Anfrage: Prioritätensetzung in der Wasserwirtschaft?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 14. Dezember 2022

Der Presse war zu entnehmen, dass die Stadt viele neue Ideen aus der World Canals Conference 2022 gezogen hat. Neue Pläne zum weiteren Ausbau der Leipziger Kanäle stehen im Raum. Auf der anderen Seite sind eine Reihe von Maßnahmen wie die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu beachten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Welche wasserwirtschaftlichen Projekte plant die Stadt gerade und mit welchen Prioritäten werden diese bearbeitet? (mit Bitte um Aufschlüsselung zu Umsetzungsstand, Kosten einschließlich Eigenanteile und Förderung sowie Zeitschiene und Rangfolge unter Angabe des Grunds der Priorisierung)
  2. Ist die Umsetzung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere des Verbesserungsgebotes bis 2027, aus Sicht der Stadt realistisch umsetzbar und wenn 'nein' warum nicht und welche Konsequenzen kann das für die Stadt ggf. wegen eines Verfahrens zur EU-Vertragspflichtverletzung haben?
  3. Ist in Zeiten knapper werdenden Wassers in der Region Leipzig die Aufrechterhaltung der Planungen für die Öffnung bzw. Errichtung von Kanälen, z.B. des Elster-Saale-Kanals, der Wasserschlange Markkleeberg, des Harthkanals u.a. realistisch und wenn ja aufgrund welcher Annahmen?
  4. In welchem mittel- und langfristigen Zeithorizont und mit welchem finanziellen Volumen wird die Umsetzung des Auenentwicklungskonzeptes, insbesondere die Deregulierung des Leipziger Gewässerknotens und die Bespannung des nordwestlichen Auwalds in den Planungen der Stadtverwaltung enthalten?

 

Antwort vom 13. Dezember 2022

  1. Welche wasserwirtschaftlichen Projekte plant die Stadt gerade und mit welchen Prioritäten werden diese bearbeitet? (mit Bitte um Aufschlüsselung zu Umsetzungsstand, Kosten einschließlich Eigenanteile und Förderung sowie Zeitschiene und Rangfolge unter Angabe des Grunds der Priorisierung)

 

Die Stadtverwaltung Leipzig arbeitet gerade an der Umsetzung der Punkte 5 und 6 der Vorlage Nr. VII-DS-00815 vom 15.03.2022. Mit dem Punkt 6 hat der Stadtrat die Stadtverwaltung beauftragt, eine Priorisierung der Vorhaben zur Öffnung der Leipziger Mühlgräben sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vorzulegen. Diesen Sachstand bereitet die Verwaltung gerade vor. Eine Vorstellung dazu ist im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung im 1. Quartal 2023 vorgesehen.

 

 

  1. Ist die Umsetzung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere des Verbesserungsgebotes bis 2027, aus Sicht der Stadt realistisch umsetzbar und wenn 'nein' warum nicht und welche Konsequenzen kann das für die Stadt ggf. wegen eines Verfahrens zur EU-Vertragspflichtverletzung haben?

 

Die Wasserrahmenrichtlinie gilt grundsätzlich für alle Oberflächengewässer und das Grundwasser. Einige Gewässer, sogenannte Oberflächenwasserkörper, sind gegenüber der EU berichtspflichtig. Deshalb werden sie prioritär bearbeitet. Kleinere Gewässer werden dem Oberflächenwasserkörper zugeordnet, in den sie münden.

 

In der Stadt Leipzig sind folgende Gewässer II. Ordnung Oberflächenwasserkörper:

 

  • Floßgraben
  • Elstermühlgraben
  • Pösgraben
  • Nördliche Rietzschke
  • Lösegraben
  • Östliche Rietzschke als Bestandteil des OWK Parthe-4
  • Krebsgraben als Bestandteil des OWK Weiße Elster-9
  • Alte Luppe
  • Zschampert
  • Kulkwitzer See

 

In Leipzig gibt es zwei Grundwasserkörper, für die der gute mengenmäßige und chemische Zustand erreicht werden muss. Hier liegen Schwerpunkte beispielweise in der wassersensiblen Stadtentwicklung und Stützung des Wasserhaushalts.

 

Nach derzeitigem Stand hat kein Fließgewässer im Stadtgebiet die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie im Zeitraum der ersten beiden Bewirtschaftungszyklen (2009 - 2021) erreicht. Über viele Jahrzehnte hinweg wurden im Leipziger Raum Gewässer umverlegt, begradigt und Stauhaltungen (Wehre, Staustufen etc.) geschaffen. Die Flüsse wurden von ihren Auenbereichen abgetrennt und der für die Organismen so wichtige Sedimenttransport erheblich gestört. Darüber hinaus sind die Gewässer durch den Bergbau beeinflusst. „Neue“ Belastungen, wie klimawandelbedingte Änderungen des Wasserhaushalts, der Strukturwandel inklusive Kohleausstieg, die Erhöhung des Versiegelungsgrades sowie der Wasserentnahmen in der gesamten Leipziger Region, kommen hinzu. Die Umkehr dieser Entwicklung ist Aufgabe von Generationen.

 

In den kommenden Jahren ist daher ein deutlich erhöhter Arbeits- und Kostenaufwand für die Unterhaltung und die Renaturierung der Gewässer 2. Ordnung in der Stadt Leipzig erforderlich. Einerseits, um den gesetzlichen Erfordernissen gemäß Wasserrahmenrichtlinie nachzukommen, andererseits werden durch solche Maßnahmen positive Effekte auf die Klimaanpassung (z. B. Wasserrückhalt, Stadtklima etc.), die Biodiversität und die Stadtentwicklung (grün-blaue Infrastruktur) erzielt. Durch den hohen Nutzungsdruck auf die Gewässer und die Flächenkonkurrenz sowohl im urbanen Umfeld als auch in der Agrarlandschaft sind Gewässerrenaturierungen komplexe und langwierige Planungsprozesse.

 

Berichtspflichtige Gewässer mit besonderer Wichtigkeit für den Hochwasserschutz (Nördliche Rietzschke und Pösgraben) sind somit Bearbeitungsschwerpunkte.

 

Um Strafzahlungen zu vermeiden, werden Maßnahmen im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie kontinuierlich identifiziert, geplant und umgesetzt. So arbeitet die Stadt Leipzig weiterhin konsequent daran, die Maßnahmen, wie beispielsweise Gewässerrenaturierungen, Erhalt der Leipziger Flussauenlandschaft und Offenlegung verrohrter Gewässer, fort- und umzusetzen.

 

Das Ziel der Stadt Leipzig ist es, den folgenden Generationen eine nachhaltige Gewässer- und Auenlandschaft mit dynamischen und stressresistenten Ökosystemen zu hinterlassen.

 

  1. Ist in Zeiten knapper werdenden Wassers in der Region Leipzig die Aufrechterhaltung der Planungen für die Öffnung bzw. Errichtung von Kanälen, z. B. des Elster-Saale-Kanals, der Wasserschlange Markkleeberg, des Harthkanals u.a. realistisch und wenn ja aufgrund welcher Annahmen?

 

Die o. g. Planungen sind immer unter den aktuellen klimatischen und wasserwirtschaftlichen Randbedingungen vorzunehmen. Das Wasserdargebot und die Wasserverteilung spielen dabei eine wichtige Rolle. Seit wenigen Jahren arbeitet eine s. g. Facharbeitsgruppe Flussgebietsbewirtschaftung unter Federführung der Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, an dem Thema „Bewirtschaftung der knappen Wasserressourcen“.

 

In dieser Arbeitsgruppe arbeiten alle Unteren Wasserbehörden, die Stadt Leipzig, das LfULG, die LTV, die MIBRAG, die LMBV, das SMEKUL und die Auenkoordinatoren an der Thematik des Wasserdargebotes und der Wasserverteilung (Wasserbewirtschaftung) zusammen. Diese Arbeitsgruppe hat sowohl den Kohleausstieg mit all seinen wasserwirtschaftlichen Auswirkungen als auch die ökologischen Bedarfe der Gewässer und der Nutzer der Gewässer im Blick. Um die verschiedenen Nutzungsansprüche untereinander zu wichten, gibt es Grundsätze für die Bewirtschaftung aller künstlichen und natürlichen Gewässer in unserem Raum.

 

Die vorliegenden Erkenntnisse geben keinen fachlichen Anhaltspunkt dazu, o. g. Projekte nicht umsetzen zu können. Beispielhaft sei der Harthkanal benannt. Der Harthkanal wirkt multifunktional, so zur Überschusswasserableitung, zur Ableitung von Hochwasser sowie für den Wassertourismus. Zurzeit wird das Überschusswasser vom Zwenkauer See in den Cospudener See gepumpt, was weder nachhaltig noch ausreichend für die optimale Hochwasserentlastung ist.

 

  1. In welchem mittel- und langfristigen Zeithorizont und mit welchem finanziellen Volumen wird die Umsetzung des Auenentwicklungskonzeptes, insbesondere die Deregulierung des Leipziger Gewässerknotens und die Bespannung des nordwestlichen Auwalds in den Planungen der Stadtverwaltung enthalten?

 

Gegenwärtig laufen die Auenentwicklungskonzepte für die Nordwestaue – als Bestandteil des Projektes Lebendige Luppe – sowie das Auenentwicklungskonzept Südaue. Das Auenentwicklungskonzept Nordwestaue wird bis 12/2023 vorliegen. Die Fertigstellung des Auenentwicklungskonzeptes Südaue und die Zusammenführung zu einem Gesamtkonzept für die Leipziger Auenlandschaft ist für 2024 geplant. Im Rahmen der Konzepte werden Handlungs-/Maßnahmenprogramme erarbeitet, welche Maßnahmenvorschläge – differenziert in eine Mittelfrist-(bis 2030) und Langfristperspektive (2050+) – einschließlich einer überschlägigen Kostenschätzung enthalten.

 

Bestandteil des Auenentwicklungskonzeptes Südaue ist auch der Umgang mit dem Elsterbecken. Dieses berücksichtigt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie inklusive Sedimenthaushalt für die Gewässer 1. Ordnung im Gewässerknoten durch den Freistaat Sachsen. Die Ergebnisse sind bei der Fortschreibung des Integrierten Gewässerkonzeptes, welche in Federführung des Freistaates Sachsen und kooperativer Mitwirkung der Stadtverwaltung erfolgen muss, zu berücksichtigen. Die Mitwirkung erfolgt speziell unter dem Fokus der Auenentwicklung und der gebotenen wasserwirtschaftlichen Randbedingungen für die städtischen Mühlgräben.

 

Im Projekt Lebendige Luppe wird die Wasserverteilung am nördlichen Gewässerknoten mitbetrachtet. Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse im Projekt ist von einer Änderung der gegenwärtigen Wasserverteilung und deren wasserrechtlicher Festschreibung zugunsten der Leipziger Aue auszugehen.

 

Als weiterer Schritt zur Auenrevitalisierung wird das Förderinstrument Naturschutzgroßprojekt des Bundesamtes für Naturschutz angesehen. Das mehrstufige Antragsverfahren wird aktuell in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen vorbereitet. Der konkrete Start des Projektes mit der Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplanes (Phase 1) ist für 2024 geplant. Hinsichtlich des finanziellen Umfangs wird in dieser frühen Antragsphase von einem Fördervolumen i. H. v. 40 - 50 Mio. Euro (brutto) ausgegangen. Dies begründet sich mit i. d. R. sehr kostenintensiven gewässerbaulichen Maßnahmen.

 

Das Naturschutzgroßprojekt ist nur einer der weiteren, allerdings elementaren, Bausteine der langfristigen Auenentwicklung und baut inhaltlich auf die Ergebnisse der Auenentwicklungskonzepte Nordwestaue und Südaue sowie auf die Erfahrungen aus dem Projekt Lebendige Luppe auf.

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