Anfrage: Personelle Situation und Personalentwicklung in Kindertagesstätten und der Erzieher*innenausbildung
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 16. Dezember 2020
Vor zwei Jahren wurde vom Stadtrat beschlossen, die berufsbegleitende Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern in kommunalen Kindertagesstätten und in denen in freier Trägerschaft zu ermöglichen und dafür jährlich mindestens je 50 Ausbildungsplätze in kommunaler und freier Trägerschaft, deren schrittweise jährliche Erhöhung angestrebt werden soll, zur Verfügung zu stellen. Diese bilden ein wichtiges Standbein in der Fachkräftesicherung an den Kitas und Horten in der Stadt Leipzig.
Der Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten hat sich in den vergangenen Jahren durch die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit verbessert, liegt dennoch im bundesweiten Vergleich im hinteren Bereich. Weitere Verbesserungen sind entsprechend des Koalitionsvertrages in den kommenden Jahren durch die Anrechnung der Zeiten für Urlaub, Krankheit und Weiterbildung geplant, was unsere Fraktion außerordentlich begrüßt. Dies wird einen weiteren Bedarf an Fachkräften nach sich ziehen.
Wir fragen daher an:
- Wie stellt sich der personelle Bedarf an den Leipziger Kindertagesstätten und Horten aktuell (unabhängig der derzeitigen Coronapandemie) und vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verbesserung des Betreuungsschlüssels dar?
- Wie steht dies in Relation zu den aktuellen Ausbildungszahlen an den Berufsschulen?
- Wie hat sich die Zahl der berufsbegleitenden Erzieherinnen und Erzieher in kommunaler und freier Trägerschaft in den einzelnen Jahren seit 2018 entwickelt?
- Welche Anzahl an berufsbegleitenden Ausbildungsstellen werden im kommenden Doppelhaushalt geplant und reichen diese Zahlen aus, um den absehbaren Bedarf zu decken?
- Wie sehr hat sich das Instrument der berufsbegleitenden Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern bewährt?
- Welche Maßnahmen sollten darüber hinaus getroffen werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Antwort der Verwaltung vom 16. Dezember 2020
Zu 1.)
Mit Stand Ende November 2020 liegt ein Personal-IST (d. h. einsatzfähiges Personal, also ohne Beschäftigungsverbot, Mutterschutz, Elternzeit, Langzeiterkrankung, unbezahlter Sonderurlaub etc.) von Erziehern in Kita und Horte (ohne BTA und EZH) i. H. v. insgesamt 1.561,68 VzÄ vor. Demgegenüber steht ein vom Fachamt prognostizierter Bedarf für Ende November 2020 in Höhe von insgesamt 1.485,26 VzÄ. Im Ergebnis bedeutet dies aktuell ein prognostiziertes Personal-Ist von +76,42 VzÄ, d. h. durchschnittlich +0,67 VzÄ pro Einrichtung.
Im Kita-Bereich sind zum Ende November regelhafte Plätze noch nicht vertraglich gebunden, da der Betreuungsbeginn im Dezember liegt. Durch die Neuverträge im Dezember wird weiteres Personal gebunden.
Es gibt derzeit erste Überlegungen zur Novelle des SächsKitaG hinsichtlich der Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Jedoch ist der Zeitraum einer etwaigen Umsetzung noch völlig ungewiss. Es wird über eine schrittweise Anpassung gesprochen, was bedeutet, dass die ersten Schritte voraussichtlich wesentlich kleiner ausfallen könnten. Demzufolge liegen noch keine konkreten Zahlen vor. Der personelle Bedarf hinsichtlich der Verbesserung des Betreuungsschlüssels kann somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dargestellt werden.
Zu 2.)
Eine Abfrage beim Sächsischen Staatsministerium für Kultus ergab, dass für das aktuelle Schuljahr noch keine statistischen Daten zur Gesamtschülerzahl vorliegen. Daher können aktuell nur die Schülerzahlen aus dem Schuljahr 2019/2020 benannt werden. In den Fachschulen der Stadt Leipzig befanden sich 1.766 Schüler/-innen in der Erzieherausbildung (23 % der Schüler/-innen des gesamten Freistaates). Die Anzahl der Fachschüler/-innen im aktuellen Schuljahr dürfte ähnlich hoch sein. Insofern befinden sich aus Sicht der Stadtverwaltung ausreichend Nachwuchskräfte in verschiedenen vollschulischen, berufsbegleitenden oder praxisintegrierten Ausbildungsmodellen, um künftige Personalbedarfe abdecken zu können.
Zu 3.)
Die Grafik zeigt, dass sich die Zahl der berufsbegleitenden Auszubildenden deutlich erhöht hat.
Bei den Ausbildungsplätzen der freien Träger haben 45 der 75 aktiven Träger von Kindertageseinrichtungen einen Antrag auf Förderung der berufsbegleitenden Ausbildung gestellt. Somit konnten mehreren Trägern zwei oder mehr Fördermaßnahmen bewilligt werden.
Für den Haushaltsplan 2021/2022 wurden keine Haushaltsmittel für neue Fördermaßnahmen eingestellt, da einerseits der Stadtratsbeschluss VI-DS-07846 keine weiteren Fördermaßnahmen ab dem Ausbildungsjahr 2021/2022 vorsieht und durch den Freistaat im Zuge der Umsetzung des "Gute-Kita-Gesetz" und dessen neuem Doppelhaushalt zusätzliche Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung in Aussicht gestellt wurden. Nach Rücksprache mit dem SSG gibt es allerdings aktuell keine konkreten Festlegungen seitens des Freistaates hierzu.
Zu 4.)
Die Stadtverwaltung plant für die Jahre 2021 und 2022 mit je 50 Neueinstellungen bei der Erzieherausbildung. Die Anzahl der Ausbildungsplätze ist ausreichend, um den durch Altersfluktuation und zum Teil auch individuelle Fluktuation entstehenden Personalbedarf in den kommunalen Kindertageseinrichtungen in den jeweiligen Abschlussjahren abzudecken. Eine höhere Zahl an Ausbildungsplätzen ist aus Qualitäts- und Kapazitätsgründen (Anzahl Praxisanleiter, Anzahl Einrichtungen) nicht leistbar.
Zu 5.)
Das Instrument der eigenen Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern hat sich bewährt. Dies lässt sich an folgenden Ergebnissen einer aktuellen Evaluation der Ausbildung erkennen:
Interesse in der Bevölkerung:
Die Zahl der Bewerbungen für die städtischen Ausbildungsplätze in der Erzieherausbildung ist jährlich seit Beginn der Ausbildung gestiegen. Für das kommende Einstellungsjahr läuft die Bewerbungsfrist noch bis 31.12.2020.
Förderung des Quereinstiegs:
Das Durchschnittsalter der Auszubildenden im Erzieherberuf beträgt 31,4 Jahre. 75 % aller Auszubildenden haben vor der Ausbildung ein Studium bzw. eine andere Ausbildung abgeschlossen. Die übrigen Auszubildenden haben vorher die Ausbildung z. Sozialassistenten/-in absolviert. Die Zahlen belegen, dass die finanzierte und dualisierte Ausbildung sehr gut geeignet ist, um Quereinsteigern den Weg in die Ausbildung zu ermöglichen.
Diversität:
Der Anteil an männlichen Auszubildenden beträgt 38,3 Prozent. Im Vergleich dazu liegt der Männeranteil bei den ausgebildeten Fachkräften bei 25,5 %. Sachsenweit sind sogar nur 10,3 % der Erzieher/-innen männlich (Quelle: destatis, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe, März 2020). Die Ausbildung leistet somit einen guten Beitrag, die Diversität in den städtischen Kindertageseinrichtungen weiter zu verbessern.
Vorzeitige Beendigung der Ausbildung:
Seit dem Beginn der Ausbildung im Jahr 2018 wurden 13 Ausbildungsverhältnisse, meist in der Probezeit, vorzeitig beendet. Es handelte sich dabei sowohl um Kündigungen durch die Stadtverwaltung, als auch um Kündigungen seitens einzelner Auszubildender aus unterschiedlichsten Gründen. Dies entspricht einer Vertragslösungsquote von 10 %. Diese Quote spricht für einen guten Verlauf der Ausbildung, denn im Bundesdurchschnitt aller dualen Ausbildungsberufe wird sogar jedes vierte Ausbildungsverhältnis vorzeitig aufgelöst.
Einschätzung der Praxisanleiter/-innen:
In regelmäßigen Austauschrunden und Gesprächen mit den Praxisanleitern/-innen wurde deutlich, dass der Ablauf und die Organisation der städtischen Ausbildung von Praxisanleitern/
-innen grundsätzlich positiv bewertet wird.
Einschätzung der Auszubildenden:
Im Rahmen der Evaluation der Erzieherausbildung wurde aktuell eine anonymisierte Befragung zur Zufriedenheit bei den Auszubildenden mit folgenden Ergebnissen durchgeführt:
Einstellungsjahr | 2018 und 2019 |
2020 |
Ich bin sehr zufrieden mit der Vermittlung der Lerninhalte (Präsenz und online). | 2,09 | 1,9 |
Die zur Verfügung gestellten Lehrmaterialien sind sehr hilfreich. | 1,94 | 1,66 |
Ich bin sehr zufrieden mit der Kommunikation der Schule. | 1,94 | 1,34 |
Die schulischen Inhalte sind sehr hilfreich für die Bewältigung von Aufgabenstellungen und Fragen in der Praxis. | 2,09 | 2,29 |
Die praktischen Erfahrungen helfen sehr gut, die schulischen Lerninhalte besser zu verstehen. | 1,62 | 1,6 |
Ich bin sehr zufrieden mit der Betreuung durch die Ausbilderinnen im Personalamt. | 1,53 | 1,44 |
Ich bin sehr zufrieden mit der Begleitung durch d. Praxisanleiter/-in in der Praxiseinrichtung. | 1,66 | 1,41 |
Legende: 1,0 = trifft voll und ganz zu / 2,0 = trifft eher zu / 3,0 = teils/teils / 4,0 = trifft eher nicht zu / 5,0 = trifft überhaupt nicht zu
Das Ergebnis zeigt, dass alle Auszubildenden im Erzieherberuf mit der theoretischen und praktischen Ausbildung im Durchschnitt (sehr) zufrieden sind.
Der Einstellungsjahrgang 2020 ist der erste, der im Rahmen der ausgeschriebenen Fachschulkooperation in zwei homogenen Klassen ausgebildet wird. Aus diesem Grund wurde diese Gruppe getrennt befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zufriedenheit im Einstellungsjahrgang 2020 u. a. auch bei den Fragen zum Theorieunterricht etwas besser ausfällt. Die Kooperation mit der Fachschule ist sehr gut angelaufen.
Zu 6.)
Da zum aktuellen Zeitpunkt der personelle Bedarf hinsichtlich der Verbesserung des Betreuungsschlüssels nicht dargestellt werden kann, werden hier mögliche Personalmarketingmaßnahmen bei erhöhtem Personalbedarf aufgeführt. Zum Teil wurden diese Maßnahmen auch bereits erfolgreich bei erhöhtem Personalbedarf in 2019 und 2020 eingesetzt.
Neben Stellenausschreibungen für die Tätigkeit als Erzieherinnen und Erziehern in Kitas und Horten in verschiedenen Medien und auf mehreren Portalen (wie z. B. leipzig.de, Interamt, bund.de, Intranet, Indeed und externe Fach-Stellenbörsen wie jobs-sozial.de, socialnet, Kita-Bildungsserver.de und Bildungsserver.de sowie Backinjob) werden in Abhängigkeit der Bedarfe Stellenposts in den Sozialen Medien über den Facebook, Instagram und Twitter-Account der Stadt Leipzig erfolgen.
Zudem werden die Stellenausschreibungen in kommunalen Einrichtungen sowie an verschiedenen Schul- und Ausbildungsstätten in Sachsen und teilweise Sachsen-Anhalt über Aushänge oder digitale Jobwalls verteilt. Die Ansprache von Fachkräften in den Einrichtungen zielt darauf ab, dass diese, aber ggf. auch Eltern, die Informationen in ihren Netzwerken teilen können. Über die Aushänge in Ausbildungseinrichtungen werden vor allem Berufseinsteiger/ Absolventen erreicht. Ergänzend dazu nehmen Fachamt und Personalamt zum Jahresende und -beginn (vor Beginn der Bewerbungsphase der auslernenden Erzieher/-innen) an Informationsveranstaltungen/Hausmessen der Ausbildungseinrichtungen teil, um die Stadt Leipzig als Arbeitgeberin vorzustellen und über Berufseinstiegschancen in den kommunalen Einrichtungen zu informieren und Bewerber/-innen zu gewinnen. Das Personalamt ist darüber hinaus mit der Agentur für Arbeit zur Besetzung freier Stellen in Kontakt.
Die Präsenz der Arbeitgeberin Stadt Leipzig auf Fachportalen soll im Bedarfsfall weiter ausgebaut werden, um neben Online-Stellenanzeigen auf Stepstone, XING, Facebook etc. auch überregionale Bewerber/-innen anzusprechen.
Ergänzend sind im Bedarfsfall je nach Entwicklung des Personalbedarfs im Rahmen einer Personalmarketingkampagne Flyer-, Plakat-, Radiowerbung sowie Werbung im ÖPNV denkbar. Dies ginge mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen einher. U. a. im Rahmen einer solchen Kampagne bietet sich der Aufbau von einer Landingpage/Microsite auf leipzig.de an, um das Berufsbild der Erzieher/-innen vorzustellen und Informationen zum Arbeitsalltag, Rahmenbedingungen, Einsatzmöglichkeiten etc. zu geben.
Eine weitere Maßnahme wäre, die Möglichkeit noch stärker zu nutzen, Erzieher/-innen in Ausbildung, die ihr Praktikum in einer kommunalen Einrichtung absolviert haben, möglichst frühzeitig an die Stadt Leipzig zu binden und aktiv zur Bewerbung zum Ende der Ausbildung aufzufordern.
All diese Maßnahmen sind als Optionen zu verstehen, die mittel- bzw. langfristig einem erhöhten Bedarf ergänzend zur berufsbegleitenden Ausbildung begegnen können.