Anfrage: Pflegeberatung in Leipzig stärken - Modellkommune Pflege

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. September 2017

Das am 01. Januar 2017 in Kraft getretene Dritten Pflegestärkungsgesetz  (PSG III) eröffnet 60 Kommunen in Deutschland die Möglichkeit, „Modellkommune Pflege“ zu werden.
Es heißt dort unter § 123 (1) Die für die Hilfe zur Pflege zuständigen Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch können Modellvorhaben zur Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen für ihren Zuständigkeitsbereich bei der zuständigen obersten Landesbehörde beantragen, sofern dies nach Maßgabe landesrechtlicher
Vorschriften vorgesehen ist. Ist als überörtlicher Träger für die Hilfe zur Pflege durch landesrechtliche Vorschriften das Land bestimmt, können die örtlichen Träger der Sozialhilfe, die im Auftrag des Landes die Hilfe zur Pflege durchführen, Modellvorhaben nach Satz 1 beantragen.

Wir fragen:

  1. Wird sich die Stadt Leipzig  um die Stellung als Modellkommune bewerben?
  2. Wenn nicht: Wie beteiligt sich die Kommune am Auf- und Ausbau niedrigschwelliger Angebote zur Beratung Pflegebedürftigen?
  3. Welche Angebote gibt es bisher in der Stadt Leipzig, die nicht von den Krankenkassen getragen werden?
  4. Wie wird die Zusammenarbeit und Transparenz zwischen den Akteuren verbessert, wenn es um die Beratung von pflegebedürftigen Menschen geht?
  5. In der Vorlage VI-DS-04159 (INSEK) heißt es:
    Bei konstanten Pflegequoten wird ein Zuwachs an Pflegefällen erwartet. Die Erweiterung des Pflegebegriffs durch das Pflegestärkungsgesetz II und die Einführung von Pflegegraden gehen mit Leistungserweiterungen, z. B. durch die Aufnahme von Demenzerkrankungen, einher. Durch den Rückgang familiärer Hilfestrukturen steigt die Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste.
    Welche zahlenmäßigen Prognosen liegen dieser Einschätzung zugrunde?
  6. In welchem Umfang muss die Infrastruktur für die professionelle Pflege wachsen? Wie viele Plätze (stationär, teilstationär und ambulant) werden vermutlich benötigt?
  7. In der Vorlage INSEK (Seite 10) heißt es: „Möglicherweise wird in Sachsen in den kommenden Jahren eine kommunale Pflicht zur Beratung und Vernetzung im Bereich Pflege eingeführt.“  Wie reagiert die Stadt auf diese Möglichkeit?

Die Antwort der Verwaltung:
zu 1.
Die Kommunen als Sozialhilfeträger können Modellvorhaben zur Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen beantragen, wenn dies nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften vorgesehen ist (§ 123 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch – SGB XI). Diese landesrechtlichen Vorschriften – etwa ein Landespflegegesetz, das die Einrichtung von Modellkommunen vorsieht – gibt es in Sachsen nicht. Insofern kann die Stadt Leipzig sich trotz bestehenden Interesses nicht bewerben.

Die Stadt Leipzig befürwortet das Ziel des Pflegestärkungsgesetzes III, die Kommunen stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich einzubinden. Mit dem Pflegestärkungsgesetz III wurde die Rolle der Kommunen in der Pflege jedoch nur marginal gestärkt. Die kommunalen Handlungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der lokalen Pflegeinfrastruktur und die Verbesserung der wohnortnahen Versorgung und Unterstützung im Alter und bei Pflegebedürftigkeit sind nach wie vor sehr beschränkt. Die frühzeitige Kritik der kommunalen Spitzenverbände und des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge am Gesetzentwurf blieb in weiten Teilen unberücksichtigt. Auch der Bundesrat hat die Konstruktion zu den Modellprojekten deutlich kritisiert. Modellvorhaben zur kommunalen Beratung werden durch die vorgesehene rechtliche Ausgestaltung erschwert. § 123 Abs. 4 SGB XI bestimmt beispielsweise, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände, der Verbände der Behinderten und Pflegebedürftigen auf Bundesebene sowie des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. Empfehlungen über die konkreten Voraussetzungen, Ziele, Inhalte und Durchführung der Modellvorhaben beschließt. Erforderlich ist die Zustimmung durch das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesländer. Die Befürchtungen, dass Rahmenempfehlungen auf Bundesebene zu erheblichen (inhaltlichen) Einschränkungen der Modellvorhaben führen, haben sich bestätigt. Zu dem inzwischen vorgelegten Entwurf des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen haben die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam Stellung genommen und viele Änderungen und Verbesserungen angeregt. Diese betreffen u.a. die Einschränkungen bei der Delegation der Beratungsaufgaben durch die Modellkommune, einschränkende Vorgaben zur Einbeziehung bestehender Beratungs- und Kursangebote und die Beteiligung der Pflegekassen mit sächlichen, personellen und finanziellen Mitteln. Die Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände blieben weitgehend unberücksichtigt. Ob der Entwurf die Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums und der Länder findet, bleibt abzuwarten. Das bundesweite Echo und die Bereitschaft zur Einrichtung von Modellkommunen ist auch in den Bundesländern gering, die eine landesrechtliche Regelung getroffen haben oder treffen wollen.

zu 2.
In Leipzig wird ein kommunales Pflegenetzwerk („Leipziger Kooperation Pflege“) aufgebaut und von der Pflegekoordinatorin im Sozialamt koordiniert. Zu den Aufgaben gehört die Vernetzung aller in der Pflege tätigen Akteure. Besonderes Augenmerk wird auf den Ausbau niedrigschwelliger Angebote gelegt. Verschiedene Initiativen und Institutionen der Nachbarschaftshilfe, Alltagsbegleiter und Seniorengenossen­schaften sind in das Netzwerk eingebunden und werden beim Aufbau der Angebote kontinuierlich unterstützt.

zu 3.
Für die Leistungen im Bereich der Pflege sind die Pflegekassen zuständig. Mit Einrichtung und Förderung von Pflegekoordinatoren durch den Freistaat Sachsen begann die Datenerhebung aller Angebote auch in den Kommunen. In Leipzig wurden alle Partner und Akteure im Bereich der Pflege erfasst und um Datenfreigabe zur Eintragung in die Onlinedatenbank „Pflegenetz Sachsen“gebeten. Die nunmehr vorliegenden Daten sind Grundlage für eine Übersicht zu den Angeboten in Leipzig. Sie können unter https://www.pflegenetz.sachsen.de/pflegedatenbank/ abgerufen werden.

zu 4.
Im kommunalen Pflegenetzwerk „Leipziger Kooperation Pflege“ sind alle Pflegekassen vertreten, die selbst Pflegeberater/-innen in Leipzig beschäftigen (AOK, IKK, Knappschaft). Darüber hinaus werden weitere Partner im Bereich der Pflegeberatung aktiv angesprochen und deren Mitwirkung im Netzwerk angestrebt.

zu 5. 
Die Entwicklungserwartung an Pflegefällen beruht auf der städtischen Bevölkerungsvorausschätzung 2016, die eine steigende Anzahl älterer Menschen in Leipzig bis 2030 prognostiziert. Die steigende Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste beschreibt einen bundesweit beobachtbaren Trend. Zahlenmäßige Prognosen der zuständigen Pflegekassen liegen der Stadt Leipzig nicht vor.

zu 6.
In einer Arbeitsgruppe des Netzwerkes „Leipziger Kooperation Pflege“ werden kurzfristige Bedarfe der pflegerischen Versorgung erörtert. Eine fundierte und komplexe Pflegebedarfsplanung kann das aber nicht ersetzen. Pflegebedarfsplanung ist Aufgabe der Länder (§ 9 SGB XI). In Sachsen gibt es keine landesrechtlichen Vorschriften, die eine konkrete Pflegebedarfsplanung, Zuständigkeiten und Auskunftspflichten regeln und den Kommunen eine Bedarfsfestlegung in der Pflege ermöglichen.

zu 7.
Diese Möglichkeit ist derzeit nur mit der Einrichtung einer Modellkommune – und in Sachsen mangels landesrechtlicher Vorschriften derzeit gar nicht – gegeben. Der Umgang der Stadt Leipzig mit künftigen Aufgabenübertragungen durch Bund und/oder Land wird sich an den konkreten Rahmenbedingungen orientieren. Mit dem Netzwerk „Leipziger Kooperation Pflege“ ist die Grundlage für ein weitergehendes Engagement der Stadt Leipzig im Bereich der Pflege gelegt. Zusätzliche Verpflichtungen der Kommunen müssen mit der Bereitstellung entsprechender Ressourcen einhergehen.

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