Anfrage: Monitoring zur fairen und nachhaltigen Beschaffung im Vergabebericht

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 26. Februar 2020

Mit der Beschlussfassung zum Antrag „Faire Beschaffung in der Stadt Leipzig“ wurde ein jährlicher Bericht über den Umsetzungsstand zu Fairer Vergabe beschlossen. Der letzte vorgelegte Vergabebericht, der über 2016/17 berichtete, enthielt lediglich im Jahr 2016 Aussagen über einen relevanten Beschaffungsvorgang bei welchem die Stadtverwaltung entsprechend des Konzeptes für faire und nachhaltige Beschaffung (von 2014) eine Möglichkeit gesehen hat nach ILO-Standard 182 einzukaufen.

Beispielhaft wurde mit erheblicher Verzögerung nun der Beschaffungsvorgang für fair gehandelte Sportbälle für den schulischen Einsatz beendet. Jedoch ist unbekannt, ob die beschafften Bälle der Vorgabe des Stadtrats vollumfänglich gerecht werden.

Da die Beschaffungen in mehreren Dienststellen dezentral organisiert werden, scheint es denkbar, dass es in der Umsetzung des Konzeptes noch wesentliche Unsicherheiten gibt, was sich darin äußert, dass die faire und nachhaltige Beschaffung wohl einen geringen Anteil hat.

Wir fragen an:

  1. Wie hat sich das Beschaffungswesen der Stadt Leipzig seit 2017 in Bezug auf faire und nachhaltige Beschaffung entwickelt? Wann wird der nächste Jahresbericht zum Vergabebericht 2018 vorgelegt werden?
  2. Mithilfe welcher Art von Abfrage wird geprüft, ob es bei einer Ausschreibung die Möglichkeit des Einkaufs aus fairer und nachhaltiger Produktion alternativ zu konventioneller Produktion gibt und wie erfolgt der Nachweis?
  3. Wurde die Beschaffung der fair gehandelten Sportbälle evaluiert? Was waren die Gründe für die außerplanmäßigen Verzögerung des Einkaufs um mehr als 1 ½ Jahre? Konnte ein Liefervertrag für Sportbälle aus fairem Handel geschlossen werden?
  4. Wurde erhoben, welchen Anteil faire und nachhaltige Beschaffung am Gesamteinkaufsvolumen der Stadt Leipzig 2016/17 hatte? Wie verhält sich der Angebotspreis fair und nachhaltig gehandelter Produkte gegenüber konventionellen Produkten?
  5. Wurde evaluiert, welche darüber hinaus gehenden, bisher nicht berücksichtigten Produktgruppen (z. B. Textilien und Einrichtung von Kitas und Verwaltungsstellen / Kaffee oder Schokolade in allen Kantinen der Stadtverwaltung Leipzig / Berufskleidung / IT-Produkte / Natursteine / Holz und Holzprodukte / Spielwaren und Bälle) noch zukünftig berücksichtigt werden sollen?
  6. Kann sichergestellt werden, dass das Einkaufshandbuch der Stadt Leipzig nur ausschließlich gesiegelte Produkte hinsichtlich fairer und nachhaltiger Produktion anbietet?
  7. Hat die Stadt Leipzig ein Schulungskonzept für ihre Beschafferinnen und Beschaffer gebucht, angeboten oder ist dieses in Vorbereitung. Wie wird der Oberbürgermeister die Implementierung der fairen und nachhaltigen Beschaffung in Leipzig darüber hinaus zukünftig unterstützen?

Antwort der Verwaltung:

zu1.
Ziel des Beschaffungswesens der Stadtverwaltung Leipzig ist es, generell und soweit vergaberechtlich zulässig Fabrikate aus hiesiger bzw. heimischer Produktion zu erwerben bzw. ortsnahes Potential einzubinden. Hierdurch wird grundsätzlich sichergestellt, dass soziale Standards, insbesondere die Kernarbeitsnormen (vgl. ILO-Konvention), eingehalten werden.

Beispielhaft sei hier die beabsichtigte Vergabe der Speisenversorgung an Schulen in Trägerschaft der Stadt Leipzig als 2020 wirtschaftlich bedeutendste Vergabe im VOL-Bereich (vgl. auch Ausführungsbeschluss VI-DS-07108) im Wertumfang von über 90 Mill. € zu nennen, bei welchen im Rahmen der Zusammenstellung der Speisepläne hauptsächlich frisches Obst und Gemüse unter Beachtung des Saisonkalenders verwendet werden sollen. Eine komplett ökologisch ausgerichtete Speiseversorgung wurde vom Stadtrat in diesem Fall nicht gefordert.

Ferner erfolgt weiterhin entsprechend des Konzeptes zur fairen und nachhaltigen Beschaffung bei jedem Vergabeverfahren die Prüfung, ob und wie nachhaltige und faire Kriterien in die Vergabeunterlagen zu integrieren sind.

Gemäß Vergabeordnung der Stadt Leipzig wird bei jeder Vergabe geprüft, ob es Produkte betrifft, die unter die ILO-Konvention 182 über die schlimmsten Formen der ausbeuterischen Kinderarbeit fallen. Wenn dies vorliegt, ist die „Erklärung zur Einhaltung internationaler Vereinbarungen gegen verbotene ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182“ Bestandteil der Vergabeunterlagen und muss von den Bietern ausgefüllt und dem Angebot beigelegt werden.
 
Die Umweltrelevanz wird ebenfalls bei jedem Vergabeverfahren beachtet.

Mit dem Vergabebericht 2018/2019 erfolgt die Berichterstattung zur fairen und nachhaltigen Beschaffung im Jahr 2020.
Mithilfe welcher Art von Abfrage wird geprüft, ob es bei einer Ausschreibung die Möglichkeit des Einkaufs aus fairer und nachhaltiger Produktion alternativ zu konventioneller Produktion gibt und wie erfolgt der Nachweis?

Die Prüfung, ob eine Integration des Einkaufs aus fairer und nachhaltiger Produktion möglich ist, erfolgt bei der Grundlagenermittlung für das Vergabeverfahren. Im Zuge dessen wird dann ggf. festgelegt, ob die zu berücksichtigenden Aspekte Teil der Leistungsbeschreibung oder ob sie Bestandteil der Zuschlagskriterien werden und wie der entsprechende Nachweis zu erfolgen hat.

Als Nachweise kommen hierfür u.a. Zertifikate wie Blauer Engel; FSC, PEFC, Naturtextil IVN zertifiziert BEST, EU-Ecolabel Textilien, OEKO-TEX® Made in Green, Fairtrade Textilstandard, Global Recycled Standard (GRS), SA8000® Standard, Naturland Textilien, Global Organic Textile Standard (GOTS), EU-Energielabel, Europ. Umweltzeichen und sonstige in Betracht.

Gegenwärtig wird ein Entwurf für ein Wiederverwendungsblatt mit Vorgaben international anerkannter Zertifikate/ Label/ Siegel zur Verwendung bei VOL-Ausschreibungen erarbeitet. Bei der Verwendung von Natursteinen im Freiraum müssen sich diese in das Stadtbild eingliedern und damit bestimmte gestalterische (historische) Anforderungen erfüllen. Bei Oberflächen in räumlicher Nähe zu Bestandsflächen oder beim Bauen im Natursteinbestand kommen in der Leistungsbeschreibung genau definierte Natursteinarten mit vorgegebener Herkunft zum Einsatz. Historisch bedingt liegen die Brüche in räumlicher Nähe zu Leipzig, allesamt in der EU. Es wird keine "Gleichwertigkeit" zugelassen. Insgesamt kommt Naturstein aus Nicht-EU Staaten fast gar nicht zum Einsatz.

Darüber hinaus wird ggf. die Mitgliedschaft in einer Multi-Stakeholder-Initiative oder aber die Darlegung des Lieferkettenmanagements (soweit möglich) zusätzlich bewertet.

Allgemeine Recherchen erfolgen beim Kompass Nachhaltigkeit, mittels Erfahrungsaustausch mit Beschaffungsstellen anderer Städte oder mit anderen Ämtern der Stadtverwaltung. Möglich ist auch die Durchführung von Marktrecherchen mit entsprechenden Bieterdialogen.

zu 3.
Die Beschaffung fair gehandelter Sportbälle war ein Bestandteil des offenen Vergabeverfahrens zur Lieferung und Montage von Sportgeräten an kommunale Schulen der Stadt Leipzig im Jahr 2019. Fair gehandelte Sportbälle wurden als ein separates Los ausgeschrieben. Gefordert wurden u.a. Volleybälle, Fußbälle, Handbälle, Futsal-Bälle unterschiedlicher Größen mit dem Gütezeichen des fairen Handels. Das Los Sportbälle "fair trade" musste Ende August 2019 aufgehoben werden, da kein Angebot eingegangen war, welches den Bedingungen und Anforderungen entsprach. Für die weiteren Lose des Verfahrens Sportgeräte wurde der Zuschlag Ende September 2019 erteilt.

Ein erneutes Ausschreibungsverfahren für die Lieferung fair gehandelter Sportbälle wurde ab September 2019 eingeleitet. Der Zuschlag wurde Mitte November 2019 erteilt. Damit besteht ein verbindlicher Liefervertrag. Die fair gehandelten Bälle wurden jedoch noch nicht an die Schulen ausgeliefert. Seitens des Unternehmens wurde informiert, dass die Transporte aus dem asiatischen Raum aufgrund des Coronavirus stark eingeschränkt sind und sich daher die Lieferung zeitlich verzögert. Eine zeitliche Orientierung konnte nicht gegeben werden.

Die zeitliche Verzögerung für die Beschaffung fair gehandelter Sportbälle wurden in den vergangenen Jahren wiederholt aufgegriffen. Von einer Beschaffung von "fair trade" Bällen wurde in den Vorjahren Abstand genommen, da Verträge für die Lieferungen von Sportgeräten incl. Sportbälle bis zum 31.10.2018 bestanden. In diese Vertragslagen sollte nicht eingegriffen werden. Das Folgeverfahren für die Lieferung und Montage von Sportgeräten verzögerte sich aufgrund mangelnder personeller und zeitlicher Kapazitäten.

zu 4.
Eine statistische Auswertung liegt nicht vor.

Ein Vergleich ist zum Teil auch nicht herstellbar. So werden im ASG ausschließlich FSC- zertifizierte Hölzer verwendet. Zu konventionell gehandelten Holz/Holzprodukten erfolgt seit mehreren Jahren keine Preisabfrage mehr.

Klarzustellen ist zusammenfassend aber, dass der Bedarf der Stadtverwaltung an Produkten, bei denen sich insbesondere die Thematik der fairen Beschaffung (Produkte aus dem Nicht-EU-Bereich) stellt, im Vergleich zu Gesamtvergabevolumen pro Jahr einen sehr geringen Teil einnimmt.

zu 5.
IT
Der Hauptanteil an benötigter IT-Technik wird über die Lecos GmbH zur Verfügung gestellt. Die Zertifizierung mit Blauer Engel ist für einen Großteil der IT-Beschaffungen (APC, Drucker, Server) über die Lecos bereits heute verbindlich. Im Rahmen des BLV mit der Lecos sind ferner Festlegungen für energieeffizienten IT-Einsatz formuliert (Green-IT). Die umfasst auch Kriterien wie den Stromverbrauch und die klimaschonende Entsorgung von PC-Technik. Darüber hinaus führt die Lecos zur Überwachung des Energieverbrauchs ein Kennzahlensystem, das im Rahmen eines Energieaudits verifiziert wird.

Dienstkleidung
Eine Evaluierung bei der Vergabe von Berufskleidung ist vorgesehen. Zum Teil erfolgt bereits eine vermehrte Beschaffung fairer und nachhaltiger Textilprodukte in Spezialbeschaffungsstellen, wenngleich sich dies nicht immer als einfach herausstellt. Die Branddirektion etwa hat in den vergangenen Jahren vermehrt entsprechend agiert.

Bälle/Sportgeräte
Bezüglich der Sportbälle wird auf die Antwort zur Frage 3 verwiesen. Darüber hinaus ist in der Fachförderrichtlinie Sport unter Ziffer 8.1.6 geregelt, dass im Förderbereich Kleinsportgeräte vorrangig Geräte und Ausstattungen gefördert werden, die Fairtrade-Produkte sind.

Eine weitere bedeutende Maßnahme ist das vom Dezernat für Umwelt, Ordnung, Sport und dem Amt für Sport initiierte Projekt, bei dem Fairtrade-zertifizierte Spielbälle an Verbände weitergereicht werden, die den Anstoß in eine nachhaltigere Zukunft geben sollen. Gemeinsam mit dem Fußballverband Stadt Leipzig e. V. (FVSL) sollen dabei alle im Verband integrierten Vereine erreicht werden. Bereits seit 2018 werden alle verbandseigenen Turniere nur noch mit fair gehandelten Bällen ausgetragen.

Mit dem im April 2019 unterzeichneten „Letter of Intent“ wurde die von der Stadt Leipzig, dem städtischen Fußballverband und der Leipziger Gruppe gemeinsame Zielsetzung festgeschrieben, den Trainings- und Wettkampfbetrieb aller Kinder- und Jugendmannschaften mit fair gehandelten Bällen durchzuführen. Mit einer entsprechenden Kennzeichnung mit der Dachmarke „Leipzig spielt fair“ auf den Spielgeräten ist dies nach außen sichtbar. Die Ausstattung mit den Bällen erfolgt fortlaufend, wenngleich noch nicht alle Mannschaften ausgestattet sind. Die Finanzierung der fair gehandelten Bälle erfolgt – entsprechend „Letter of Intent“ – durch die L-Gruppe, Stadt Leipzig (Amt für Sport) sowie den Leipziger Sportvereinen (Fußballvereinen).

Bei der UEFA EURO 2024, bei der Leipzig ein Austragungsort sein wird, spielt das Nachhaltigkeitskonzept eine bedeutende Rolle. Nicht nur das Turnier selbst soll auf verantwortungsvolle und nachhaltige Weise organisiert werden, bereits auf dem Weg dorthin stehen bei den vorbereitenden Maßnahmen neben dem umweltbewussten Ressourcenverbrauch der faire Handel und die sorgfältige Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen am Spielort Leipzig immer im Blickpunkt.

Zunächst wurde Leipzigs EM-Botschafter, der Thomanerchor, für verschiedene Aktivitäten mit fair gehandelten Fußbällen ausgerüstet. Bei allen weiteren Projekten und Turnieren auf dem Weg zur UEFA EURO 2024 wird ebenso auf faire und nachhaltige Beschaffung Wert gelegt.

zu 6.
Rein technisch ist es zwar möglich im Einkaufshandbuch ausschließlich hinsichtlich fairer und nachhaltiger Produktion zu listen bzw. mit Bemerkungen darauf hinzuweisen. 

Hervorzuheben ist aber, dass zum einen laufende Verträge im Einkaufshandbuch abgebildet werden, die nicht ohne weiteres einfach abänderbar sind.

Zum anderen ist auch es aber auch inhaltlich nicht darstellbar nur ausschließlich gesiegelte Produkte hinsichtlich fairer und nachhaltiger Produktion anzubieten. Bei der Vielzahl an benötigten Produkten vom einfachen Bürobedarf, über Hygieneartikel und Reinigungsmaterial, über Leuchtmittel bis hin zu Medikamenten oder Impfstoffen kann eine durchgängige Deklaration mittels Siegel oder ähnlichem nicht gewährleistet werden, da nicht alle Produkten per se hierüber verfügen.
Zudem ist für einzelne Produktgruppen z.B. der Nachweis für alle Produktionsketten (auch Teilproduktionsketten) nicht zu bewerkstelligen bzw. nachzuvollziehen. Eine Prüfung dessen auf Seiten der Stadtverwaltung erst recht nicht.

zu 7.
Im Bereich VOL/VgV erfolgt jährlich eine Schulung („Update-Wissen im Vergabewesen“) in der auch Aspekte der fairen und nachhaltigen Beschaffung thematisiert werden. Zudem erfolgt ggf. die Teilnahme an spezifischen Schulungen in diesem Kontext, sofern diese verfügbar sind.

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