Anfrage Schönau III: Acker nicht zu Kies machen! - Hat die Stadt Leipzig sich tatsächlich noch nicht positioniert?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 8. Februar 2017

In seiner öffentlichen Sitzung am 2. November 2015 hat der Grundstücksverkehrsausschuss den Oberbürgermeister beauftragt, mit dem Kiesunternehmen GP Papenburg AG aufschiebend bedingte Kaufverträge (An- und Verkauf) für die zur Umsetzung des Hauptbetriebsplanes Schönau III benötigten Flächen auszuhandeln, weil das Kiesfeld Schönau II schon in absehbarer Zeit ausgekiest sein wird. Gegen die Stimmen der Grünen-Stadträte machte der Grundstücksverkehrsausschuss damit den Weg zur Durchführung eines bergrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Standortsicherung frei (Vorlage – VI-DS-00862: Verkauf der Flurstücke 280/1, 283a, 284/4, 291/2, 271, 270 a, 269/2, 272/4 und 263/1 sowie Teilflächen der Flurstücke 292/6, 314 a und 307 der Gemarkung Rückmarsdorf an die GP Papenburg AG zum Zwecke der Kiesgewinnung – Erstvorlage).

In der Ausgabe vom 5. Januar 2017 berichtet nun die Leipziger Volkszeitung zum geplanten Kiesabbaugebiet „Schönau III“: „Wie berichtet, hat sich Leipzig in dem Streit noch nicht positioniert. Im Wirtschaftsdezernat wird allerdings betont, dass eine wachsende Stadt auch Baumaterial und Arbeitskräfte benötige und deshalb „grundsätzlich“ entsprechende Entwicklungen und Unternehmen unterstützt würden.“

Auch vor dem Hintergrund, dass sich mittlerweile über 2.800 Anwohner im Rahmen einer Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative „Rückmarsdorf“ gegen das Vorhaben ausgesprochen haben, fragen wir:

  1. In welchem Stadium befindet sich das bergrechtliche Genehmigungsverfahren derzeit? Welche Schritte hat das bergrechtliche Genehmigungsverfahren bislang durchlaufen, welche weiteren Schritte werden noch bis zu einer Entscheidung folgen? Welche Möglichkeiten gibt es für die BI Rückmarsdorf und Anwohner im weiteren Verfahren gehört zu werden?
  2. Wann rechnet die Stadtverwaltung voraussichtlich mit einer Entscheidung des Sächsischen Oberbergamtes?
  3. Für den Fall, dass das Sächsische Oberbergamt das Vorhaben genehmigt: Wann wird die Stadtverwaltung mit einer entsprechenden Beschlussvorlage wieder an den Stadtrat herantreten? Welchen (wesentlichen) Inhalt wird die Beschlussvorlage haben?
  4. Welche kommunalen Grundstücke (Angabe der Flurstücknummern) müssen von der Stadt Leipzig an den Vorhabenträger verkauft werden, wenn das Sächsische Oberbergamt das Vorhaben genehmigt bzw. genehmigen will? Wie wird der Verkaufspreis gebildet?
  5. Viele Grundstücke befinden sich des Weiteren in Privateigentum. Ist der Kauf aller notwendigen Grundstücke durch den Vorhabenträger Voraussetzung für die Erteilung der bergrechtlichen Genehmigung? Wie vielen Grundstückseigentümern hat die Stadt Leipzig in diesem Zusammenhang bereits Ausgleichsflächen angeboten? Wo befinden sich diese ggf. räumlich?
  6. Sollten Privateigentümer den Verkauf ihrer Flächen ablehnen und auch Angebote der Stadt Leipzig auf Ausgleichsflächen ausschlagen: Welche gesetzlichen Möglichkeiten gibt es, um Eigentum an Grundstücken notfalls zwangsweise zu entziehen? Welche Rolle würde in einem solchen Verfahren gegebenenfalls die Stadt Leipzig einnehmen?
  7. Laut Flächennutzungsplan wird das Gebiet als „landwirtschaftliche Fläche“ ausgewiesen. Dem Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen (RPV) obliegt es im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren die raumordnerischen Aspekte zu prüfen: Zu welchem Festlegungen ist der Planungsverband in Bezug auf das Gebiet „Schönau III“ bereits gekommen? Hat der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen sich für oder gegen die Beibehaltung der Festlegung „landwirtschaftliche Fläche“ für das Vorhabengebiet ausgesprochen? Wie hat der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen (RPV) sein Prüfergebnis begründet?

Antwort der Verwaltung vom 8. Februar 2017:

Zu Frage 1:

Für den Kiesabbau Schönau III ist ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren zur Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes (§ 52 Abs. 2a BBergG) durchzuführen. Genehmigungsbehörde ist das Sächsische Oberbergamt (SOBA). Das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren für den Kiesabbau Schönau III ist noch nicht eröffnet (Auskunft des SOBA vom 18.1.2017). Das bergrechtliche Genehmigungsverfahren hat deshalb noch keine Schritte durchlaufen. 

Die folgenden Verfahrensschritte sind:

Ein Raumordnungsverfahren muss durchgeführt werden, um die   Fläche Schönau III als bergrechtliche Vorhaltefläche in der Landesentwicklungsplanung des Freistaates Sachsen auszuweisen.

Anschließend kann die Papenburg AG den Antrag auf Eröffnung eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens stellen. In diesem Planfeststellungsverfahren gibt es: 

- einen Rahmenbetriebsplan,

- einen Hauptbetriebsplan und

- einen Abschlussbetriebsplan

Hierbei wird  die Stadt Leipzig als Träger öffentlicher Belange beteiligt und kann rechtlich gestaltend einwirken und festlegen, wie z. B. die Abbauzeiten geregelt sind, die Anfahrtswege liegen, Lärmschutzauflagen stellen etc. Es kann beispielsweise durch den Abschlussbetriebsplan auch festgelegt werden, wie die Fläche nach Auskiesung zu gestalten ist.

Während dieser Verfahrensschritte ist die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben (§ 73 Verwaltungsverfahrensgesetz). Die Planunterlagen sind einen Monat lang öffentlich auszulegen. Die Auslegung ist ortsüblich bekanntzumachen. Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift Einwendungen gegen den Plan erheben. Die Einwendungen werden in einem Erörterungstermin vorgestellt und bekannt gemacht.

Über Einwendungen, über die bei der Erörterung keine Einigkeit erzielt worden ist, wird dann durch Planfeststellungsbeschluss abschließend entschieden (§ 74 VwVfG). Der Planfeststellungsbeschluss ist allen bekannten Betroffenen und denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, mit Rechtsmittelbelehrung zuzustellen. Außerdem ist der Planfeststellungsbeschluss 2 Wochen zur Einsicht auszulegen.

Zu Frage 2:

Es wird mit einer Entscheidung des Sächsischen Oberbergamtes gerechnet, wenn das Raumordnungsverfahren eröffnet ist und eine Umwidmung zur bergrechtlichen Vorhaltefläche ausgewiesen wird. In jedem Fall nicht vor Antragstellung der Papenburg AG. 

Nach Auskunft der Papenburg AG wird der Antrag erst in der 2. Hälfte 2017 gestellt werden.

Zu Frage 3:

Die Stadtverwaltung wird vor der Genehmigung des Vorhabens gemäß den zuvor beschriebenen Schritten beteiligt.

Die Stadt Leipzig wird schon im Zuge des Raumordnungsverfahrens Stellung nehmen können. Hier erfolgt dies als Träger öffentlicher Belange. Inhalt der Stellungnahmen werden in den Ausschüssen (z. B. Fachausschuss Planen und Bau, Umweltausschuss) erörtert. 

Parallel zum Raumordnungsverfahren steht die Stadt in Verhandlungen mit der Papenburg AG zu aufschiebend bedingten Kaufverträgen von Grundstücken die für den Kiesabbau benötigt werden (Beschluss des Grundstücksverkehrsausschusses v. 2.11.2015 Vorlage – VI-DS-00862). Die Kaufverträge einschließlich verbindlicher Regelungen zur Ausgestaltung des Kiesabbaus (v.a. Immissionsschutz, Betriebsdauer und -zeiten, Wiedernutzbar-machung) sind dem GVA zum Beschluss vorzulegen. Diese Vorlage soll nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens eingebracht werden, da dann wesentliche Maßgaben zur raumverträglichen Gestaltung des Kiesabbaus (insbesondere Abstand zur Wohnbe-bauung) bekannt sein werden. Mit den Kaufverträgen wird sicher gestellt, dass die Anforderungen der Stadt in den einzureichenden Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren beachtet werden. 

Die Stadt geht davon aus, dass das Planfeststellungsverfahren für den Kiesabbau nur eingeleitet wird, wenn über die Kaufverträge zwischen der Papenburg AG und der Stadt Einigkeit erzielt wird. Im Planfeststellungsverfahren wird die Stadt auf Grundlage der ausge-arbeiteten Planunterlagen erneut Stellung zum Kiesabbau nehmen. Da die relevanten Sachverhalte zu diesem Zeitpunkt weitgehend bekannt sein sollten, wird sich die Stellungnahme auf die konkrete Ausgestaltung des Kiesabbaus (einschließlich der Nachnutzung) eingehen. 

Wegen des grundsätzlichen Interesses sollen beide Stellungnahmen Gegenstand einer Beschlussvorlage sein (soweit sich das mit den Fristen vereinbaren lässt).

Zu Frage 4:

Angabe der Flurstücksnummern:

Beim Vertragsgegenstand gemäß Beschluss Nr. 69/2015 vom 02.11.2015 des Grundstücksverkehrsausschusses handelt es sich gegenwärtig um 12 Flurstücke bzw. Teilflächen von Flurstücken in der Gemarkung Rückmarsdorf mit folgender Bezeichnung:

280/1; 283a; 284/4; 291/2; 292/6; 314a; 307; 271; 270a; 269/2; 272/4; 263/1 mit einer Größe von insgesamt ca. 23 Hektar.

Angaben zur Kaufpreisbildung:

Grundlage wird die Wertermittlung der städtischen Bewertungsstelle beim Amt für Geoinformation und Bodenordnung.  

Die Wertermittlung bei bergbaurechtlichen Abbaugebieten erfolgt nach dem Wert der Oberfläche (Bodenrichtwertkarte) + Mächtigkeit des Bodenschatzes. Die Ermittlung erfolgt durch entsprechende Bodenuntersuchungen und Berechnungen. Hier können noch keine Aussagen zur Kaufpreishöhe getroffen werden.

Zu Frage 5:

Voraussetzung für die Erteilung der bergrechtlichen Genehmigung.

Aussagen zu den Voraussetzungen für die Erteilung der bergrechtlichen Genehmigung können seitens der Stadtverwaltung nicht getroffen werden. Diese Anfrage ist direkt an den Verfahrensführer, das Sächsische Oberbergamt, zu richten 

Der Kauf aller notwendigen Grundstücke durch den Antragsteller ist nicht Voraussetzung für einen Planfeststellungsbeschluss. Allerdings ergibt sich aus dem Planfeststellungsbeschluss auch nicht unmittelbar das Recht des Kiesabbaus auf fremden Grundstücken. Bei Kies als grundeigenem Bodenschatz (§ 3 Abs. 2 BBergG) muss der jeweilige Grundeigentümer dem Abbau zustimmen. 

Wie vielen Grundstückseigentümern hat die Stadt Leipzig in diesem Zusammenhang bereits Ausgleichsflächen angeboten?

Da Grundstückskaufverhandlungen grundsätzlich vertraulich sind, kann ich dazu keine Aussage treffen. Zu gegebener Zeit wird der Grundstücksverkehrsausschuss bei Bedarf in nichtöffentlicher Sitzung informiert. 

Das Plangebiet ist unabhängig von einer Entscheidung für oder gegen den Kiesabbau von strategischem Interesse für die Stadt.

Der bereits vorhandene Eigentumsanteil bildet eine gute Grundlage für weitere Grunderwerbe. Wir sind mit verschiedenen Eigentümern im Gespräch.

Auch bei einer Entscheidung für die Kiesgewinnung versetzt ein größerer Anteil Eigentumsland die Stadt in eine bessere Verhandlungsposition, insbesondere auch für die Gestaltungsmöglichkeiten der Folgelandschaft.

Frage 6:

Bei grundeigenen Bodenschätzen wie Kies können fremde Grundstücke notfalls in einem zweistufigen Verfahren zwangsweise zugunsten eines Antragstellers entzogen werden. Zunächst ist in der sog. Zulegung (§ 35 ff BBergG) die Gewinnungsberechtigung für den Kies auf den Antragsteller zu übertragen. 

Daran anschließend können die Grundstücke durch Grundabtretung (§ 77ff BBergG) entzogen bzw. übertragen werden. Beide Verfahren sind an umfangreiche Voraussetzungen gebunden, insbesondere das vorangegangene ernsthafte Bemühen um einen freihändigen Erwerb sowie Gründe des Allgemeinwohls, die den Abbau auf den fremden Grundstücken erfordern. 

In beiden Verfahren ist eine Beteiligung der Stadt Leipzig nicht vorgesehen.

Zu Frage 7:

Die raumordnerischen Aspekte werden im Raumordnungsverfahren (ROV) durch die Landesdirektion geprüft. Das Verfahren hat noch nicht begonnen (s. 1.). Der Regionale Planungsverband wird – wie die Stadt Leipzig und wie oben beschrieben - im Zuge des Raumordnungsverfahrens beteiligt werden, und dann zum Kiesabbau „Schönau III“ Stellung nehmen.

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