Anfrage: Mein Leipzig les‘ ich mir – frühe Leseförderung

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 13. Dezember 2023

Lesen ist Teil unserer Kultur; Kindern Freude am Lesen zu vermitteln und sie ans regelmäßige Lesen von Büchern heranzuführen, muss eine noch höhere Priorität erlangen. Wertvolle Kinderbücher, die Inhalte als zusammenhängende Geschichten vermitteln, regen die Vorstellungskraft an und stärken Wortschatz und sprachliche Fähigkeiten, fördern Empathie, Toleranz, Wissen – und machen glücklich. Unser Fokus muss daher darauf liegen, das Lesen so früh wie möglich umfassend zu fördern.

Die in diesem Jahr veröffentlichten Ergebnisse der IGLU-Studie 2021 zeigen: Die Leseleistungen der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland sind seit 2016 und gegenüber der ersten Erhebung vor 20 Jahren zurückgegangen. Der Studie zufolge wird in deutschen Schulen ca. 140 Minuten pro Woche gelesen; der Durchschnitt der OECD-Staaten insgesamt liegt bei ca. 200 Minuten. [1] Die §16i-Stellen für die Teilhabe am Arbeitsmarkt - häufig eingesetzt für Personal in Schulbibliotheken – laufen zum 31.12.2024 aus. Mit dem Ratsbeschluss VI-P-05931-DS-03 hat der Stadtrat beschlossen, eine schrittweise Übernahme des schulbibliothekarischen Personals aus arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in eine Festanstellung bei der Stadt zu ermöglichen, wenn die fachliche und persönliche Eignung während des Maßnahmezeitraums nachgewiesen werden konnte. Für die dort eingesetzten geförderten Beschäftigten kommt insofern zwar die Einbindung in das vorliegende Personalentwicklungskonzept in Betracht, um sie auch für mögliche andere Aufgabenbereiche zu qualifizieren. Jedoch wäre es wichtig, die Betreuungssituation der Schulbibliotheken zu klären und eine Weiterbeschäftigung sowie weitere Qualifizierung in diesem Bereich zu erreichen.

 

Wir fragen an:

  1. Wie ist die Einschätzung der Stadt in Bezug auf den aktuellen Stand der Leseförderung insbesondere in der außerschulischen Lesezeit bei Grundschulkindern?
  2. Wie kann die Sichtbarkeit der vielfältigen Angebote sowohl der Stadtbibliothek als auch von soziokulturellen Zentren und Vereinen im Bereich Leseförderung erhöht werden?
  3. Welchen Anteil hat oder hatte das Thema Leseförderung bisher beim Runden Tisch kulturelle Bildung? Falls es keinen Anteil hatte – wird sich der Runde Tisch in Zukunft mit dem Thema (früher) Leseförderung befassen?
  4. Welches Potenzial sieht die Verwaltung in der Übernahme bewährten Personals der Schulbibliotheken nach Auslauf der Förderung in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis und welche Voraussetzungen werden hierfür geschaffen?
  5. Wie ist die Zusammenarbeit von Schulamt, Stadtbibliothek und Schulbibliothekarischer Arbeitsstelle in Hinblick auf die Verzahnung der Angebote und den Wissenstransfer im Bereich Leseförderung?

 

[1] https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/iglu-studie-lesekompetenz-der-viertklaessler-verschlechtert-sich-deutlich/

Antwort der Stadtverwaltung

  1. Wie ist die Einschätzung der Stadt in Bezug auf den aktuellen Stand der Leseförderung insbesondere in der außerschulischen Lesezeit bei Grundschulkindern?

Entsprechende Statistiken liegen für Leipzig nicht vor. Wesentliche Ergebnisse der aktuellen IGLU-Studie sind jedoch auch in Leipzig zu beobachten, so z.B. der zunehmende Unterschied zwischen lesestarken und -schwachen Schülerinnen und Schülern und der große Einfluss der sozialen Herkunft auf die Lesekompetenzen. Letztgenannter Befund wird auch durch die aktuelle Internationale Schulleistungsstudie der OECD (PISA 2022) bestätigt. Leseförderung muss demzufolge besonders Kinder in den Blick nehmen, welche sozial weniger privilegiert aufwachsen und welche zuhause nicht oder wenig deutsch sprechen.

Der Schlüssel zu mehr Lesekompetenz ist die Lesemotivation bzw. der gesamte Kontext einer Lesesozialisation. Erster Ansprechpartner für die Förderung von Lesekompetenz sind die Schulen. Schulbibliotheken und Leseräume auf der einen, sowie die Leipziger Städtischen Bibliotheken auf der anderen Seite sind weitere zentrale Einrichtungen, um diese Motivation zu wecken und Lesesozialisation zu begleiten und anzuregen.

Von den insgesamt 149 Schulen in Trägerschaft der Stadt Leipzig verfügen aktuell 58 über Schulbibliotheken, die in den Verbund der Leipziger Schulbibliotheken und Leseräume integriert sind und fachlich durch die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle im Amt für Schule betreut werden. In derzeit 24 Leseräumen an Grund-, Ober- und Förderschulen werden Schülerinnen und Schüler neben Lesefördermaßnahmen im Unterricht durch die Bereitstellung aktueller Kinder- und Jugendliteratur zusätzliche Leseförderangebote unterbreitet. So wurden im Schuljahr 2022/23 in den Schulbibliotheken und Leseräumen allein 1.583 Angebote speziell zur Leseförderung durchgeführt, an denen 10.432 Schülerinnen und Schüler teilnahmen.

Die Leipziger Städtischen Bibliotheken bieten eine Vielzahl von Aktionen, Beratungsangebote, Veranstaltungen und Projekte zur Leseförderung an. Neben Highlight-Aktionen steht die kontinuierliche Arbeit in die Fläche für alle Kinder der Stadt im Fokus, um soziale Ungleichheiten abfedern, sich auf die Bedarfe möglichst spezifisch ausrichten und auf Motivationsdefizite mit attraktiven Angeboten reagieren zu können.

Eine Initialzündung kann durch attraktive Veranstaltungsformate, aber auch durch freie niedrigschwellige Angebote erfolgen (z.B. kostenlose Bibliotheksausweise, Leseförderprojekte Buchsommer Junior / Buchsommer Sachsen, Lesefest in Leichter Sprache, Lesestart 1-2-3 der Stiftung Lesen etc.). Die Städtischen Bibliotheken unterstützen die Leseförderung in den Schulen mit aktuellen und zielgruppengemäßen Lesestoffen. Die mehr als 200 Klassensätze und 55 Medienzusammenstellungen wurden in Abstimmung mit pädagogischen Fachkräften und der Zielgruppe erworben und bereitgestellt. Die Zusammenstellung wird schuljährlich evaluiert. Mehr als 1.000 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche fanden im Jahr 2022 an den Standtorten der Städtischen Bibliotheken statt. Der Klassenerfassungsgrad von 40% wird nach Corona wieder erreicht.

  1. Wie kann die Sichtbarkeit der vielfältigen Angebote sowohl der Stadtbibliothek als auch von soziokulturellen Zentren und Vereinen im Bereich Leseförderung erhöht werden?

Orte, die Kinder/Familien aufsuchen, sind gute Verteilstationen zur besseren Sichtbarkeit freier Angebote (Schulen, Horte, Kitas, Familienzentren, Bürgerämter, Gesundheitsamt, Vereine, Sammelunterkünfte etc.). Darüber hinaus könnte über Social-Media-Kanäle und die Website der Stadt – möglichst mehrsprachig – zielgruppenorientiert informiert werden. Die Informationen sollten gesammelt zum Thema „Lesen/Leseförderung in Leipzig“ und nicht nach Institutionen und Sparten sortiert zur Verfügung gestellt werden.

Die Leipziger Städtischen Bibliotheken agieren bei den gruppen- und klassengebundenen Angeboten erfolgreich über Direktkontakte zu pädagogischen Fachkräften. „Postwurfsendungen“ u.a. an Sekretariate oder digital über die Kanäle des Landesamtes für Schule und Bildung haben in der Vergangenheit leider keinen Erfolg gebracht. Darüber hinaus werden spezielle Info-Veranstaltungen für Eltern angeboten.

  1. Welchen Anteil hat oder hatte das Thema Leseförderung bisher beim Runden Tisch kulturelle Bildung? Falls es keinen Anteil hatte – wird sich der Runde Tisch in Zukunft mit dem Thema (früher) Leseförderung befassen?

Der Jour Fix kulturelle Bildung wird sich mit dem Thema in einem seiner nächsten Treffen beschäftigen.

  1. Welches Potenzial sieht die Verwaltung in der Übernahme bewährten Personals der Schulbibliotheken nach Auslauf der Förderung in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis und welche Voraussetzungen werden hierfür geschaffen?

Bereits 2018 hat die Ratsversammlung beschlossen (VI-P-05931-ÄA-02), dass die Stadt Leipzig eine schrittweise Übernahme schulbibliothekarischen Personals aus arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in eine Festanstellung bei der Stadt ermöglicht, wenn die fachliche und persönliche Eignung während des Maßnahmezeitraums nachgewiesen werden konnte. Seit 2020 kommen die Mitarbeitenden in der öffentlich geförderten Beschäftigung in Schulbibliotheken/Leseräumen auch für die Einbindung in das Personalentwicklungskonzept (VI-A-06365-NF-02-Ifo-01) in Betracht, um sie auch für mögliche andere Aufgabenbereiche zu qualifizieren.

In der Regel haben die geförderten Mitarbeitenden in den Schulbibliotheken/Leseräumen keine beruflichen Abschlüsse bzw. nur zu einem geringen Anteil Vorerfahrungen in einer pädagogischen bzw. bibliothekarischen Arbeit. Im Rahmen der geförderten Beschäftigung wird mit den Mitarbeitenden ein Weiterbildungs- bzw. Qualifizierungsplan erarbeitet. Dieser wird im Rahmen von § 16i SGB II in Höhe von 3.000 EUR realisiert. Ziel ist, dass die Mitarbeitenden nach Ablauf der Förderung einschlägige Berufserfahrungen nachweisen können. Entsprechend TVöD-L § 16 Abs. 2 sind einschlägige Berufserfahrungen berufliche Erfahrungen in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. D.h. einschlägig sind Berufserfahrungen, wenn der Beschäftigte aufgrund einer gleichwertigen Tätigkeit im früheren Arbeitsverhältnis nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann.

Drei ehemals geförderte Mitarbeitende wurden bislang fest in Schulbibliotheken angestellt (09/2022 und 02/2023), da sie diese Anforderungen erfüllten.

Derzeit wird ein Konzept zur Priorisierung der künftigen Besetzung von Schulbibliotheken und Leseräumen erarbeitet, welches im ersten Quartal 2024 vorliegen soll. Darin werden alle Beschäftigungs- und Tätigkeitsformen in den Blick genommen.

5. Wie ist die Zusammenarbeit von Schulamt, Stadtbibliothek und Schulbibliothekarischer Arbeitsstelle in Hinblick auf die Verzahnung der Angebote und den Wissenstransfer im Bereich Leseförderung?

Die Leipziger Städtischen Bibliotheken sind im Beirat Leipziger Schulbibliotheken vertreten. Es besteht ein regelmäßiger Austausch zur Bewerbung von Leseförderprojekten wie den Buchsommer-Projekten und Veranstaltungen, zur Angebotsabstimmung und Fachberatung. Die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle informiert die Schulen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schulbibliotheken und Leseräumen laufend zu den Angeboten der Städtischen Bibliotheken für Schulen.

Alle in den Schulbibliotheken und Leseräumen Tätigen werden angehalten, den Kontakt zu der nächstgelegenen Stadtteilbibliothek bzw. zur Stadtbibliothek zu pflegen, gemeinsame Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler durchzuführen sowie Information zu den Angeboten auszutauschen. Seit 2021 arbeitet das Amt für Schule im Rahmen einer AG zur Planung eines zweiten Bücherbusses zur Versorgung von Grundschulen und Kindertagesstätten eng mit den Städtischen Bibliotheken zusammen.

Die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle selbst unterbreitet den in Schulbibliotheken Beschäftigten sowie Lehrkräften Fortbildungen in den Bereichen Bibliotheks- und Medienpädagogik.

Zurück