Anfrage: Resiliente Stadt – Zivilschutz und Gefahrenabwehr

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 24. April 2024

„Wir brauchen diese Zeitenwende in allen Sicherheitsbehörden, auch bei unserem Anspruch, eine resiliente Gesellschaft zu sein, gerade mit Blick auf zuhauf stattfindende Sabotageaktionen.“ So äußert sich der Vorsitzende des Kontrollgremiums der Geheimdienste, Konstantin von Notz, zur öffentlichen Mitteilung des Gremiums und warnt vor massiver Spionage aus Russland. Hackingattacken, laxe Sicherheitsstandard und systematische Desinformationen – unser Land ist unzureichend geschützt. Gerade bei Wahlen wurde in den letzten 10 Jahren sehr deutlich Einfluss durch russische Trollfabriken genommen.

Die Vulnerabilität und Kritikalität öffentlicher lebenswichtiger Dienste ist nicht allein aus sich selbst heraus schützenswert, ihr Schutz dient sehr wesentlich der Stabilität unserer Demokratie. Denn wenn wir es nicht vermögen unser öffentliches Leben zu schützen, nutzt die Unsicherheit den Populisten und Demokratiefeinden. Die Pandemie hat das eindrücklich und unmissverständlich gezeigt.

Seit geraumer Zeit arbeitet das Bundesministerium des Inneren an der Aktualisierung der Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung von 1987, um kritische Infrastrukturen besser zu schützen. In der Bundesrepublik ist eine integrierte Hilfeleistungs- und Gefahrenabwehrkette implementiert, die stark subsidiär geprägt ist. Dabei positioniert sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund und fordert bessere Vorkehrungen für den Schutz der Bevölkerung, konkret mehr Schutzräume und Alarmierungstechnik.

Zivilschutz ist jedoch aus unserer Sicht als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tatsächlich essentiell, um Schutz vor hybriden Attacken herzustellen. Kommunen wie Unternehmen und gerade auch Krankenhäuser sind massiv von Cyberangriffen betroffen. Neben der Offenlegung von Daten und Datenlecks haben diese Angriffe enorme funktionelle Auswirkungen – die betroffenen Betriebseinheiten sind ad hoc nicht arbeitsfähig. Davon geht eine gravierende Gefahr für die Bevölkerung unmittelbar und mittelbar durch die Störung des öffentlichen Dienstes und nachgelagerter Dienstleistungen aus.  

In Leipzig wurde dieses Risiko für die Stadtverwaltung erkannt und eine umfassende Sicherheitsprüfung vorgenommen, Erkenntnisse in Weisungen übersetzt und kritische Lücken geschlossen. Das neue Heizkraftwerk im Süden ist schwarzstartfähig, um im Falle eines Blackouts schnell die Energieversorgung sicherzustellen. Die Stadt hat diverse Lagerflächen für Güter des Zivilschutzes angemietet, die Feuerwehr hat ein neues Lagezentrum und wirbt bei allen Anlässen für den Zivilschutz und verteilt die Informationsbroschüren des Katastrophenschutzes.

Denn eine aufgeklärte Bevölkerung ist der wichtigste Garant für koordinierte Abläufe im Krisenfall.

Wir fragen an:

  1. Inwieweit sind die Kommunen als Träger kritischer Infrastrukturen - Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser, Daten der Meldeämter, Feuerwehren - in die Erarbeitung des Dachgesetzes (Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung) eingebunden?
  2. Was gedenkt der OBM, auch in seiner Funktion als Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Städtetages, in die Aktualisierung der Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung einzubringen? Wird durch den Städtetag eine Anhörung der Kommunen gefordert? Wie begleiten die kommunalen Spitzenverbände die Gesetzeserarbeitung?
  3. Welche Kritis-Aspekte können aus Perspektive der Stadt Leipzig abseits des Dachgesetzes aufgesetzt werden?
  4. Welche Kampagnen plant die Stadt, um die Bevölkerung zu informieren, aufzuklären und Rettungsketten zu üben? Sind die nächstgelegenen Orte der Versorgung von Grundbedürfnissen (Trinkwasser, Strom) kartiert und öffentlich bekannt gemacht und die Leipzig-App mit entsprechenden Funktionen ausgestattet?
  5. Der Städte- und Gemeindebundverweist auf die freiwilligen Organisationen und überwiegend ehrenamtlich tätigen Menschen als Rückgrat des deutschen Bevölkerungsschutzes. Was ist etabliert, um kurzfristig Freiwillige zu akquirieren?

 

Antwort der Stadtverwaltung in der Ratsversammlung am 24. April 2024

  1. Inwieweit sind die Kommunen als Träger kritischer Infrastrukturen - Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser, Daten der Meldeämter, Feuerwehren - in die Erarbeitung des Dachgesetzes (Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung) eingebunden?

Von der Bundesregierung wurde der Entwurf für ein sogenanntes „KRITIS-Dachgesetz“ vorgelegt. Dieses steht in keinem formellen Zusammenhang mit der „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“ (RRGV). Die Rahmenrichtlinie für die Gesamtverteidigung legt die strategischen Ziele und Maßnahmen für die Verteidigung des Landes fest, während das KRITIS-Dachgesetz spezifische Regelungen zum Schutz kritischer Infrastrukturen enthält.

Zum Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes (erster Referentenentwurf vom Juli 2023) hat die Stadt Leipzig über den Deutschen Städtetag eine Stellungnahme abgegeben. Die darin enthaltene Empfehlung, dass künftig auch die Katastrophenschutzbehörden in den Ländern über das Ergebnis von Risikoanalysen informiert werden, wurde in die Gesamtstellungnahme des Deutschen Städtetages übernommen. Derzeit liegt ein                 2. Referentenentwurf vor, der sich im Abstimmungsverfahren befindet.

In die Überarbeitung der Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung wurde die Stadt Leipzig bisher weder direkt noch über den Deutschen Städtetag eingebunden.

  1. Was gedenkt der OBM, auch in seiner Funktion als Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Städtetages, in die Aktualisierung der Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung einzubringen? Wird durch den Städtetag eine Anhörung der Kommunen gefordert? Wie begleiten die kommunalen Spitzenverbände die Gesetzeserarbeitung?

Die Novellierung der RRGV erfolgt – wie schon deren Erstfassung – in gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI).

Dabei liegt die fachliche Zuständigkeit für die Aussagen der RRGV zur militärischen Verteidigung beim BMVg, die Zuständigkeit für den Zivilschutz und die koordinierende Zusammenführung der Aussagen aller Fachressorts zur zivilen Verteidigung beim BMI. Die „aktuelle“ Version der RRGV stammt aus dem Januar 1989.

Die Bundesregierung hat in der im Juni 2023 veröffentlichten „Nationalen Sicherheitsstrategie“ angekündigt, die RRGV neu zu fassen.[1]

Welche der oben genannten Stellen und Gremien zu welchem Zeitpunkt in den Novellierungsprozess einbezogen werden, ist ebenso wenig bekannt, wie der aktuelle Bearbeitungsstand.

  1. Welche Kritis-Aspekte können aus Perspektive der Stadt Leipzig abseits des Dachgesetzes aufgesetzt werden?

Seit mehr als 20 Jahren ist in der Stadt Leipzig der „Arbeitskreis Technische Infrastruktur“ aktiv. Darin werden die Akteure der Gefahrenabwehr aus den verschiedenen Unternehmen und Organisationen mit den zuständigen Verantwortungsträgern der Stadt vernetzt. Er war und ist ein wichtiger Impulsgeber für die Zusammenarbeit im Bereich der Prävention und der Gefahrenabwehr.

Aufbauend auf die vorhandenen Strukturen hat die Stadt Leipzig – unabhängig von den künftigen Regelungen des KRITIS-Dachgesetzes – ihre Maßnahmen zur Resilienzsteigerung in der jüngeren Vergangenheit erheblich intensiviert.Dazu wurden nach gründlichen Evaluierungen die Strukturen im Bereich des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes sowie im Betrieblichen Kontinuitätsmanagement der Stadtverwaltung in den vergangenen Monaten angepasst. Im Ergebnis wurden mehrere Stellen in verschiedenen Organisationseinheiten neu eingerichtet und besetzt.

Im Auftrag des Stadtrates hat der zuständige Fachbereich das System zur Warnung der Bevölkerung einer Überprüfung unterzogen. Im Ergebnis wird aktuell eine Umsetzungskonzeption für die Errichtung eines flächendeckenden Sirenenwarnsystems in der Stadt Leipzig erarbeitet.

Um Grundfunktionen der Stadtgesellschaft und -verwaltung auch unter Krisenbedingungen zu gewährleisten, wurden unter der Überschrift „Strategisches Konzept Blackoutplanung“ die zuständigen Dezernate beauftragt, entsprechende Notfallkonzepte zu erarbeiten. Die Umsetzung der Konzepte wird die Maßnahmen der Stadt Leipzig zur Resilienzsteigerung in den kommenden Jahren maßgeblich bestimmen.

Unabhängig davon, setzt sich die Stadtverwaltung für eine Verbindlichkeit von NIS-2 für Kommunalverwaltungen ein (IT-Sicherheit). Darüber hinaus wird das Thema Krisenvorsorge auch im Rahmen des Städtepartnerschaftsprogramm des Referats für Internationale Zusammenarbeit mit Kiew (VII-DS-09882: Städtepartnerschaftliches Engagement mit der Ukraine) gemeinsam bearbeitet.

  1. Welche Kampagnen plant die Stadt, um die Bevölkerung zu informieren, aufzuklären und Rettungsketten zu üben? Sind die nächstgelegenen Orte der Versorgung von Grundbedürfnissen (Trinkwasser, Strom) kartiert und öffentlich bekannt gemacht und die Leipzig-App mit entsprechenden Funktionen ausgestattet?

Im Zentrum der Bemühungen der Stadt Leipzig zur Information und Aufklärung der Bevölkerung steht die Motivierung, ausreichende und geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Selbstschutz zu ergreifen. Dazu werden alle zur Verfügung stehenden Kanäle und Plattformen (wie Veranstaltungen mit breitem Publikumsverkehr, Homepage der Stadt Leipzig, Amtsblatt etc.) genutzt. Informationen zu Bürgerhilfsstellen werden sukzessive in die entsprechenden Systeme (Leipzig-GIS, Leipzig-App) übernommen, sobald diese konzeptionell und funktionell einsatzbereit sind.

  1. Der Städte- und Gemeindebund verweist auf die freiwilligen Organisationen und überwiegend ehrenamtlich tätigen Menschen als Rückgrat des deutschen Bevölkerungsschutzes. Was ist etabliert, um kurzfristig Freiwillige zu akquirieren?

Über das größte Potenzial an Freiwilligen im Bereich des Bevölkerungsschutzes verfügen in der Stadt Leipzig die Freiwilligen Feuerwehren sowie die Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH), Malteser Hilfsdienst (MHD) sowie das Kriseninterventionsteam Leipzig (KIT e. V.). Die hier Organisierten können über vorbereitete Alarmierungsstrukturen durch die Integrierte Regionalleitstelle jederzeit zum Einsatz gebracht werden.

Jede der genannten Organisationen verfügt über eigene spezifische Programme zur Nachwuchsgewinnung. Bei entsprechenden Anlässen (z. B. dem jährlichen Florianstag), werden die entsprechenden Aktivitäten gebündelt.

 

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