Anfrage: Regionale Bio-Produkte

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Ratsversammlung am 19. Januar 2022

Die biologische Landwirtschaft bietet viele Vorteile für Ressourcen-, Umwelt- und Klimaschutz und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Ernährung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zwei Initiativen dazu eingebracht, wie Bio-Produkte seitens der Stadt Leipzig stärker gefördert werden können. Im November 2017 wurde der Antrag "Regionale Bioprodukte kommunal fördern" (VI-A-02900-NF-02-VSP-01) beschlossen. Der OBM wurde vom Stadtrat darin u.a. damit beauftragt ein Konzept zur „Stärkung des regionalen und biologischen Lebensmittelmarktes und gesunder Ernährung in Leipzig“ zu erarbeiten. Im Mai 2019 gab es einen Ratsbeschluss zum Antrag "Siegel für regionale Bioprodukte entwickeln" (VI-A-07010-VSP-01).
Die Stadt Leipzig ist dem Bio-Städte-Netzwerk beigetreten. Darüber hinaus sind uns leider keine Ergebnisse der Beschlussumsetzung bekannt.

Wir fragen daher an:

  1. Wann wird das Konzept zur „Stärkung des regionalen und biologischen Lebensmittelmarktes und gesunder Ernährung in Leipzig“ vorgelegt?
  2. Welchen Anteil haben nachhaltige Speisen und Getränke (bio, regional, fair) bei Leipziger Marktereignissen und wie wird versucht ein Mindestangebot dieser Produkte sicherzustellen?
  3. Wird das Ziel der freiwilligen Selbstverpflichtung, mind. 20% Bio-Produkte aus möglichst regionaler Herkunft bei der Lebensmittelverwendung und –verwertung in der Stadtverwaltung sowie in den Eigenbetrieben einzuführen, erreicht? Bitte aufschlüsseln nach Schulen, Kitas, Krankenhäusern, Pflegeheimen und sonstigen städtischen Versorgungseinrichtungen. Falls das Ziel verfehlt wird, welche Gründe stehen einer umfänglichen Umsetzung entgegen? Wie kann das Ziel künftig erreicht werden?
  4. Wie gestaltet sich die Entwicklung eines „Leipziger Regionalsiegels“ für nachhaltige/ökologische Produkte?
  5. Maßnahme 19 im Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand sieht eine Förderung des Ausbaus regionaler Wertschöpfungsketten im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich vor. Wie positioniert sich die Stadt Leipzig vor diesem Hintergrund zu dem Förderprogramm der Bio-Regio-Modellregionen des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft?

Schriftliche Antwort der Verwaltung vom 19. Januar 2022:

zu 1)

Ein diesbezügliches Konzept wurde infolge der Prioritätensetzung für verschiedene Beschlüsse und Handlungserfordernisse im Klimaschutz bis dato nicht abschließend erarbeitet. Das Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand greift den Ratsbeschluss VI-A-07010-VSP-01 „Stärkung des regionalen und biologischen Lebensmittelmarktes und gesunder Ernährung“ in Maßnahme 19 deshalb nochmals direkt auf: „Zudem wird eine aufbauende Ernährungs- und Vermarktungsstrategie „Biostadt Leipzig“ in enger Abstimmung mit dem Leipziger Ernährungsrat e. V. erarbeitet.“.

In den vergangenen zwei Jahren wurden vielfältige Maßnahmen zur Stärkung des regionalen und biologischen Lebensmittelmarktes und zur gesunden Ernährung dennoch umgesetzt: beispielsweise über das Projekt WERTvoll, in Kooperation mit dem Ernährungsrat und anderen Akteuren Erfahrungen gesammelt sowie Veranstaltungen und Projekte durchgeführt, welche die o. g. Ziele verfolgen. Darüber hinaus wurde intensiv am Landwirtschaftskonzept gearbeitet, dessen Entwurf im Sinne des Ratsbeschlusses VI-A-07010-VSP-01 steht.

zu 2)

Der Anteil an entsprechenden Speisen und Getränken lässt sich derzeit noch nicht genauer beziffern. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich allerdings folgende Dinge in Bezug zu den Anforderungen bio, regional, fair festhalten:

Derzeit sind regulär 3-4 zertifizierte Bio-Anbietenden auf dem Wochenmarkt vertreten. Das liegt unter anderem daran, dass viele klein- und mittelständische Betriebe - die die Kriterien auch erfüllen würden - den finanziellen und organisatorischen Aufwand eines Zertifizierungsprozesses scheuen. Ein weiteres grundsätzliches Problem besteht darin, dass nur sehr wenige neue Händler/-innen hinzukommen.

Hingegen hören mehr und mehr Händler/-innen der sog. "Gründergeneration" der 90er Jahre im Osten auf. Sie finden oftmals keine/n Nachfolger/-in, sodass der Geschäftsbetrieb eingestellt wird.

Ein wesentlicher Bestandteil bzw. der Kern des Wochenmarktes als auch der Spezialmärkte in Leipzig ist Regionalität. Einziger Spezialmarkt, der von überregionalen bzw. internationalen Händler/-innen nachgefragt wird, ist der Weihnachtsmarkt. Aber auch auf diesem Markt sind ca. 70-80% der Anbietenden aus Mitteldeutschland (SA/SA-A/THÜ) bzw. Berlin/Brandenburg.
Bei allen - auch internationalen - Anbietenden wird das Produkt im Rahmen des Auswahlverfahrens bewertet. Ein Bewertungskriterium ist dabei auch das Kriterium "Fair Trade".

Darüber hinaus wird auf die Beantwortung der Einwohneranfrage VII-EF-02348 („Förderung von regionalen Direktvermarktern“) verwiesen.

zu 3)

Eine Übersicht über die Erreichung der freiwilligen Selbstverpflichtung konnte in der zur Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Da die Aufschlüsselung nach Bio-Anteilen einer tieferen Prüfung bedarf, bei der verschiedene Dezernate zu beteiligen sind, wird diese nach Möglichkeit nachgereicht.
Es wird angestrebt, diese bis Ende des 1. Quartals 2022 in schriftlicher Form dem Stadtrat vorzulegen.

Dennoch lässt sich grundsätzlich anhand der allgemeinen Erfahrungen feststellen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung bisher nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. Dies hat verschiedene Gründe. Unter anderem wird die fehlende Erfahrung im Umgang mit Ausschreibungen, rechtliche Hürden, das Kostenniveau oder die Bedürfnisse von Eltern, Schülern und Kindern als Hinderungsgrund für einen höheren Bio-Anteil in den genannten Einrichtungen angeführt. Deshalb ist die Entwicklung und Durchführung von Pilotprojekten in Schulen, Kitas und Kantinen der Verwaltung ebenfalls Teil des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand (Maßnahme 20). Sie dienen dazu, Erfahrungen zu sammeln, auf welchem Weg der Bio-Anteil von mindestens 20% bei sozial vertretbaren Preisen erreichbar ist. Aktuell befindet sich das erste Pilotprojekt, welches an Leipziger Schulen durchgeführt wird, in Erarbeitung und wird voraussichtlich mit dem Schuljahr 22/23 beginnen. Bei der Konzeption des Pilotprojektes wurde auch auf Erfahrungen aus dem Netzwerk der Biostädte zurückgegriffen.


zu 4)

Die Entwicklung eines „Leipziger Regionalsiegels“ in Hinsicht auf nichtverarbeitete und verarbeitete Waren aus der landwirtschaftlichen Urproduktion wird derzeit im Rahmen des Projektes WERTvoll gemeinsam mit anderen Akteuren, die sich über den Ernährungsrat Leipzig e.V. vernetzen, geprüft.

Nach aktuellem Erkenntnisstand sollten zunächst strukturelle Defizite in den regionalen Wertschöpfungsketten – vor allem im Bereich der regionalen Logistik und der Verarbeitung – ausgeglichen werden. So kann vermieden werden, dass eine neu eingeführte Marke sich als verfrühte Maßnahme herausstellt.

 

Zu 5)

Bio-Regio-Modellregionen haben bereits in anderen Bundesländern (Bayern, Hessen) positive Effekte auf die regionalen Wertschöpfungsketten gezeigt. Deshalb wurde der Ernährungsrat bei der Beantragung des Projektes Bio-Regio-Modellregion Leipzig-Westsachsen mit einem „Letter of Intent“ durch die Stadt Leipzig unterstützt. Geprüft wird zudem eine mögliche Kofinanzierung, die eine entscheidende Voraussetzung für die Bewilligung durch den Freistaat ist.

Die Umsetzung einer Bio-Regio-Modellregion Leipzig/Westsachsen würde der Maßnahme 19 des Sofortmaßnahmenprogramms Rechnung tragen, da damit ein erster Umsetzungsschritt geleistet werden würde und mit Hilfe des Projektes regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut werden können. Das Projekt kann zudem Funktionen einer Leitstelle für diese Entwicklung wahrnehmen. Zweite Umsetzungsstufe der Maßnahme 19 des Sofortprogramms könnte ein städtisches „Bio-Regio-Begleitprogramm 2022“ werden, dass (unabhängig von der Landesförderung) Maßnahmen der Bio-Region ergänzt, verstärkt und die langfristige Wirkung des Projektes absichert.

Da eine Bio-Regio-Modellregion eine wirksame Grundlage zur Realisierung der Maßnahme 19 des Sofortmaßnahmenprogramms bietet, begrüßt die Stadt Leipzig das neu aufgesetzte Landesförderprogramm der Bio-Modell-Regionen.

Ein vollkommen eigenständiges städtisches Förderprogramm zum Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten kann entwickelt werden, wenn sich aus der ersten Auswertung der Bio-Modellregion geeignete Fördermaßnahmen ergeben. Ein eigenständiges städtisches Förderprogramm sollte Förderlücken des Freistaates und des Bundes schließen. Eine begleitende städtische Unterstützung und Verstärkung von Förderungen des Bundes oder des Freistaates bleibt aber eine sinnvolle Option, um beschränkte kommunale Mittel zur höchsten Wirksamkeit in der Bewältigung des Klimawandels einzusetzen.

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