Anfrage: Schrottfahrräder und blockierte Fahrradbügel - eine Leidensgeschichte

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 15. Juli 2020

Seit Jahren zeigt sich ein immerwährendes Problem in vielen Stadtteilen Leipzigs - das der von verwaisten und verrotteten Fahrrädern, die die so wichtigen Fahrradbügel in den Vierteln blockieren. Es ist ein Ärgernis, wenn Fahrräder von ihren ehemaligen Besitzer*innen oder Nutzer*innen ausgesetzt werden, statt diese fachgerecht einer weiteren Nutzbarkeit oder Verwertung zuzuführen. Oftmals blockieren diese dann schrottreifen Fahrräder die Fahrradbügel. Gerade auch in den Gründerzeitvierteln ist das u.a. deshalb ein Problem, weil in den meist schlecht zugänglichen und feuchten Kellern eine Unterbringung von Fahrrädern erschwert ist.

Eine Anfrage der SPD-Fraktion von 2017 zu Folge wurden von 2011 - 2016 im Durchschnitt 138 Fahrräder jährlich entsorgt, davon 90% im Bereich des Hauptbahnhofes. Auch wurde ausgeführt, dass sich das Anbringen von Banderolen an diesen Fahrrädern bewährt und auch bundesweit bewährte Praxis sei. Die abgestellten Schrottfahrräder wurden nach Angaben der Verwaltung trotz dieser Kennzeichnung in den seltensten Fällen - in 2017 ist das genau zweimal passiert - innerhalb der gesetzten Frist durch die Eigentümer tatsächlich entfernt. Bürgermeister Rosenthal führte dazu ebenfalls aus: „Der Sachverhalt wird durch die Behörde schnell erkannt. Es kann jetzt auch relativ zeitnah, gemäß den in den Handlungsleitlinien vorgegebenen Fristen, reagiert werden bzw. diese sogenannte Fahrradleiche aus dem öffentlichen Raum entfernt werden.“

In der Praxis zeigt sich nun, dass beispielsweise ein Fahrrad mit verrosteter Kette, durch dessen Speichen schon 60cm hohe Grünpflanzen wachsen, stehen gelassen wird, weil die Bremsen nicht völlig funktionsunfähig sind. Dies wirft natürlich neuerliche Fragen auf, ab wann ein Schrottrad für schrottreif erklärt und entsprechend markiert und entsorgt werden kann.

Im Zusammenhang mit der damaligen Stadtratsanfrage ergab sich auch eine interessante Nachfrage unseres damaligen Stadtrates Daniel von der Heide: „In Sachen Codierung und Dateneingabe hatten Sie eben formuliert: Nicht immer ist die Codierung in der polizeilichen Datenbank hinterlegt. Was heißt ‚nicht immer‘? Mit wie vielen Einträgen ist man da im Verzug?“ Antwort von Bürgermeister Rosenthal: „Wenn Sie gestatten, würde ich dazu im nichtöffentlichen Fachausschuss Umwelt und Ordnung näher ausführen. Um es deutlich zu sagen: Wir haben da eine Problemlage. Aber dazu würde ich gern in nichtöffentlicher Sitzung näher ausführen wollen.“

Wie wir gehört haben, hat sich das Problem der Codierung in der polizeilichen Datenbank nach wie vor nicht verbessert, sondern sich stattdessen ein großer Bearbeitungsstau ergeben.

Wir fragen nach:

  1. Ab wann wird ein Schrottfahrrad für schrottreif erklärt und mit einer Banderole markiert?
    Wie haben sich die Zahlen zur Entsorgung von Schrottfahrrädern ab 2017 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Schwerpunktgebieten)
  2. Welche Frist ist zwischen der Markierung mittels Banderole und der Entsorgung des dann nicht abgeholten Schrottrades vorgesehen und wie hat sich der durchschnittliche Zeitraum in der Praxis in den vergangenen Jahren entwickelt?
  3. Werden bei der „täglichen Streifentätigkeit in allen Außenstellen“ auch stets die wachsamen Augen zur Erkennung von Schrotträdern genutzt und die zur Markierung notwendigen Banderolen mit sich geführt?
  4. Ist es korrekt, dass es einen Bearbeitungsstau bei der Dateneingabe der Codierung in der polizeilichen Datenbank gibt und woran liegt das?

 

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 15 Juli 2020

Bürgermeister Rosenthal: Lieber Kollege! Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu den Schrottfahrrädern vielleicht eine kleine Definition: Bei der Beurteilung, ob ein Fahrrad fahruntüchtig ist, lehnt sich die Stadt Leipzig in Ermangelung einer gesetzlichen Definition an Verfahrensweisen und Auslegungen anderer bundesdeutscher Städte an. Von einem fahruntüchtigen Fahrrad ist dann auszugehen, wenn dieses augenscheinlich betriebsunfähig ist und nur mit erheblichem wirtschaftlichen Reparaturbedarf wieder in einen betriebsfähigen und fahrtüchtigen Zustand gebracht werden kann. Allein ein fehlendes Rad oder die fehlende Luft auf einem Rad oder beiden Rädern erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Bei der Beurteilung des Sachverhalts vor Ort wird daher auf mindestens vier Fehlteilemängel abgestellt, die einen erheblichen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit und Betriebsfähigkeit des Fahrrades haben.
Es ist sehr oft festzustellen, dass bei einer Vielzahl von Fahrrädern, die über einen längeren Zeitraum nicht benutzt werden, ein Verfallsprozess durch Vandalismus oder eine gewisse Bedienmentalität eintritt. Hinzu kommen zusätzliche witterungsbedingte Korrosionseffekte.
In der Praxis werden auf der Grundlage dieses Prüfschemas die Zustandskriterien im Rahmen einer Einzelfallentscheidung abgeprüft und dokumentiert. Sind die Kriterien erfüllt, erfolgt die Kennzeichnung mit einer Banderole. Nach Ablauf der Frist erfolgt dann die Beräumung und Entsorgung über den Eigenbetrieb Stadtreinigung. Vor der Beräumung und Entsorgung des Schrottfahrrades erfolgt auch eine Fahndungsüberprüfung über die Polizeidirektion Leipzig.

Zur zweiten Frage. - Diese Frage stellen Sie bitte woanders. - Wir haben Schwerpunktbereiche, ja. Insgesamt wurden 2017 273 Fahrräder beräumt, 2018 275 und 2019 278. Schwerpunkte sind Zentrum-Südost, Zentrum-Nord, das Zentrum, Zentrum-West, Plagwitz, Schleußig und Reudnitz-Thonberg.

Zur dritten Frage: Anzeigeverhalten. Mit Anbrin-gung der Banderole wird in der Regel eine Frist von vier Wochen festgelegt. Da eine Beräumungsaktion immer eine Mehrzahl von Standorten abdeckt, kann es bei der Beräumung des einzelnen Fahrrads im Einzelfall auch zur Überschreitung der festgelegten Frist kommen. Insgesamt hat sich die Frist von vier Wochen pra-xisbewährt.

Zur vierten Frage: Das Thema Schrottfahrräder steht regelmäßig im Fokus der präventiven Streifentätigkeit des Außendienstes. Hier wird auch Bürgerhinweisen zu vermeintlichen Schrottfahrrädern nachgegangen. Die Dreck-weg-App, die zukünftig eingeführt wird - wir arbeiten tatsächlich intensiv daran -, soll auch die gezielte Meldung von Schrottfahrrädern ermöglichen.
Zur fünften Frage: Die polizeiliche Datenbank zur Speicherung der im Rahmen von Fahrradcodierungen erhobenen Daten wird ausschließlich von der zuständigen Behörde gepflegt. Inwiefern bei der Polizeidirektion Leipzig ein Bearbeitungsstau vorliegt und welche internen Gründe dafür bestehen, entzieht sich unserer Kenntnis. Kooperationspartner der Stadt Leipzig, die neben der PD Leipzig selbst Registrierungen und Codierungen vornehmen, übermitteln die so erhobenen Daten eigenständig an die Polizei. Im Zuge dessen kann es zu geringfügigen Verzögerungen kommen, sofern erst mehrere Datensätze gesammelt werden, ehe sie geschlossen der Polizeidirektion übergeben werden.

Bürgermeister Bonew: Herr Schmidt braucht noch ein Fahrrad.

Stadtrat Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen): Vielen Dank, Herr Rosenthal, für die Beantwortung. Ich will Sie jetzt nicht dazu zwingen, die Definition noch einmal zu wiederholen. Es war ja nicht ganz so einfach, aber ich frage trotzdem mal nach: Geben Sie mir recht, dass man ohne Luft und ohne Sattel schlecht Fahrrad fahren kann? - Wenn das so ist, dann würde ich empfehlen, mal die wenigen Fahrradbügel vor der Stadtbibliothek anzuschauen. Dort steht ein entsprechendes Fahrrad, das möglicherweise noch weitere der Kriterien erfüllt, aber keine Banderole trägt. Ich glaube, da gibt es einige im Stadtgebiet. Da es schon Problemanzeigen in den letzten Jahren gab, müssen wir, glaube ich, ein bisschen stärker hinterher sein.

Bürgermeister Rosenthal: Möglicherweise ist die Anzahl der Fahrräder, die wir tatsächlich beräumen - 2019 waren es 278 -, nicht ganz korrespondierend mit den Feststellungen von uns allen im Stadtgebiet. Wir werden besser.

Stadtrat Zenker (SPD): Noch eine Frage zur Banderole. Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie erläutert haben, was ein fahrtüchtiges Fahr-rad ist. Das war mal eine Anfrage der SPD-Fraktion. Ich glaube, Sie haben es eins zu eins noch einmal vorgetragen. Manchmal ist es gut, zu recyceln - auch bei Anfragen.
Mich würde nur interessieren: Wenn ich das jetzt richtig gehört habe, waren in allen drei Jahren, die Sie präsentiert haben, die Beräumungszahlen identisch. Wann wurde denn die Banderole eingeführt? War das in dem ersten Jahr, das Sie präsentiert haben? - Sonst hätte die Banderole bei der Beräumung gar nichts gebracht.

Bürgermeister Rosenthal: November 2015 - seitdem gibt es Banderolen in der Stadt.

Stadtrat Zenker (SPD): In den letzten drei Jahren haben wir trotzdem immer nur dieselbe Anzahl an Beräumungen gehabt, okay.
Bürgermeister Bonew: Frau Krefft.

Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Wie lange ist denn die Frist, bis ein Fahrrad beräumt wird, also nachdem die Banderole angebracht wurde, und wohin kommt denn das Fahrrad dann?

Bürgermeister Rosenthal: Die Frist auf der Banderole ist vier Wochen, und dann schauen wir mal.
Was passiert mit dem Fahrrad? - Die Fahrräder, die wir einsammeln, werden noch einmal auf ihre Fahrtauglichkeit hin überprüft. Es gibt ja dieses „Netz kleiner Werkstätten“, wo wir gegebenenfalls Fahrräder aufarbeiten. Es kommt auf den Zu-stand an bzw. man arbeitet mit Ersatzteilen. Sie wissen, dass das Ordnungsamt regelmäßig Fahrradversteigerungen durchführt. Wir versteigern unsere Fahrräder, und dann kommen sie den Bürgerinnen und Bürgern wieder zugute.

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