Anfrage: Mikroklimatische Auswirkungen von Bauvorhaben

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 19. November 2019

Bauvorhaben der Nachverdichtung sind in Leipzig regelmäßig Thema in der öffentlichen Diskussion. Die klimaverträgliche Nachverdichtung im Bestand hat Priorität vor einer Außenentwicklung. Besonders bei Anwohnerinnen und Anwohnern besteht jedoch die Sorge, dass sich die mikroklimatische Situation nachteilig verändert. Durch Bauvorhaben der Nachverdichtung werden häufig kleinere Grünflächen überbaut. Dies führt zum Verlust gewachsener Grünstrukturen. Eine schlechtere Durchlüftung oder weniger Tageslicht können weitere Folgen sein.

Die Stadt will mit ihrer Anpassungsstrategie an den Klimawandel “Schäden und Risiken für die Bewohnerinnen und Bewohner, die Natur oder Sachgüter, wie Gebäude oder Infrastruktur, verringern” (Seite 18, Verwaltungsdrucksache “Klimawandel - Anpassungsstrategien für Leipzig”).

Ob und wie diese Punkte in einem Baugenehmigungsverfahren und/oder bei Bauberatungen berücksichtigt werden ist daher von großem Interesse.

Wir fragen den Oberbürgermeister:

  1. Findet im Rahmen der Bearbeitung von Baugenehmigungen eine Prüfung im Hinblick auf mikroklimatische Auswirkungen statt?
  2. Wenn nicht, wäre eine solche Beurteilung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens rechtlich möglich?
  3. Inwiefern werden bzw. wurden - spätestens seit der Leipziger Anpassungsstrategie an den Klimawandel - Klimaschutz- und Klimaanpassungskriterien bei städtebaulichen und hochbaulichen Ideen- und Realisierungswettbewerben sowie bei städtebaulichen Gutachterverfahren aufgenommen? Welche Erfolge können festgestellt werden? Wo bedarf es zusätzlicher Anstrengungen?
  4. Welche zusätzlichen Möglichkeiten gibt es, um auf eine klimagerechte Planung und Realisierung von Gebäuden hinzuwirken?
  5. Weshalb verfolgt die Verwaltungsspitze bei Nachverdichtungen von Bauvorhaben auf “privaten” Grundstücken bislang nicht eine Kompensation im öffentlichen Raum in unmittelbarer Umgebung?



Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung vom 19. November 2019

zu 1. und 2.:

Nachverdichtunghen sind i.d.R. Vorhaben, die nach §34 BauGB zu beurteilen sind. Eine Prüfung auf mikroklimatische Auswirkungen findet hier im Rahmen der Prüfung und Erteilung von Baugenehmigungen nicht statt, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Sie ist mangels gesetzlicher Grundlage somit auch nicht möglich, da der Prüfungsumfang gesetzliche vorgegeben ist.
In der neu eingerichteten Bauberatung und den erweiterten Beratungsmöglichkeiten können sich Bauherren darüber informieren, welche Voraussetzungen zur Erteilung einer Baugenehmigung notwendig sind. Darüber hinaus können Bauherren auf freiwilliger Basis weitergehende Maßnahmen zum Umweltschutz planen und umsetzen, die unabhängig von der Baugenehmigung zu betrachten sind. Diese unterliegen dann jedoch nicht der Baugenehmigungspflicht und sind daher auch nicht in der Vollzugskontrolle der Bauaufsicht.

zu 3.:
Es ist einerseits zu unterscheiden zwischen der Ebene der Vorhabenzulassung (Baugenehmigungsverfahren) und ggf. vorgelagerten Schritten (Wettbewerbe und Gutachterverfahren) sowie, ob es sich um private oder eigene kommunale Vorhaben handelt. Bei letzteren ist die Stadt frei (ausgenommen ggf. förderrechtliche Einschränkungen), welche Kriterien sie ansetzt und wie gewichtet. Allerdings stellen eigene kommunale Vorhaben den geringsten Teil des Baugeschehens in der Stadt. Bei privaten Vorhaben hat der Bauherr mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben einen Anspruch auf Entscheidung. Eine Steuerung ist auf der Vorhabenzulassungsebene nicht mehr möglich, da es hier um den gleichmäßigen Vollzug der Baugesetze geht.
Bei städtebaulichen Ideen- und Realisierungswettbewerben die in Zusammenhang mit Bauleitplanverfahren durchgeführt werden, sind Anforderungen zur Energieeinsparung und des Klimaschutzes Standard im Verwaltungshandeln. Beispielhaft seien hier die folgenden Wettbewerbsverfahren genannt: „Krystallpalastareal“, „Westseite des Hauptbahnhofes“ und „Eutritzscher Freiladebahnhof“ sowie der nichtoffene, städtebauliche Ideenwettbewerb mit Realisierungsteil „Stadtquartier an der Kolmstraße" in Leipzig-Stötteritz.

Den Themen Nachhaltigkeit und klimaorientiertes Bauen wurde ein hoher Stellenwert beigemessen. So stellten die Aspekte Nachhaltigkeit und klimagerechtes Bauen für den letztgenannten Wettbewerb eigenständige Bewertungskriterien dar, die auch in den nachfolgenden Planungsebe-nen z.B. durch die Erarbeitung eines Energiekonzeptes weiterverfolgt werden.
Bei Realisierungswettbewerben im unbeplanten Innenbereich für Ein-zelvorhaben, wie eine Baulückenschließung, finden in der Regel allgemeine städtebauliche Kriterien die auch dem Klimaschutz dienen, wie Dachbegrünung, Verschattungen, Begrünung von Hofflächen, keine oberirdischen Stellplätze, etc. Eingang in die Aufgabenstellung.
Erfolge sind nur schwer "messbar", da es in einem Wettbewerb letztlich darum geht, die unter Berücksichtigung aller Aspekte, insbesondere aber im Hinblick auf funktionale, freiräumlich-städtebauliche und gestalterische Fragen die insgesamt beste Lösung zu finden.
In besonderer Weise werden seit geraumer Zeit zusätzliche Anstrengungen im Hinblick auf das Thema "Nachhaltige Mobilität" unternommen und mit Vorhabenträgern erarbeitet. Da mit neuen Planungsvorhaben einerseits ein hoher Flächenverbrauch verbunden ist und andererseits in diesem Sektor besonders hohe CO2-Einsparungen möglich sind.

zu 4.:
In den zurückliegenden und laufenden städtebaulichen Entwicklungen wurden Aspekte der Klimaanpassung durch die verschiedenen Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB bereits berücksichtigt. Hier wären unter anderem die Optionen zu Dachbegrünungen, optimierte Gebäudeorientierungen, die Möglichkeiten der Errichtung von solaroptimierten Dächern sowie dort, wo es städtebaulich verträglich ist, auch Fassadenbegrünungen zu nennen. Weitere Maßnahmen bei der Realisierung von Gebäuden können derzeit auf Grundlage des BauGB nicht festgesetzt werden.
Gleichwohl wäre es erstrebenswert, wenn Bauherren wieder langlebige oder nachwachsende Materialien, d.h. natürlich Baumaterialien verwenden würden. Eine gesetzliche Verpflichtung hierfür gibt es jedoch nicht. Damit scheidet auch eine Prüfung bzw. Durchsetzung durch die Bauverwaltung aus. Gerne verweisen wir dazu neben der Bauberatung z.B. auch auf die öffentlich zugängliche „Bauherrenmappe“ oder die regelmäßigen Beratungsangebote im Umweltinformationszentrum.

zu 5.:
Im Innenbereich richtet sich die Zulässigkeit eines Bauvorhabens übli-cherweise nach § 34 BauGB. Danach ist ein Bauvorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Weitere Tatbestandsmerkmale nennt § 34 Abs. 1 BauGB nicht. Das bedeutet, dass die Baugenehmigung gemäß § 72 SächsBO zu erteilen ist, wenn diese Kriterien vorliegen. Bei der Bebauung von privaten Baugrundstücken im unbeplanten Innenbereich besteht ein Rechtsanspruch der Eigentümer auf eine Bebauung (Baugrundstück). Die Erteilung einer Baugenehmigung kann nicht durch das Fehlen einer solchen Kompensation versagt, bzw. an solch lautenden Auflagen gekoppelt werden. Die etwaige Versagung einer Baugenehmigung, auf Grund von im Gesetz nicht vorgesehenen Voraussetzungen, führt zu Amtshaftungsansprüchen des Bauherren gegen die Stadtverwaltung Leipzig, gerichtet auf Schadensersatz sämtlicher Planungsleistungen und insbesondere des entgangenen Gewinns für regelmäßig 30 Jahre.
Eine Durchführung der Kompensationsmaßnahme auf angrenzenden öffentlichen/stadteigenen Flächen ist zumeist nicht möglich, da die Stadt- bzw. Grünstrukturen bereits durch den Bestand definiert sind (z.B.: Parks, Spielplätze und allgemeine Grünflächen). Die Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig stellt infolge der Änderungen des Sächsischen Naturschutzgesetzes kein Kompensationsinstrument dar.

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