Anfrage: Mehr Sicherheit auf der S46 im Leipziger Südwesten

Anfrage vom 11. Oktober zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 30. Oktober

Am 5. September hat es auf der Rippachtalstraße einen schweren Unfall gegeben, als ein unbedacht überholendes Auto in den Gegenverkehr geraten ist.

Die Rippachtalstraße ist insbesondere zwischen Gerhard-Ellrodt- und Albersdorfer Straße aber und auch im Abschnitt zwischen Albersdorfer Straße und Rehbacher Straße von langgezogenen Kurven gekennzeichnet. Ein Überholverbot herrscht dort nicht, eine Geschwindigkeitsbegrenzung lediglich im Bereich vor den Einmündungen.

Auf diesen Straßenabschnitten ist es in den vergangenen Jahren bereits mehrfach zu Unfällen unterschiedlicher Art gekommen. Die Problematik, dass die eingeschränkte Sichtweite aufgrund der Straßenführung ein Überholen bei hohem Tempo deutlich erschwert, führte schon des Öfteren dazu, dass es nur durch großes Glück nicht schon eher zu ähnlich schweren Unfällen mit überholenden Autos wie dem am 5. September gekommen ist.

Aus Sicht unserer Fraktion hätte der Unfall vermeidbar sein müssen. Bereits 2016 schilderte unsere Fraktion gegenüber der Straßenverkehrsbehörde genau diese Problematik aufgrund eigenen Erlebens und forderte dazu die Prüfung der Anordnung eines Überholverbotes in den beiden Straßenabschnitten. Dies wurde jedoch abgelehnt, weil einerseits diese Straße nicht als Unfallschwerpunkt deklariert sei und andererseits die StVO zum sparsamen Umgang mit Verkehrsschildern auffordert.

Der neuerliche Unfall bestätigt unsere damalige Befürchtung und legt den Schluss nahe, dass man zur Gefahrenabwehr hätte längst handeln müssen.

2016 wurde das Überholverbot noch abgelehnt mit u.a. folgender Begründung: Grundsätzlich kann nur bei einer klaren Verkehrslage überholt werden. Eine klare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende mit einem gefahrlosen Überholvorgang rechnen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Überholstrecke übersichtlich ist bzw. die Entwicklung der Verkehrslage bei Einleitung des Überholvorgangs verlässlich beurteilt werden kann.“

Wir fragen deshalb an:

  1. Wäre der Unfall durch die Anordnung eines Überholverbotes vermeidbar gewesen?
  2. Wer entscheidet auf welcher Grundlage, ob eine klare Verkehrslage vorliegt und die/der Überholende mit einem gefahrlosen Überholvorgang rechnen kann, d.h. die Überholstrecke übersichtlich ist?
  3. Ist der Behörde bewusst, dass zahlreiche Menschen von gleichermaßen erlebten Gefahrensituationen mit unbedacht überholendem Gegenverkehr konfrontiert waren und entsprechende Straßenabschnitte seitdem meiden?
  4. Kommt die Straßenverkehrsbehörde bei der neuerlichen Prüfung der Anordnung eines Überholverbotes in den beiden Straßenabschnitten zum gleichen Prüfergebnis wie 2016?
  5. Welche Maßnahmen der Gefahrenvorsorge hält die Straßenverkehrsbehörde für notwendig, um entlang der Rippachtalstraße künftig die Zahl der Unfälle zu verringern und wann erfolgt eine entsprechende Umsetzung?
  6. Warum schöpft die Stadt die Handlungsmöglichkeiten der StVO zur Vermeidung von Gefahren nicht aus? Auf welcher Grundlage übt die Stadt ihr Ermessen zur Einschätzung einer Gefahrenlage aus, wenn etwa bei der ursprünglichen Verkehrslage auf dem Leipziger Promenadenring Schilder aufgestellt werden, ohne dass die Stadt Zahlen zur besonderen Gefahr hat und andererseits trotz bestehender Gefahr keine Anordnungen getroffen werden?
  7. Welche übrigen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr schöpft die Stadt aus, um zukünftige Unfallsituationen und gefahrträchtige Lagen zu verhindern?


Antwort der Verwaltung vom 30.10.2019

Die Fragen zur Verkehrssicherheit auf der S46 im Leipziger Südwesten können folgendermaßen beantwortet werden:

Zu 1.)
Grundsätzlich darf nach StVO nur bei einer klaren Verkehrslage überholt werden. Eine klare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende mit einem gefahrlosen Überholvorgang rechnen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Überholstrecke übersichtlich ist bzw. die Entwicklung der Verkehrslage bei Einleitung des Überholvorgangs verlässlich beurteilt werden kann.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf gem. § 5 StVO ohnehin nicht überholt werden. Bei dem aufgeführten Unfall waren die Voraussetzungen für einen gefahrlosen Überholvorgang nicht gegeben. Somit durfte auch ohne die Anordnung des Verkehrszeichens V 276 (Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art) nicht überholt werden.

Zu 2.)
Im § 4 der StVO ist geregelt wann und wie überholt werden kann. Dabei obliegt dem Fahrer die Bewertung der Verkehrslage.  
Unklar ist eine Verkehrslage, wenn auf der gesamten Länge der Überholstrecke mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht gerechnet werden kann. Dies kann sich aus dem Verkehrsvorgang (z.B. Verhalten oder Länge der vorausfahrenden Fahrzeuge), aus den Fahrbahnverhältnissen (z.B. nicht einsehbare Kurven, Kuppen, Engstellen, Wechsel im Fahrbahnbelag), aus den Witterungs- und Beleuchtungsverhältnissen (z.B. Regen, Nebel, Dämmerung) oder aus dem nicht einschätzbaren Verhalten andere Verkehrsteilnehmer ergeben.

Zu 3.)
Besondere Probleme im betroffenen Abschnitt der Rippachtalstraße waren bisher nicht erkennbar und wurden auch nicht an die Verwaltung herangetragen.

Zu 4.)
Die Straßenverkehrsbehörden sind angehalten, Verkehrszeichen sehr sparsam zu verwenden. Verkehrszeichen sollen nach den §§ 39 (1) und 45 (9) StVO unter Berücksichtigung der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtungen, die allgemeinen Verhaltensvorschriften der StVO – hier das Überholen – eigenverantwortlich zu beachten, nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist.
Bei dem aufgeführten Unfall handelt es sich um einen Einzelfall im Rahmen des gegebenen Grundrisikos bei der Teilnahme am Straßenverkehr, welcher vermeidbar gewesen wäre, da sich zunächst Verkehrsteilnehmer an die für alle geltenden Regeln zu halten haben. Ein erhöhtes Unfallrisiko besteht nicht. Für den betroffenen Straßenabschnitt liegen uns von der Polizeidirektion keine Hinweise zu einer erhöhten Unfallentwicklung vor. In 4 Jahren gab es 3 Überholunfälle auf der gesamten Strecke. Der aufgeführte Kurvenbereich ist somit keine Unfallhäufungsstelle, so dass keine Gefahrenlage erkennbar ist, die das allgemeine Risiko übersteigt.
Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Örtlichkeit gerade nicht zwangsläufig zu Unfällen führt. Der Kurvenbereich ist rechtzeitig und eindeutig als solcher erkennbar. Damit liegen keine besonderen Umstände vor, die die Fahrzeugführer daran hindern, ihre Eigenverantwortung bezüglich geltender Rechtsvorschriften zum Überholen wahrzunehmen.
Ein Überholverbot kann nicht mit der Begründung angeordnet werden, dass die bereits vorhandenen allgemeinen Vorschriften nicht ausreichend sind bzw. von einzelnen Fahrzeugfahrern nicht beachtet werden. Somit gibt es keine Grundlage für die Anordnung weiterer Maßnahmen.

Zu 5.) 
Ein vorsorgendes Prinzip zur Unfallvermeidung besteht bereits durch die Regelungen der StVO. Einzelne Unfälle sind jedoch nie ganz zu vermeiden und in der Regel auf die Fehler der Verkehrsteilnehmer zurückzuführen. Erst mehrere Unfälle des gleichen Typs an der gleichen Stelle lassen den Schluss zu, dass die Ursache an der Verkehrsanlage an sich liegen könnte. Während gegen einzelne Unfälle nicht präventiv vorgegangen werden kann, können an sogenannten Unfallhäufungsstellen Verbesserungen der Situation angestrebt werden. Dazu müssen diese jedoch zuerst von der Polizei festgestellt werden.

Zu 6.)
Die Anordnung von Zeichen 276 Überholverbot StVO erfolgt auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift zu § 41 Vorschriftzeichen. Das Zeichen ist nur dort anzuordnen, wo die Gefährlichkeit des Überholens für den Fahrzeugführer nicht ausreichend erkennbar ist.
Der betreffende Kurvenbereich ist allerdings rechtzeitig und eindeutig als solcher erkennbar. Damit liegen keine besonderen Umstände vor, die die Fahrzeugführer daran hindern, ihre Eigenverantwortung bezüglich geltender Rechtsvorschriften zum Überholen wahrzunehmen.

Zu 7.)
Der betroffene Abschnitt der Rippachtalstraße wird gemeinsam mit der Polizei weiterhin beobachtet und falls erforderlich weitere Maßnahmen ergriffen.

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