Anfrage: Mietwucher, Müllberge, Räumungsklagen und Verwertungskündigungen – wird Geschäftspraxis „Skandal-WG“ wird trotz behördlichem Druck weitergeführt?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 25. Juni 2025


Nachdem bereits die „Skandal-WG“ in der Demmeringstraße 100 für Schlagzeilen und behördliches Eingreifen gesorgt hat, wird diese Geschäftspraxis seitens der dafür verantwortlichen Unternehmer offenbar ungebrochen fortgesetzt.

In zwei Immobilien in der Arthur-Hoffmann-Straße 93 und der Georg-Schumann-Straße 155 wurden durch die Schwarzat Capital GmbH bzw. die LeiWo Hausverwaltungsgesellschaft mbH Verwertungskündigungen ausgesprochen. Grund dafür sind Spekulationsabsichten der Besitzer, die in beiden Fällen die gleichen sind. Ein Weiterverkauf mit Bestandsmieter*innen in den Wohnungen würde eine Gewinnmaximierung verhindern. Laut einem Bericht in der Leipziger Volkszeitung vom 20. April 2025 habe die Schwarzat Capital GmbH eine Beispielwohnung in der Georg-Schumann-Straße für 55.000 EUR gekauft und beabsichtige den Verkauf der im Zweifel zwangsberäumten Wohnung für 180.000 EUR. Als Abfindung für den freiwilligen Auszug seien 5.000 EUR angeboten worden. In der Arthur-Hoffmann-Straße habe die LeiWo Hausverwaltungsgesellschaft mbH laut LVZ angekündigt, eine Beispielwohnung sogar für 320.000 EUR verkaufen zu wollen. Die Vermieter setzen die Mieter*innen auch durch das Abschalten von Medien (Wasser und Strom) sowie durch Vermüllung unter Druck. Auch Räumungsklagen wurden angestrengt.

Ein Weiterverkauf der jeweiligen Objekte gilt als offizielle Begründung für diese Entmietungspraxis. Es besteht allerdings der begründete Verdacht, dass Wohnungen nach Leerzug nicht weiterverkauft, sondern durch die Schwarzat Capital GmbH oder andere Unternehmen der betreffenden Personen umgebaut und als WGs mit Minizimmern weitervermietet werden sollen – Geschäftsmodell „Skandal-WG“. Dies sei in einzelnen Wohnungen auch bereits passiert, berichtet die LVZ. Auf dem Portal wg-gesucht.de ist für die Immobilie in der Arthur-Hoffmann-Straße eine Anzeige zu finden, die sechs kleine Zimmer zu horrenden Mietpreisen anpreist. Die Mieten für die Zimmer zwischen 8 und 12 m2 liegen zwischen 35 €/m2 und 41,88 €/m2. Ein ähnliches Angebot war auch für eine Wohnung in der Georg-Schumann-Straße online zu finden.

Wir fragen:

  1. Kennt die Stadtverwaltung die beschriebenen Vorgänge in der Arthur-Hoffmann-Straße und der Georg-Schumann-Straße?
  2. Welche weiteren Schritte wurden im Fall der Demmeringstr. 100 unternommen bzw. sind geplant?
  3. Sind der Verwaltung weitere solche Fälle bzw. weitere Sachverhalte in den beschriebenen Fällen bekannt?
  4. Welche Schritte wurden durch die Stadtverwaltung bislang konkret unternommen, um den Machenschaften der Vermieter entgegenzutreten?
  5. Ist aus Sicht der Verwaltung in den vorliegenden Fällen eine Verwertungskündigung rechtens?
  6. Welche ggf. bundesrechtlichen Schritte sind aus Sicht der Verwaltung notwendig, um Verwertungskündigungen einzuschränken?
  7. Wurden in Anbetracht der angebotenen Mieten zwischen 35 €/m2 und 41,88 €/m2 Schritte im Sinne § 291 StGB oder § 5 WiStrG angestrengt? Wenn nein, beabsichtigt die Verwaltung dies zu tun?
  8. Liegt aus Sicht der Verwaltung eine Zweckentfremdung vor, wenn Wohnungen in den Immobilien entmietet werden und dann längere Zeit leer stehen? Wenn ja, hat die Stadt hier Schritte zur Ahndung der Zweckentfremdung aufgenommen?
  9. Ist aus Sicht der Stadtverwaltung mit dem oben beschriebenen wiederholten Vorgehen der Umstand einer unlauteren Geschäftspraxis gegeben und welche Konsequenzen, z.B. Entzug der Gewerbeerlaubnis o.a. sind damit verbunden?

Antwort der Verwaltung vom 24. Juli 2025

  1. Kennt die Stadtverwaltung die beschriebenen Vorgänge in der Arthur-Hoffmann-Straße und der Georg-Schumann-Straße?

Dem Sozialamt und dem Ordnungsamt liegen bisher keine Meldungen zu den genannten Anschriften vor. Für das Gebäude in der Georg-Schumann-Straße 155 wurde ein Bauantrag im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege eingereicht und wird derzeit bearbeitet. Zu den genannten Immobilien sind auch keine Fälle von Kündigungen bekannt. Beide Objekte liegen außerhalb der Gebiete mit Sozialer Erhaltungssatzung.

  1. Welche weiteren Schritte wurden im Fall der Demmeringstr. 100 unternommen bzw. sind geplant?

Durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege wurde ein Bescheid auf Nutzungsuntersagung ausgestellt. Durch das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung wird im Vollzug der Sozialen Erhaltungssatzung Alt-Lindenau eine Ordnungswidrigkeitsanzeige geprüft.

In der 25. KW wurde ein Bauantrag zur Nutzungsänderung im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege eingereicht. Der Antrag wurde zurückgegeben, da er in der falschen Verfahrensart eingereicht wurde und das Antragsverfahren eingestellt.

  1. Sind der Verwaltung weitere solche Fälle bzw. weitere Sachverhalte in den beschriebenen Fällen bekannt?

Der Stadtverwaltung ist bekannt, dass die United Capital RE GmbH, deren Rechtsnachfolger und/oder die einzelnen (ehemaligen) Geschäftsführer selbiger Firma an der Praxis des Aufkaufs von Immobilien zwecks Umgestaltung in sog. Studierendenapartments, auch unter Missachtung der Prämissen der Sozialen Erhaltungssatzung, festhalten und sich daraus für Mieter/-innen in den betreffenden Häusern der Wohnkomfort und damit die Mieten deutlich ändern.

Im Vollzug der Sozialen Erhaltungssatzungen sind weitere bauliche Änderungen von United Capital, deren Rechtsnachfolger und/oder Geschäftsführer registriert worden. Diese sind zunächst im Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung in der Vorprüfung. Weitere Angaben können mit Blick auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte, aus verfahrensrechtlichen Gründen und den hiermit verbundenen datenschutzrechtlichen Belangen nicht getroffen werden.

Dem Sozialamt liegen zahlreiche Meldungen von Mietpreisüberhöhung bzw. Mietwucher vor, die noch nicht abschließend geprüft und ausgewertet werden konnten.

  1. Welche Schritte wurden durch die Stadtverwaltung bislang konkret unternommen, um den Machenschaften der Vermieter entgegenzutreten?

Im Sozialen Erhaltungsrecht sind unter anderem Vorhaben der Nutzungsänderung und der baulichen Änderung genehmigungspflichtig. Dies gilt auch für nicht baugenehmigungspflichtige Vorhaben. Bauliche Maßnahmen ohne entsprechende erhaltungsrechtliche Genehmigung können als Ordnungswidrigkeit gelten und mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

Zwischenzeitlich wurde zu einem Vorhaben im Satzungsgebiet Am Lene-Voigt-Park das Ordnungswidrigkeitsverfahren abgeschlossen. Zu zwei weiteren Vorhaben im Satzungsgebiet Eisenbahnstraße sowie im Satzungsgebiet Am Lene-Voigt-Park laufen Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Zu einem Vorhaben im Satzungsgebiet Am Lene-Voigt-Park (ungenehmigte bauliche Änderung einer Wohnung), bei dem das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege eine Rückbauverfügung erlassen hat, befindet sich ein Widerspruchverfahren zur Anordnung in Bearbeitung.

  1. Ist aus Sicht der Verwaltung in den vorliegenden Fällen eine Verwertungskündigung rechtens?

Die Stadtverwaltung Leipzig bewertet keine zivilrechtlichen Einzelfälle.

  1. Welche ggf. bundesrechtlichen Schritte sind aus Sicht der Verwaltung notwendig, um Verwertungskündigungen einzuschränken?

Die Regelungen zur Verwertungskündigung sind im BGB verankert und fallen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die Stadt Leipzig ist nicht zuständig und führt keine rechtspolitische Bewertung zu derartigen Sachverhalten durch.

  1. Wurden in Anbetracht der angebotenen Mieten zwischen 35 €/m2 und 41,88 €/m2 Schritte im Sinne § 291 StGB oder § 5 WiStrG angestrengt? Wenn nein, beabsichtigt die Verwaltung dies zu tun?

Für die Verfolgung und Ahndung einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ist zunächst eine Meldung der betroffenen Mieter/-innen notwendig. Das Meldeformular steht unter www.leipzig.de/mietwucher zur Verfügung.

  1. Liegt aus Sicht der Verwaltung eine Zweckentfremdung vor, wenn Wohnungen in den Immobilien entmietet werden und dann längere Zeit leer stehen? Wenn ja, hat die Stadt hier Schritte zur Ahndung der Zweckentfremdung aufgenommen?

Bei einem Leerstand einer Wohnung von mehr als zwölf Monaten liegt in Leipzig der Tatbestand der Zweckentfremdung vor. Unerheblich ist dabei, was zum Leerstand geführt hat – zum Beispiel eine Entmietung. Ein nach der Zweckentfremdungsverbotssatzung begründeter Leerstand von mehr als zwölf Monaten – etwa im Fall eines zügigen Umbaus, einer Instandsetzung oder Modernisierung – kann zudem eine Ausnahme darstellen.

  1. Ist aus Sicht der Stadtverwaltung mit dem oben beschriebenen wiederholten Vorgehen der Umstand einer unlauteren Geschäftspraxis gegeben und welche Konsequenzen, z.B. Entzug der Gewerbeerlaubnis o.a. sind damit verbunden?

Gewerberechtlich kann eine Unzuverlässigkeit erst mit einer rechtskräftigen Verurteilung geprüft und erteilt werden. Allein der Verdacht oder die Vermutung ist für eine gewerberechtliche Maßnahme nicht ausreichend.

 

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