durch die Stadt zu tragen ist. Die in diesem Haushaltsjahr bereitstehenden Mittel in Höhe von 800.000 EUR (PSP-Element „Maßnahmen der Stadterneuerung“ (1.100.51.1.1.08), Sachkonto „Besondere Verwaltungs- und Betriebsaufwendungen dezentral“ (4271 1200)) können nicht mehr gebunden und verausgabt werden. Eine Übertragung in das Jahr 2024 ist nicht möglich. Für 2024 stehen im gleichen PSP-Element 1,8 Mio. EUR zur Verfügung. Diese Summe reicht maximal für die Modernisierung bzw. Instandsetzung eines Gebäudes.

  1. In welchem Umfang wurden seit 2020 niedrigschwellige Modernisierungen und Instandsetzungen von Wohnraum verbunden mit kulturellen und anderen gemeinwohlorientierten Nutzungen durchgeführt und welche Problemlagen gibt es bei der Umsetzung?

Das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot kann Eigentümer/-innen angeordnet werden, die kooperationsunwillig sind. Mithilfe des Gebots kann nach § 177 BauGB die bestimmungsmäßige Nutzung – das Wohnen – wiederhergestellt werden. Weitere Nutzungen, wie gemeinwohlorientierte Nutzungen, lassen sich durch das Gebot nicht begründen.

Gemeinwohlorientierte Nutzungen können nur auf freiwilliger bzw. kooperativer Basis unterstützt werden. Das tut das AWS im Rahmen der Voranhörungen/Beratungen sowie innerhalb der Fördergebiete.

  1. Welche weiteren Maßnahmen zur Behebung des Leerstands wurden seit 2020 seitens der Verwaltung ergriffen oder sind geplant?

In Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt und dem Amt für Statistik und Wahlen wurde im AWS an der Erfassung nicht marktaktiver leerstehender Gebäude in einer Leerstandsliste gearbeitet. Dies wird jährlich fortgeschrieben bzw. überprüft. Auf Grundlage dieser Leerstandsliste führt das AWS die Voranhörungen/Beratungen mit Eigentümer/innen leerstehender Gebäude durch, um gemeinsam über die Gebäude zu beraten.

Im September 2023 wurde angekündigt, dass die Koalitionspartner im Freistaat Sachsen ein Gesetz für die Anwendung von Zweckentfremdungsverboten in Sachsen auf den Weg bringen. Der Gesetzesentwurf befindet sich aktuell im Anhörungsverfahren im sächsischen Landtag. Die Stadt Leipzig wurde durch den Sächsischen Städte- und Gemeindetag zu einer Stellungnahme aufgefordert. Zudem findet eine Anhörung im Landtag am 27.10.2023 statt.

  1. Bis wann wird die Verwaltung nach Vorliegen der rechtlichen Grundlagen im Freistaat eine Zweckentfremdungssatzung vorlegen?

Erst wenn das Gesetz für die Anwendung von Zweckentfremdungsverboten im Sächsischen Landtag beschlossen wurde und damit die Tatbestände von Wohnraumzweckentfremdung sowie die Rahmenbedingungen definiert sind, kann die Verwaltung eine kommunale Zweckentfremdungsverbotssatzung erarbeiten und durch den Stadtrat beschließen lassen. Zur Erarbeitung der kommunalen Zweckentfremdungssatzung sowie Implementierung des Verfahrens in der Stadtverwaltung ist derzeit eine Stelle im AWS ausgeschrieben.

  1. Bis wann wird das vom Rat beauftragte Freiraummanagement seine Tätigkeit aufnehmen?

Die Vorlage zur Schaffung und Finanzierung eines Kompetenzzentrums für die freie Kunst und Kultur in Leipzig ist in Erarbeitung. Das Kulturdezernat plant, die Vorlage im 1. Quartal 2024 in das Ratsverfahren einzubringen.

Ein Leistungsmodul des Kompetenzzentrums soll die Bündelung und professionelle Umgestaltung des Freiraummanagements für künstlerisch-kulturell nutzbare Flächen und Räume werden. Aufbauend auf bereits existierenden Angeboten und Datensammlungen, wie dem Freiraumfinder, dem Citymanagement des Amtes für Wirtschaftsförderung oder dem Atelierfinder des Bundes Bildender Künstler/-innen Leipzig, sollen private und öffentliche Räume und Flächen aktuell erfasst und für potenzielle Nutzer/-innen aufbereitet werden.

Sollte die Vorlage beschlossen werden, ist mit einer Arbeitsaufnahme des Kompetenzzentrums im Jahr 2024 zu rechnen. Das Leistungsmodul Freiraummanagement wird anschließend in Abhängigkeit von den vorhandenen Personalressourcen im Kompetenzzentrums etabliert.

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