Anfrage: Prüfung der Zustände in „menschenverachtendem“ WG-Haus in Lindenau
Link zur Anfrage VIII-F-01018 im Ratsinformationssystem
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 16. April 2025
In Sozialen Medien und Presse wurde umfangreich über die Zustände in einer „menschenverachtenden“ WG-Haus in Leipzig-Lindenau, Demmeringstr. 100a berichtet. Einem der Berichterstattung zugrundeliegendem Inserat zufolge verfügt die WG über insgesamt 14 zellenartig angeordnete Zimmer von 7, 9 und 11 qm Zimmergröße zu einer monatlichen Kaltmiete von jeweils 265 EUR, 305 EUR und 330 EUR, woraus sich selbst bei Umlage der geteilten Flächen von Flur, Küche und Bad ein mehrfaches der durchschnittlichen Kaltmiete in Leipzig ergibt. Kalkuliert wird nach Presseberichten mit monatlichen Mieteinnahmen von 4.225 EUR. Dem stehen eine nicht funktionierende Heizung, defekte WCs und Steckdosen sowie ungesicherte Kabel gegenüber. Zudem ist offenbar keine Abfallentsorgung vorhanden. Eine Kündigung des Mietvertrags ist nur jährlich zu Ende September möglich.
Seitens der Stadtverwaltung wurde nach der Presseberichterstattung eine bauaufsichtliche Prüfung angekündigt. Angesichts der unhaltbaren Zustände mit einer Fülle von offensichtlichen Rechtsverstößen ist von Interesse, wie diese bewertet werden und welche Konsequenzen die Stadtverwaltung daraus zieht.
Wir fragen an:
- Zu welchem Ergebnis ist die seitens der Stadtverwaltung angekündigte bauaufsichtliche Prüfung der Wohnung gekommen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Wie bewertet die Stadtverwaltung die Miethöhen der Wohnung hinsichtlich des Verdachts auf eine Mietpreisüberhöhung gemäß § 5 WiStrG oder Mietwucher gemäß § 291 StGB und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Verstößt die Wohnungsaufteilung gegen Regelungen der Sozialen Erhaltungssatzung und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Aus welchen Gründen ist vor Ort keine Abfallentsorgung vorhanden und welche Konsequenzen zieht dies für den Vermieter nach sich?
- Wie bewertet die Stadtverwaltung die in der Presseberichterstattung erwähnten Regelungen zur Kündigung des Mietvertrags?
- In Bezug auf welche weiteren rechtlichen Regelungen wurden Verstöße seitens der Stadtverwaltung geprüft und zu welchem Ergebnis sind diese gekommen?
- Ist der Vermieter der Stadtverwaltung bereits durch Rechtsverstöße oder an die Stadtverwaltung herangetragene Beschwerden in diesem Objekt oder in anderen Objekten bekannt?
- Inwiefern kann das Sozialamt, Abt. Soziale Wohnhilfen, die Mieter*innen gegenüber dem Vermieter in der aktuellen Angelegenheit unterstützen?
- In welchem Umfang sind der Stadtverwaltung ähnliche Fälle bekannt, werden diese dokumentiert und welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung z.B. aus gewerberechtlicher Sicht gegen Vermieter mit einer wiederholt widerrechtlichen Vermietungspraxis vorzugehen?
Antwort vom 15. April 2025
Frage 1): Zu welchem Ergebnis ist die seitens der Stadtverwaltung angekündigte bauaufsichtliche Prüfung der Wohnung gekommen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Eine Begehung des Gebäudes erfolgte durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege (ABD) mit dem Stadtordnungsdienst am 31.03.2025. Im Ergebnis der Besichtigung erfolgte die Einleitung eines Anhörungsverfahrens am 02.04.2025 gegenüber dem Grundstückseigentümer.
Der Grundstückseigentümer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, hat nach dem Anhörungsschreiben und einer Akteneinsicht eine rechtliche Würdigung der Sach- und Rechtslage am 10.04.2025 dargelegt. Derzeit wird intern die Ausarbeitung des Rechtsanwaltes in rechtlicher Hinsicht geprüft und gewertet.
Frage 2): Wie bewertet die Stadtverwaltung die Miethöhen der Wohnung hinsichtlich des Verdachts auf eine Mietpreisüberhöhung gemäß § 5 WiStrG oder Mietwucher gemäß § 291 StGB und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Die in der Berichterstattung genannte Höhe der Miete deutet darauf hin, dass ein Verstoß nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz oder § 291 Strafgesetzbuch vorliegen könnte. Zur Prüfung derartiger Verstöße muss der/die Mieter/-in als Zeuge/-in auftreten und selbstständig beim Sozialamt den Vorgang anzeigen, z.B. unter mietwucher@leipzig.de. Sachdienliche Hinweise und Unterlagen werden anschließend durch das Sozialamt ermittelt. Nach aktuellem Sachstand liegen keine Meldungen der Mieter/-innen in der Demmeringstraße 100a in Bezug auf Mietpreisüberhöhung oder Mietwucher vor.
Frage 3): Verstößt die Wohnungsaufteilung gegen Regelungen der Sozialen Erhaltungssatzung und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Dem Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung (AWS) liegt kein erhaltungsrechtlicher Antrag aufgrund der Lage des Objektes im Umgriff der Sozialen Erhaltungssatzung Alt-Lindenau vor. Auch keine Vorabstimmung zur baulichen Änderung hat stattgefunden. Im Sozialen Erhaltungsrecht sind u.a. Vorhaben der Nutzungsänderung und der baulichen Änderung genehmigungspflichtig. Dies gilt auch für nicht baugenehmigungspflichtige Vorhaben. Bauliche Maßnahmen ohne entsprechende erhaltungsrechtliche Genehmigung können als Ordnungswidrigkeit gelten und mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können. Die weiteren Schritte des AWS sind abhängig vom Ergebnis der Anhörung des ABD mit dem Eigentümer.
Frage 4): Aus welchen Gründen ist vor Ort keine Abfallentsorgung vorhanden und welche Konsequenzen zieht dies für den Vermieter nach sich?
Die Leipziger Stadtreinigung prüft aufgrund der Meldung der vermeintlich nicht angemeldeten Entsorgung den Sachverhalt und – im Falle der Bestätigung des Verdachts – erzwingt das Bereitstellen und Leeren von Abfallbehältern. Für das Verhängen eines Bußgelds würde die Stadtreinigung den Vorgang an das Ordnungsamt weiterleiten.
Frage 5): Wie bewertet die Stadtverwaltung die in der Presseberichterstattung erwähnten Regelungen zur Kündigung des Mietvertrags?
Hierzu kann die Stadtverwaltung keine Bewertung vornehmen. Ob bezüglich der Regelungen zur Kündigung Mängel vorliegen, sollte durch einen Fachanwalt geprüft werden. Mögliche Ansprüche sind zivilrechtlich durch die betroffenen Personen zu verfolgen.
Frage 6): In Bezug auf welche weiteren rechtlichen Regelungen wurden Verstöße seitens der Stadtverwaltung geprüft und zu welchem Ergebnis sind diese gekommen?
Dies ist abhängig vom Ergebnis der Anhörung des ABD mit dem Eigentümer.
Frage 7): Ist der Vermieter der Stadtverwaltung bereits durch Rechtsverstöße oder an die Stadtverwaltung herangetragene Beschwerden in diesem Objekt oder in anderen Objekten bekannt?
Der Stadtverwaltung ist bekannt, dass die United Capital RE GmbH, deren Rechtsnachfolger und/oder die einzelnen (ehemaligen) Geschäftsführer selbiger Firma an der Praxis des Aufkaufs von Immobilien zwecks Umgestaltung in sog. Studierendenapartments, auch unter Missachtung der Prämissen der Sozialen Erhaltungssatzung, festhalten und sich daraus für Mieter/-innen in den betreffenden Häusern der Wohnkomfort und damit die Mieten deutlich ändern.
Seit Bekanntwerden des Vorgangs in der Demmeringstraße sind drei weitere bauliche Änderungen von United Capital, deren Rechtsnachfolger und/oder Geschäftsführer registriert worden. Diese sind zunächst im AWS in der Vorprüfung. Weitere Angaben können mit Blick auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte, aus verfahrensrechtlichen Gründen und den hiermit verbundenen datenschutzrechtlichen Belangen nicht getroffen werden.
Auf Mietpreisüberhöhung und Mietwucher wurde in der Beantwortung zu Frage 2 bereits ausgeführt, dass keine Meldungen (Stand 02.04.2025) vorliegen.
Frage 8) Inwiefern kann das Sozialamt, Abt. Soziale Wohnhilfen, die Mieter*innen gegenüber dem Vermieter in der aktuellen Angelegenheit unterstützen?
Im Sozialamt erhalten die Bürger/-innen durch fachlich versierte Mitarbeiter/-innen eine umfassende und alle sozialen Themen betreffende Beratung. Zu dieser gehört auch die Überleitung zu passenden Angeboten, wie beispielsweise dem Mieterverein Leipzig e.V.
Sofern Mieter/-innen eine rechtliche Beratung wünschen, können sie außerdem mit Hilfe eines vom Amtsgericht Leipzig ausgestellten Beratungsscheins eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Mietrecht aufsuchen und eine erste kostenfreie Beratung erhalten.
Ebenfalls durch die Stadt Leipzig gefördert wird die Informationsstelle für Mieter/-innen beim Leipziger Erwerbslosenzentrum e.V., zu der eine Verweisberatung erfolgen würde.
Sofern die Mieter/-innen Unterstützung bei der Wohnungssuche benötigen oder eine Sozialwohnung anmieten möchten, sollte der Wohnberechtigungsschein beantragt werden. Dieser kann im Sachgebiet Wohnraumversorgung in der Prager Straße 21 oder online unter www.leipzig.de/wohnberechtigung beantragt werden.
Das Sachgebiet Wohnungsnotfallhilfe berät primär Haushalte, welche vor dem Wohnungsverlust stehen oder bei denen bereits Wohnungsverlust eingetreten ist. Bei Paaren mit/ohne Kind kann eine Gewährleistungseinheit des Sozialamtes unter gewissen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, sollte der Wohnraum nicht erhalten werden können.
Frage 9:) In welchem Umfang sind der Stadtverwaltung ähnliche Fälle bekannt, werden diese dokumentiert und welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung z.B. aus gewerberechtlicher Sicht gegen Vermieter mit einer wiederholt widerrechtlichen Vermietungspraxis vorzugehen?
Ähnliche Fälle, die sowohl bauordnungsrechtliche als auch mietrechtliche Missstände aufweisen, sind der Verwaltung nicht bekannt.
Im Falle von ungenehmigten baulichen Änderungen in Wohnungen, die in festgesetzten Gebieten der Sozialen Erhaltungssatzung liegen, wird ein aktueller Sachstand in der Antwort zur Anfrage VIII-F-00991 der Ratssitzung vom 16.04.2025 gegeben.