Anfrage: "Regionalbeauftragter Flughafen Halle/Leipzig"

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 24. Februar 2021

Der Flughafen Leipzig/Halle bestellt Herrn Hermann Winkler, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, ehemaliges Mitglied des Sächsischen Landtags, ehemaliger Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei, als Regionalbeauftragten. In Herrn Winklers Amtszeit fiel im Übrigen die Entscheidung der DHL gegen Brüssel und für Leipzig/Halle.

 

  1. Wer bzw. welche Gremien haben über besagte Personalie entschieden?
  2. Inwieweit ist Leipzig als Gesellschafter des Flughafens Leipzig/Halle in die Personalentscheidung eingebunden worden?
  3. Sofern Leipzig einbezogen war: Wie hat die Stadt in dieser Personalfrage entschieden?
  4. Was qualifiziert Herrn Winkler als Regionalbeauftragten des Flughafens?
  5. Mit welchen Vollmachten ist der Regionalbeauftragte ausgestattet?
  6. Wird Herr Winkler der Funktion als Regionalbeauftragter im Ehrenamt nachkommen? Wenn nicht, wer kommt für die entsprechenden Bezüge auf?
  7. Wie positioniert sich die Stadt als Gesellschafter des Flughafens Leipzig/Halle zu der Tatsache, dass sich die Gesellschafter einen Regionalbeauftragten leisten, noch bevor von der Sächsischen Staatsregierung ein unabhängiger Lärmschutzbeauftragter berufen wurde?

 

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 25. Februar 2021

Oberbürgermeister Jung: Das ist eine Anfrage, die ich selbst beantworten möchte. Hier wurde bezüglich der Ernennung des Regionalbeauftragten gefragt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Satzungsgemäß ist dies kein zustimmungspflichtiges Geschäft. Demzufolge haben sich keine Gremien damit beschäftigt. Allein der Vorstand der MFAG hat hier entschieden.
Zu Frage 2 und 3 nur noch einmal zur Klarstellung: An der GmbH haben wir als Stadt keine Beteiligung. Die Stadt Leipzig ist Aktionär der MFAG, der Flughafen AG, und demzufolge gab es auch keine Einbindung der Stadt Leipzig - siehe oben - bezüglich der Entscheidungskompetenz.

Zu Frage 4: Ich kann Ihnen zunächst die veröf-fentlichte Pressemitteilung zitieren. Dort wird seitens der Mitteldeutschen Flughafen AG und dort wiedergegebenen Meinungsäußerungen von Vertretern des Freistaates Sachsen hierzu vor allem dessen langjährige Erfahrung in diversen Funktionen hervorgehoben. Demnach will der Flughafen mittels dieser Personalie in eine Verstärkung eines konstruktiven Dialogs mit den Anrainer-Kommunen eintreten.
Moderation und Kommunikation ist immer gut. Ich gestatte mir den Hinweis: In der Tat ist Hermann Winkler ein sehr guter Kommunikator und versteht es, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Das ist aber meine persönliche Meinung. Ich kenne Hermann Winkler schon seit vielen Jahrzehnten.

Zu Frage 5 und 6: Nach Angaben der Pressemitteilung soll Herr Winkler moderierend tätig sein. Ich kenne keine etwaige Vergütung, und würde ich sie aus Gremien kennen, wäre ich sicherlich nicht dazu befugt, darüber öffentlich zu sprechen. Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Gibt es Nachfragen? - Herr Sander, bitte schön.


Stadtrat Sander (Bündnis 90/Die Grünen): Es gibt noch eine siebte Frage in der Anfrage, die noch nicht beantwortet wurde. Ich kann aber auch noch einmal diesbezüglich nachfragen.

Oberbürgermeister Jung: Nein, das kann ich Ihnen auch klar beantworten. Ich bleibe dabei: Es ist auf jeden Fall gut, jemanden zu haben, der versucht, in die Kommunikation zu kommen. Ich gehe sogar weiter: Wir brauchen dringend eine viel bessere, professionellere Kommunikation mit den Anwohnerinnen und Anwohnern in der Region, von der Stadt Leipzig bis zu den Umland-Gemeinden. Ich kann nichts Verwerfliches daran sehen.
Zu der Frage, ob der Lärmschutzbeauftragte zuerst hätte berufen werden müssen, Herr Sander, ein ganz offenes Wort: Bitte stellen Sie die Frage an die Koalitionäre in Dresden. Das ist nicht unser Job.
Ich bleibe aber dabei: Kommunikation ist gut. Hermann Winkler kann das. Er kann auch aufnehmen, was Menschen sagen. Er kann verbinden. Er kann zusammenführen. Wir bräuchten eigentlich noch viel mehr davon. Sie erwarten sicherlich auch, dass Bürgerveranstaltungen stattfinden, dass offensiv über den Flughafen informiert wird, dass man - bei allem Dissens, bei allen Schwierigkeiten - ganz offensiv versucht, mit Transpa-renz und Offenheit auch die Themen zu benennen und auf den Punkt zu bringen. Ich kann nichts Verwerfliches darin sehen, diesen Prozess zu moderieren.
Sicherlich unterstellen Sie, dass er parteiisch sein wird. Ich weiß das nicht. Ich habe ihn als Europa-abgeordneten kennengelernt, als Landtagsabge-ordneten, als Olympiabeauftragten des Freistaates Sachsen, der verbinden will. Aus dieser Zeit kenne ich ihn ganz besonders gut, wo wir sehr intensiv mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt und Diskussion waren. Er will nicht spalten. Ich glaube aber, die andere Frage ist eine politische an die Koalition in Dresden. - Bitte schön noch einmal, Herr Sander.

Stadtrat Sander (Bündnis 90/Die Grünen): Ich würde behaupten, dass Herr Winkler nicht geeignet ist. Seine ersten Statements, die er in die Öffentlichkeit gegeben hat, zeigen das eigentlich auch. Mit welcher Einstellung er an diese Arbeit als Kommunikator geht, sieht man daran, dass er in seiner ersten Verlautbarung davon spricht, dass am Flughafen Leipzig/Halle Einzelne betroffen seien. Allein schon diese Formulierung lässt mir das Blut in den Adern stocken.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass Herr Winkler angesichts dessen, was er im Vorfeld gesagt hat, auch mit dem, was er im Vorfeld getan hat, im Grunde genommen beauftragt ist, den Gemeinden, den Anrainern mit freundlicher Mine Grausamkeiten zu verkaufen?
Es geht doch nicht nur darum, dass hier irgendetwas kommuniziert wird. Wir sind doch wohl nicht der Meinung, dass der Lärm weg ist, wenn wir ihn besser kommunizieren. Es bedarf hier tatsächlich ernsthafter Lösungsversuche, und diese ernsthaften Versuche sehe ich nicht. Das ist nicht nur eine Frage der Kommunikation. - Danke schön.

Oberbürgermeister Jung: Genau das würde ich Herrn Winkler sagen, Herr Sander. Genau das. - Herr Geisler.

Stadtrat Geisler (SPD): Sehr geehrter Herr Ober-bürgermeister! Würden Sie mir zustimmen, dass die Kommunikation von Seiten des Flughafens zum Planfeststellungserweiterungsvorhaben bisher unterirdisch schlecht war?
Und zweitens: Ich war dabei, als Herr Winkler an einem Freitag in einem Umlandstammtisch inthronisiert wurde. Ich konnte mich leider nicht zu Wort melden, weil man auf mein Handheben in der Sitzung nicht reagiert hat. Ich konnte mir also nur anhören, was die Vertreter von Staatskanzlei, Flughafen und Herr Winkler selbst gesagt haben, und alles wirkte auf mich nicht wirklich kommunikativ. Das zweite war eine Meinung, das erste war gerne eine Frage.
Oberbürgermeister Jung: Wobei in dieser Frage ohne Zweifel auch eine Wertung und eine Meinung enthalten waren. Das Wort „unterirdisch“ würde ich so nicht verwenden.
Kurzum: Natürlich ist es nicht nur eine Frage der Kommunikation. Es ist eine Frage des offenen Dialogs. Es ist eine Frage der Maßnahmen. Es ist eine Frage, was wir doch auch miteinander in der Stadtratssitzung beschlossen haben, was verändert werden wird. Wird es ein anderes Nachtschutzgebiet geben? Wie organisieren wir kleinere Maschinen? Wie organisieren wir lärmmindernde Maschinen? Wie organisieren wir die Abschaffung der kurzen Südabkurvung? Es gibt tau-send Fragen, die wir jetzt natürlich hier diskutieren können.
Ich sage nur, liebe Kolleginnen und Kollegen: Gehen Sie auf Herrn Hermann Winkler zu. Das will ich auch den Anwohnern sagen. Ich meine, dafür ist er da. Und wer weiß, wie er das aufnimmt und wie er das kommuniziert. Da ist noch eine Menge Arbeit zu tun.
Zur Wahrheit gehört auch, Herr Sander, - das will ich noch einmal wiederholen -: Natürlich wird dieser Ausbau und diese Entwicklung am Flughafen nicht ohne Emissionen und ohne Lärm abgehen. Ich meine, das wäre völliger Unsinn, wenn man das glauben würde. Insofern kann Kommunikation dieses Problem nicht beseitigen. Ich glaube aber, wir müssen ehrlicher und auch offener darüber sprechen. Wir müssen über die Möglichkeiten und die Abwägungen reden. Und wir müssen hier Umweltbelange genauso achten wie soziale Arbeitsplatzbelange.
Dies in einen Abwägungsprozess zu bringen, in aller Offenheit und Transparenz, dafür werbe ich übrigens auch in der Mitteldeutschen Flughafen AG im Aufsichtsrat. Das darf ich sagen. Ich werbe dafür, dass wir einen offenen Kommunikationsprozess miteinander begehen und versuchen zu mildern und abzudämpfen, was an Belastung da ist. Wir werden die Belastung aber nicht wegbekommen.
So habe ich auch unsere Diskussion im Stadtrat verstanden. Es gibt durchaus eine Mehrheit, die „Ja“ zu dem Flughafen sagt, aber eine höhere Sensibilität für das Thema Lärmminderung erwartet, eine höhere Sensibilität bei dem Thema Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern er-wartet und vielleicht auch noch bessere Maßnahmen zum Schutz der Menschen erwartet, die im Nordraum leben. Wir machen jetzt aber ein riesiges Thema auf. Ich glaube, das ist wieder eine abendfüllende Diskussion. - Herr Kriegel hat sich gemeldet.


Stadtrat Kriegel (AfD): Nur drei Sätze dazu, Herr Oberbürgermeister. Meine Damen und Herren! Man muss wirklich sagen: Das ist ein sensibles Thema, gerade im Nordraum beziehungsweise in großen Teilen der Stadt. Hier gibt es nicht nur - Sie haben es ja gesagt - Aspekte des Lärmschut-zes, sondern auch wirtschaftliche Aspekte.
Bloß noch einmal einen Satz zu der Personalie Winkler: Unsere Fraktion hat gute Erfahrungen mit Herrn Winkler gemacht. Wie Sie schon sagten, Herr Oberbürgermeister, haben wir das auch auf viele Jahre verfolgt. Herr Oberbürgermeister, Herr Winkler ist ein erfahrener Mann. Wir als AfD-Fraktion vertrauen Herrn Winkler voll und ganz. - Danke schön.

Stadtrat Geisler (SPD): War das jetzt eine Gegenrede?

Stadtrat Kriegel (AfD): Ja, so können Sie es sa-gen, Herr Geisler.

Oberbürgermeister Jung: Herr Sander, bitte.

Stadtrat Sander (Bündnis 90/Die Grünen): Noch einmal ganz kurz: Ich verstehe schon, warum die AfD Herrn Winkler befürwortet. Da muss man nur einmal in die Vita von Herrn Winkler schauen, dann weiß man, warum die befürwortenden, positiven Worte kommen.
Nur noch eine Bitte, Herr Oberbürgermeister: Ich weiß, man muss jetzt hier Fragen formulieren, aber lassen Sie es einmal durchgehen. Bitte teilen Sie Herrn Winkler mit, dass doch zumindest seine ersten öffentlichen Verlautbarungen gerade nicht dazu beigetragen haben, Vertrauen zu fördern und in den Dialog zu treten. Bitte teilen Sie das mit aller Deutlichkeit mit. Er soll uns hier bitte nicht mit irgendeiner Moral von der Stange kommen. Das geht schief. So nach dem Motto: Ja, wir nehmen die Sorgen der Anrainer ernst, aber - und dann war es das mit den Sorgen der Anrainer. Ich kann es nicht mehr hören. Bitte sagen Sie ihm das. Wir können Phraseologie nicht mehr ertragen. Das ist noch schlimmer als leer. - Danke schön.

Oberbürgermeister Jung: Frau Küng-Vildebrand, bitte.

Stadträtin Küng-Vildebrand (DIE LINKE): Nur eine kurze Bemerkung von meiner Seite: Die Ein-schätzung, dass eine Mehrheit in der Stadt Leipzig für einen Ausbau des Flughafens ist, würde ich so nicht teilen. Ich habe das schon mehrfach gehört. Das erstaunt mich. Ich habe noch nie gesehen, dass solche Umfragen so erhoben wurden und dass das irgendwie wirklich begründet ist.

Oberbürgermeister Jung: Ich gebe den Glauben nicht auf, Frau Küng-Vildebrand, dass auch im Stadtrat eine Mehrheit dafür ist, dass unsere Stadt sich möglichst so entwickelt, dass Menschen Arbeit und Beschäftigung haben, dass Menschen sozial abgesichert sind und ihr Brot verdienen können.
Glauben Sie es mir, ich kenne noch die Zeiten, bevor am Flughafen das Thema Massenarbeitslosigkeit im Wesentlichen beendet worden ist. Ich weiß noch sehr gut, wie wir hier mit Werten über 22 Prozent Arbeitslosigkeit agiert haben, mit Kos-ten der Unterkunft, die uns den Haushalt erdrückt haben. Alles das gehört auch zur Wahrheit, und darüber lassen Sie uns reden. Der Flughafen hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir heute überhaupt Geld verteilen können. Ich muss das einmal so deutlich sagen. - Herr Rothkegel hat das Wort.

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Oberbürgermeister! Ich möchte zur Geschäftsordnung

Stadtrat Rothkegel (CDU): Herr Morlok, ich habe das Wort. Ich bin schon sehr verwundert, wie hier mit Nachfragen zu einer Anfrage der Stadtratssit-zung umgegangen wird. Ich bitte dies zu unterbre-chen. Das ist eine Unverschämtheit, weil das überhaupt nicht unseren Regularien entspricht. Wir ziehen hier über irgendeine Person aus einer Anfrage her. So geht es einfach nicht. Ich bitte diese Diskussion jetzt hier abzubrechen.
Oberbürgermeister Jung: Ich denke, das ist richtig so. Wir sollten das jetzt beenden und auf die sachliche Ebene zurückkommen. Das hefte ich mir auch selbst ans Revers.

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