Anfrage: Neues Kulturgutschutzgesetz 2016 – Welche Auswirkungen hat das auf die kommunalen Leipziger Museen?

Anfrage zur Beantwortung durch die Verwaltung in der Ratsversammlung am 24. August

Während die Erhaltung von Kulturgut in erster Linie Angelegenheit der Länder ist, ist der Bund in zwei Bereichen für die Gesetzgebung zuständig: Einerseits für den Schutz von national wertvollem Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland. Andererseits für den Schutz von Kulturgut ausländischer Staaten, das unrechtmäßig nach Deutschland eingeführt wurde und zurückzugeben ist.
Um den Schutz von Kulturgut umfassend zu stärken und besser gegen den illegalen Handel mit Kulturgut vorzugehen, führt die Bundesregierung die bisher bestehenden Gesetze im Bereich des Kulturgutschutzes in einem neuen, einheitlichen Gesetz zusammen.
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf am 23. Juni 2016 verabschiedet, nachdem das Bundeskabinett das Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrecht am 4. November 2015 beschlossen hatte. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 8. Juli zugestimmt.
Das kürzlich verabschiedete Gesetz soll den illegalen Handel mit Kunstobjekten verhindern, es verbietet die Ausfuhr von "national wertvollem Kulturgut" aus Deutschland.

Die Folge ist, dass es jetzt eine Verunsicherung dahingehend gibt, dass Sammler und Leihgeber z. B. aus dem Ausland jetzt nicht mehr sicher sein können, ob sie ihre Kunstwerke nach einer Präsentation in Deutschland auch zurückerhalten. Zudem ist die Einordnung, was „national bedeutsames Kulturgut“ ist, in Einzelfällen schwierig. Dadurch ist das private und öffentliche Sammeln, dass vor allem vom internationalen Kulturtausch profitiert, belastet.

Das umstrittene neue Kulturgutschutzgesetz zeigt in deutschen Museen erste Auswirkungen. Leihgeber sind verunsichert; vereinzelt haben Sammler ihre verliehenen Kunstwerke sogar zurückgezogen. Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Für eine Paul Klee-Ausstellung, die für Anfang 2018 in der Pinakothek der Moderne geplant ist, hat das Museum nach dessen Angaben erstmals eine Absage eines Leihgebers bekommen, der sie explizit mit dem Kulturgutschutzgesetz begründete.

Wir fragen deshalb an:

  1. Hat das Gesetz weitere Auswirkungen auf die kommunalen Leipziger Museen?

  2. Gibt es Rückforderungen von Dauerrepräsentationen oder aus Sammlungen?

  3. Sind geplante Sonderausstellungen gefährdet?


Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 21. September 2016:

Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Das Kulturgutschutzgesetz vom 31. Juli 2016 ist am 6. August 2016 in Kraft getreten.
Zu Frage 1: Kommunale Leipziger Museen sind kulturgutbewahrende Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 11 Kulturgutschutzgesetz. Sie sind insofern durch das Kulturgutschutzgesetz betroffen, als dass der Bestand an Kunstgegenständen des jeweiligen Museums kraft Gesetzes als sogenanntes nationales Kulturgut ist. Nationales Kulturgut ist danach Kulturgut, das sich im öffentlichen Eigentum und im Bestand einer öffentlich-rechtlichen kulturgutbewahrenden Einrichtung befindet.
Der im Eigentum der Stadt Leipzig stehende und in den kommunalen Leipziger Museen befindliche Bestand an Kunstgegenständen steht somit unter dem Kulturgutschutz des Kulturgutschutzgesetzes 2016. Die Museen sind damit unter anderem im internationalen Leihverkehr bei der hierzu notwendigen vorübergehenden Ausfuhr von Kulturgütern betroffen. Nach den §§ 24 und 25 Kulturgutschutzgesetz bedarf es hierzu nach entsprechender Antragstellung einer Genehmigung durch die obersten Landesbehörden, vorliegend durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Eine abschließende Bewertung ist derzeit noch nicht möglich, da das Gesetz erst am 6. August des Jahres in Kraft getreten ist. Wenn jedoch der Kunsthandel sich in mehrere Länder verlagern und der bürokratische Aufwand zum Beispiel für das Einholen einer allgemeinen offenen Genehmigung nach § 25 Kulturgutschutzgesetz oder für eine spezifische offene Genehmigung - das ist die sogenannte  Musikerklausel und betrifft Orchester nach § 26 des Kulturgutschutzgesetzes - zunehmen sollte, wäre dies für die Leipziger Museen schon aufgrund des damit verbundenen personellen und sachlichen Mehraufwands von Nachteil.
Dies hat das Dezernat Kultur im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens stets gegenüber dem Deutschen Städtetag betont. Vor allem bleibt offen, welchen Vorteil die Unterschutzstellung bestimmter Kunstwerke haben soll, wenn nicht gleichzeitig ein Fonds aufgelegt wird, durch den solche Kunstwerke auch für Museen gesichert werden können. Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Es bleibt insofern abzuwarten, ob die Kulturstiftung der Länder hier zukünftig auch weiterhin positiv unterstützen kann.

Frage 2: Rückforderungen von Beständen aus der Dauerrepräsentation. Das Museum der bildenden Künste war im Vorfeld des Kulturgutschutzgesetzes insofern betroffen, als dass Frau Mayen Beckmann ihre Stimme gegen das Kulturgutschutzgesetz erhoben und zeitweilig eine Kündigung des Dauerleihvertrages der Beckmann-Sammlung in Erwägung gezogen hatte. Aufgrund der öffentlichen Kritik am Kulturgutschutzgesetz hat der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 Kulturgutschutzgesetz eine Regelung zugunsten von Leihgebern bzw. Dauerleihgebern eingefügt.
Danach wird Kulturgut, welches leihweise an öffentliche Museen gegeben wird, nur mit Zustimmung des Leihgebers auch zu national wertvollem Kulturgut. Es gibt also ein Veto des Leihgebers. Der Verleiher kann seine Zustimmung jederzeit widerrufen bzw. von vornherein verwehren. Daraufhin und aufgrund intensiver Interventionen des MdbK konnte Frau Beckmann davon überzeugt werden, von einer Kündigung des Dauerleihverhältnisses Abstand zu nehmen. Das Museum der bildenden Künste ist konkret zur Sammlung Drescher betroffen. Aus dieser Sammlung stehen neun Werke vor dem Abruf. Die Ankündigung erfolgte bereits im September 2015. Trotz des Hinweises des Museums der bildenden Künste auf die Rechtslage wurde im September 2016 der Abzug erneut in Erwägung gezogen. Gründe wurden allerdings nicht benannt. Das Grassimuseum für angewandte Kunst, das Stadtgeschichtliche Museum sowie das Naturkundemuseum sind hiervon derzeit nicht betroffen.

Frage 3: Sind geplante Sonderausstellungen gefährdet?
Das Museum der bildenden Künste muss in Planung der Ausstellung Nolde und die Brücke, die nächstes Jahr stattfindet, auf zwei Leihgaben aus Privatbesitz verzichten, weil diese unter Verweis auf das Kulturgutschutzgesetz ins Ausland verbracht wurden. Die Ausstellung ist damit jedoch nicht gefährdet. Das Grassimuseum für angewandte Kunst, das Stadtgeschichtliche Museum sowie das NKM sind hiervon derzeit nicht betroffen. Potenziellen Leihgebern werden spezifische, auf die neue Rechtslage abgestimmte Leihverträge angeboten.

Oberbürgermeister Jung: Gibt es Nachfragen?

Stadträtin Körner (Bündnis 90/Die Grünen): Eine kurze Nachfrage: Können wir einen Pauschaltext solcher Leihverträge bekommen ohne irgendwelche inhaltlichen Daten, nur die Art und Weise, wie jetzt neu

Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Wie so ein Musterleihvertrag aussieht?

Stadträtin Körner (Bündnis 90/Die Grünen): Ja.

Bürgermeisterin Dr. Jennicke: Das nehme ich einmal mit und lasse es prüfen.

Zurück