Anfrage: Netzausbau: Ist das Leipziger Stromnetz fit für die Energiewende?

Anfrage zur Beantwortung am 14. Juni 2023

Strom-, Wärme- und Verkehrswende und die damit einhergehende Sektorenkopplung führen zu neuen Anforderungen an die Stromnetze. Bis 2040 spätestens will Leipzig Klimaneutralität erreicht haben. Die bereits erfolgende und künftig noch stärker erforderliche Zunahme an Wärmepumpen, Stromspeichern und Elektroautos einerseits sowie die verstärkte dezentrale Einspeisung erneuerbaren Stroms andererseits stellen Netzbetreiber vor diverse technische und organisatorische Herausforderungen. Die Versorgung muss sicher gestellt bleiben - gleichzeitig soll die Energiewende beschleunigt und nicht durch bürokratisch-organisatorische Engpässe verzögert werden.

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung zum einen Potentiale für eine intelligente Netzsteuerung, die in Verbindung mit flexiblen Stromtarifen zu einer besseren Bündelung und Ausschöpfung von Kapazitäten führt. Zum anderen kann Digitalisierung die Antrags- und Genehmigungsprozesse erleichtern und beschleunigen.

Uns erreichen zuletzt vermehrt Hinweise von Bürger*innen, dass die Netz Leipzig bei der Bearbeitung von Anträgen zur Genehmigung von PV-Anlagen oder dem erforderlichen Tausch auf Zweirichtungszähler relativ lange braucht, wodurch Anlagen, die eigentlich fertig sind, noch nicht in Betrieb gehen können.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

1. a) Wie schätzt die Stadt Leipzig bzw. die Netz Leipzig den erforderlichen Umbau des Leipziger Stromnetzes insgesamt ein?

b) Welche Maßnahmen und ggf. Infrastrukturmaßnahmen sind für die Anpassung an neue Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen in den kommenden Jahren geplant?

2. In § 8 EEG ist festgelegt, dass Netzbetreiber maximal acht Wochen haben, um auf einen Antrag auf Netzanschluss zu reagieren, die Netzverträglichkeitsprüfung durchzuführen, entstehende Kosten darzustellen und dem Anlagenbetreiber den Punkt für den Netzanschluss mitzuteilen.

a) Mit welchen Bearbeitungszeiten haben Antragstellende für die Anmeldung von EE-Erzeugungs-Anlagen und den ggf. erforderlichen Austausch auf Zweirichtungszähler zu rechnen?

b) Bei wie vielen Projekten, die in den letzten 12 Monaten beantragt wurden, konnte die 8-Wochen-Frist nicht eingehalten werden?

3. a) Wie hat sich das Volumen von Anträgen zu Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge und zur Anmeldung von PV-Anlagen, steckerfertigen Balkon-Geräten und Biogas-Erzeugungsanlagen bei der Netz Leipzig in den vergangenen beiden Jahren entwickelt?

b) Wie gestalten sich diesbezüglich die personellen Kapazitäten, der Energiewende organisationsseitig und nutzerfreundlich gerecht zu werden?

c) Wie schätzt die Netz Leipzig diesbezüglich die Entwicklung der kommenden Jahre ein?

4. Bei den Standards und Voraussetzungen für die Inbetriebnahme von PV-Anlagen, Speichern, Wallboxen etc. gibt es für Netzbetreiber gewisse Spielräume. Welche Bemühungen gibt es, diese möglichst unbürokratisch auf das notwendigste zu reduzieren?

5. Bislang erfolgen einige Antragstellungen bei der Netz Leipzig noch nicht auf rein digitalem Weg. Während es für die Anmeldung von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge bereits ein digitales Anschlussportal gibt, müssen bspw. Formulare für die Anmeldung von Erzeugungsanlagen nach wie vor postalisch übermittelt werden. Wann erfolgt die vollständige Digitalisierung der Antragstellungen bei der Netz Leipzig?

6. Laut § 29 Abs. 3 Messstellenbetriebsgesetz müssen bis 2032 alle Haushalte mit modernen Messeinrichtungen ausgestattet werden, die auch als Zweirichtungszähler konfiguriert werden können. Wie viele Leipziger Haushalte sind damit bereits ausgestattet und wie ist der weitere Zeitrahmen in Leipzig für die generelle Umstellung auf die modernen Messeinrichtungen?

7. a) Gibt es Planungen für ein intelligentes Stromnetz (Smart Grid) in Leipzig, welches eine digitale Steuerung von Erzeugern und Verbrauchern ermöglicht, sodass bspw. Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Geschirrspüler dann laufen, wenn günstiger Strom zur Verfügung steht?

b) Planen die Stadtwerke einen flexiblen Stromtarif?

c) Wie ist der Stand der Planung zur Einführung von Smart Metern?

Antwort vom 3. Juli 2023

1.a) und b)

Die Netz Leipzig trägt als Netzbetreiber die Verantwortung für einen bedarfsgerechten und effizienten Netzausbau. In dieser Verantwortung hat die Netz Leipzig das Stromnetz in den letzten Jahren so ausgebaut, dass Reserven vorhanden sind, die für den kurzfristigen weiteren Ausbau von Lasten wie Elektroladesäulen und Wärmepumpen zur Verfügung stehen.

Für eine vollständige Umstellung von Stadtgebieten von Gasversorgung auf Wärmepumpen ist das Netz allerdings nicht ausgelegt. Hierfür sind in den nächsten Jahren Investitionen notwendig, die ein Mehrfaches der durchschnittlichen Investitionen der letzten Jahre betragen werden und welche sich voraussichtlich in den künftigen einschlägigen Wirtschaftsplanungen 2024 ff. wiederspiegeln werden.

Unter anderem ist die Netz Leipzig GmbH hierfür aussagegemäß im Moment – auch zusammen mit dem Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig – auf der Suche nach neuen Umspannwerksstandorten, die für den weiteren Ausbaus des Stromnetzes dringend benötigt werden.

Vor diesem Hintergrund erstellt die Stadt Leipzig gemeinsam mit der Stadtwerke Leipzig GmbH, der Netz Leipzig GmbH und der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH bis zum Jahresende 2023 einen ersten kommunalen Wärmeplan, welcher voraussichtlich Antworten auf die hier gestellten Fragen enthalten wird.

2.a)

Nachdem alle erforderlichen Unterlagen zur netztechnischen Stellungnahme im Rahmen der Anmeldung einer Erzeugungsanlage eingereicht wurden, hat der Netzbetreiber nach dem Erneuerbare‐Energien‐Gesetz (EEG) acht Wochen für die Prüfung und Antwort Zeit. Danach kann die Anlage errichtet und in Betrieb genommen werden, was dem Netzbetreiber entsprechend anzuzeigen ist. Wenn nötig, lässt der Netzbetreiber dann einen Zähler einbauen beziehungsweise wechseln, wofür das EEG vier Wochen vorsieht.

Aktuell liegt die reine Bearbeitungszeit bei vielen deutschen Netzbetreibern auf Grund des starken Anstiegs der Anmeldungen von Erzeugungsanlagen zum Teil deutlich über den gesetzlichen Vorgaben, so auch bei Netz Leipzig. Die Schwankungsbreite lag in den letzten 12 Monaten einzelfallabhängig aussagemäß zwischen zehn und 30 Wochen (inkl. Zählerwechsel).

Zu beachten ist, dass der tatsächliche Zeitraum von der Antragstellung bis zum Zähleraustausch davon deutlich abweichen kann, da dieser die Bearbeitungs‐ und Errichtungszeit des Anlagenbetreibers bzw. Anlagenerrichters beinhaltet.

2.b)

Nach der Einreichung der vollständigen Antragsunterlagen war vor dem kontinuierlichen, starken Anstieg der Anmeldungen im Jahr 2022 eine Bearbeitung von bis zu vier Wochen üblich. Wegen des kontinuierlichen, starken Anstieges der Anmeldungen von Erzeugungsanlagen dauert die Rückmeldung seit November 2022 aktuell bei der Mehrzahl der Anträge deutlich länger als acht Wochen. Entsprechende Gegenmaßnahmen zur Beschleunigung der Antragsbearbeitung wurden bereits eingeleitet. Es wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen.

3.a)

Im Jahr 2022 wurden 357 neue Ladepunkte angemeldet, dies entspricht einer Verdopplung zum Vorjahr. Im Jahr 2023 ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.

Im Jahr 2022 wurden 734 PV‐Anlagen (größer 600 W) angemeldet, dies entspricht einer Verdreifachung zu den Vorjahren. Im Jahr 2023 geht die Netz Leipzig auf Grund der bereits vorliegenden Anträge von ca. 1.500 Anträgen für PV‐Anlagen (größer 600 W) aus.

Im Jahr 2022 wurden 262 steckerfertige Balkon‐PV‐Anlagen (bis 600 W) angemeldet, dies entspricht einer Verzehnfachung zum Vorjahr. Im Jahr 2023 geht die Netz Leipzig auf Grund der bereits vorliegenden Anträge und der geplanten kommunalen Förderung von 2.000 steckerfertigen Balkon‐PV‐Anlagen (bis 600 W) Laus.

Anträge zu Biogasanlagen wurden nicht eingereicht.

3.b)

Die Netz Leipzig stellt aussagegemäß aktuell intern zusätzliches Personal zur Verfügung. Weiterhin werden personelle Kapazitäten aufgebaut, um den Herausforderungen der Energiewende gerecht werden zu können und die Bearbeitungszeit wieder deutlich zu verkürzen. Parallel hierzu wird aktuell der Antragsprozess durch Digitalisierung und Prozessoptimierungen weiterentwickelt.

3.c)

Geprägt von der Energiewende geht die Netz Leipzig für den Stromsektor von einem deutlichen Zubau von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge, PV‐Anlagen und steckerfertigen Balkon‐PV‐Anlagen aus.

Beispielhaft rechtet die Netz Leipzig 2023/ 2024 allein bei Balkon‐Kraftwerken bis 600 W insgesamt mit bis zu 5000 zusätzlichen Anlagen im Leipziger Stadtgebiet. Das entspricht einem Anstieg bezogen auf den aktuellen Bestand von 750 %.

Im innerstädtischen Netz spielen Biogas‐Erzeugungsanlagen keine nennenswerte Rolle.

4.)

Für die Inbetriebnahme der Wallboxen sind die anerkannten Regeln der Technik, gültige Normen sowie insbesondere die Anwendungsregel VDE AR‐N 4100 und die Technischen Anschlussbedingungen zu beachten und einzuhalten. Um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen, arbeitet die Netz Leipzig aussagegemäß derzeit an Erweiterungen des Anschlussportals für alle Kundengruppen.Für Erzeugungsanlagen und Speicher werden im Rahmen der Digitalisierung der Antragstellung zudem auch prozessuale Verbesserungen für die Inbetriebnahme angestrebt.

5.)

Ziel der Netz Leipzig ist es, bis Ende 2023 den Leipziger Bürgerinnen und Bürgern für die Beantragung von Erzeugungsanlagen ein digitales Antragsportal zur Verfügung zu stellen.

6.)

Die Netz Leipzig führt aussagegemäß einen kontinuierlichen Rollout moderner Messeinrichtungen in Leipzig durch und setzt dabei seit letztem Jahr ausschließlich Zweirichtungszähler ein. In diesem Zusammenhang sind aktuell ca. 52 % bzw. 211.000 Messstellen in Leipzig mit modernen Messeinrichtungen ausgestattet. Der Rollout wird nach aktueller Planung im Jahr 2030 abgeschlossen sein.

7.a) und b)

Die Netz Leipzig arbeitet als Netzbetreiber aussagegemäß an der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Stromnetzes zu einem intelligenten Stromnetz auf allen Spannungsebenen. So wurden die Anforderungen entsprechend Redispatch 2.0 umgesetzt und der Ausstattungsgrad der Ortsnetzstationen mit Fernüberwachungs‐ und Steuerungstechnik erhöht.

Die Nutzung von Strom in Zeiten mit günstigen Preisen fällt entsprechend des Unbundlings in den Verantwortungsbereich der marktlichen Akteure und nicht der Netzbetreiber. In einem lastgeprägten städtischen Netz wie in Leipzig führt eine höhere Gleichzeitigkeit des Verbrauchs durch Reaktion der Kunden auf Marksignale zu einem Ausbaubedarf des Netzes. Dieser kann nur teilweise durch eine weitere Entwicklung zum intelligenten Stromnetz reduziert werden.

Die Stadtwerke Leipzig GmbH befasst sich aussagegemäß aktuell mit der Erarbeitung eines Produktkonzepts für einen flexiblen Stromtarif mit dem Ziel, diesen ab 2024 ihren Kunden anbieten zu können.

7.c)

Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben führt die Netz Leipzig einen Rollout von „Smart Metern“ (im amtlichen Sprachgebrauch „intelligente Messsysteme“) bei Verbrauchern mit einem hohen Verbrauch (> 6.000 und < 100.000 kWh/Jahr) durch. Aktuell sind 1.236 Messstellen in Leipzig mit intelligenten Messsystemen ausgestattet. Die Gesamtanzahl der Pflicht‐Einbauten beträgt ca. 15.000 Stück.

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