Anfrage: Schutz von gebäudebewohnenden Arten bei Bauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen von Gebäuden

Anfrage vom 11. März zur schriftlichen Beantwortung

Bereits in der Vergangenheit traten Umweltverbände an die Grüne Stadtratsfraktion heran und berichteten von ihren Beobachtungen bei zahlreichen (nicht)städtischen Gebäudesanierungsmaßnahmen über eine Nichtbeachtung des gesetzlich vorgegebenen Artenschutzes für Gebäudebrüter. Auf Nachfrage eines Umweltverbandes bei der Unteren Naturschutzbehörde Leipzig wurde bekannt, dass bei beiden Fällen keine ökologische Baubegleitung beauflagt worden war. Erfahrungsgemäß verhält es sich bei vielen (nicht)städtischen Sanierungsmaßnahmen so, dass der Artenschutz erst Beachtung findet, wenn es bereits zu spät ist. Und das bedeutet häufig, dass Tiere, die sich mitten in der Brut und Aufzucht befinden, zu Tode kommen, Eier oder Jungvögel eingemauert oder entfernt werden.

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ist es verboten, Fortpflanzungs- und Ruhestätten wildlebender Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Besonders geschützt sind u.a. gebäudebewohnende Vogelarten wie Haussperling, Mauersegler, Hausrotschwanz, Mehlschwalbe und Rauchschwalben. Durch zahlreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Stadtgebiet Leipzig gehen Grün- und Brachflächen und somit auch Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Wildtieren verloren. Wie das genannte Beispiel zeigt, ist es notwendig, den Lebensstättenschutz konsequent zu gewährleisten, um den Bestand an gebäudebewohnenden Tierarten nicht zu verschlechtern. Es genügt zum Erhalt einer Lebensstätte nach BNatschG §44 Satz 1 bis 3 jedoch nicht, lediglich einzelne Nistkästen aufzuhängen, denn die dazugehörigen Ruhestätten sind nach BNatschG § 44 Satz 5 z.B. auch Strauchgruppen und Hecken zur Bewahrung der ökologisch-funktionalen Einheit für gebäudebewohnende Vogelarten. Darüber hinaus fehlen auch zunehmend die Nahrungsräume der Arten, auf die sie ebenso angewiesen sind. Nahrungsflächen fallen ebenfalls unter den Schutz des § 44 BNatSchG soweit sie für den Bruterfolg der betroffenen Population essentiell sind. Als essentiell können Brachen und Grünflächen innerstädtisch zunehmend auf Grund der starken Verluste an Nahrungsflächen durch Bebauung angesehen werden.

Wir fragen an:

  1. Bei welchen Bauvorhaben und Sanierungen von (nicht)städtischen Gebäuden wurden in den Jahren 2017 bis 2019 Artenschutzgutachten für gebäudebewohnende Tierarten durchgeführt (bitte Angaben mit Straße und Hausnummer oder Flurstücksnummer)?
  2. Auf welchen Flurstücken (bitte Angaben mit Straße und Hausnummer oder Flurstücksnummer) wurden Nistkästen als Ersatzlebensstätten (siehe Merkblatt Stadt Leipzig „Naturschutzrechtliche Vorschriften für Sanierungen und Abbrüche von Bauwerken“) errichtet?
  3. Um die ökologisch-funktionale Einheit für Gebäudebrüter zu gewährleisten, fragen wir an: Wurden auch Strauchpflanzungen im Umfeld der Nistkästen beauflagt und umgesetzt, um die nach BNatschG dazugehörigen Ruhestätten zu gewährleisten? Wenn ja, auf welchen Flächen, bitte mit Angabe der Flurstücksnummer?
  4. Welche Ressourcen nutzt die Stadt Leipzig zum Schutz von gebäudebewohnenden Tierarten? Bitte diese Ressourcen einzeln aufzählen und konkret benennen, z.B. Artdatenbanken, Anwohnerhinweise, Gebäuderichtlinien, Planungsrichtlinien, Personalaufwand etc.
  5. Welche (nicht)städtischen Gebäude sind als Lebensstätten für Vogelarten bekannt bzw. registriert oder wurden in der Vergangenheit bereits untersucht?
  6. Wann (Zeiträume, Zeitabstände) und mit welchen Methoden finden bei den seitens der Stadt bereits als regelmäßige Lebensstätten nachgewiesenen (nicht)städtischen Gebäuden Untersuchungen zu Gebäudebrütern statt?
  7. Finden Nachkontrollen bezüglich der Besiedelung und Funktionalität der als Ausgleich geschaffenen Ersatzlebensstätten sowie der dazugehörigen Ruhestätten im Sinne einer ökologisch- funktionale Einheit statt? Wenn ja, wann, durch wen (u.a. Personalaufwand), mit welchen Methoden und unter welchen Voraussetzungen finden Nachkontrollen statt?

Antwort der Verwaltung:

Vorbemerkung:

Im Einführungstext der Anfrage wird u.a. eine „Nichtbeachtung des gesetzlich vorgegebenen Artenschutzes für Gebäudebrüter“ bei „zahlreichen (nicht)städtischen Gebäudesanierungen“ ausgeführt, sowie die „erfahrungsgemäße“ Feststellung, „dass der Artenschutz erst Beachtung findet, wenn es bereits zu spät ist“. Letzteres würde „häufig [bedeuten], dass Tiere, die sich mitten in der Brut und Aufzucht befinden, zu Tode kommen, Eier oder Jungvögel eingemauert oder entfernt werden.“

Diese Aussagen nimmt die Untere Naturschutzbehörde im Amt für Umweltschutz mit Verwunderung zur Kenntnis, da die Anzahl der ihr angezeigten bzw. selbst festgestellten Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbote im Zusammenhang mit Gebäudesanierungen die getroffene Einschätzung „zahlreich“ oder gar „häufig“ nicht belegen kann. Gemessen an den Gebäudesanierungen in der Stadt sind solche bedauerlichen Verstöße die Ausnahme. Erlangt die Untere Natuschutzbehörde von einem solchen Verstoß Kenntnis, leitet sie die erforderlichen Maßnahmen wie Baustopp und Ordnungswidrigkeitsverfahren ein.

Anzumerken ist zudem, dass das Einmauern/Töten von Vögeln nach § 17 des Tierschutzgesetzes (unabhängig ihres naturschutzrechtlichen Status) eine Straftat darstellen kann. In einem solchen Fall sollte deshalb auch immer umgehend eine Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden erfolgen.

Zu den „beiden [nicht konkret benannten] Fällen“, in denen von der Unteren Naturschutzbehörde eine ökologische Baubegleitung nicht beauflagt worden sei, ist anzumerken, dass die Beauflagung einer ökologischen Baubegleitung immer einer auf jeden Einzelfall bezogenen fachlichen und rechtlichen Prüfung bedarf und nicht a priori festgesetzt werden kann.

Unabhängig davon erteilt die Untere Naturschutzbehörde artenschutzrechtliche Genehmigungen grundsätzlich u.a. nur unter der Bedingung, dass die Arbeiten sofort unterbrochen werden, wenn bei deren Ausführung vom Antragsteller oder von in seinem Auftrag handelnden Personen festgestellt wird, dass sich in/an dem betreffenden Gebäude Fledermäuse aufhalten oder in/an dem Gebäude Vogelnester mit Eiern oder Jungvögeln vorgefunden werden. In diesen Fällen ist die untere Naturschutzbehörde umgehend zu unterrichten und deren Entscheidung abzuwarten.

Zu den einzelnen Fragen:

Zu 1.

Sofern für Bauvorhaben/Sanierungen von Gebäuden eine bauordnungsrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Gestattung im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege erforderlich ist, unterliegt das besondere Artenschutzrecht nicht der Konzentrationswirkung dieser Verfahren (kein aufgedrängtes Fachrecht). Die Untere Naturschutzbehörde ist daher an diesen Genehmigungsverfahren vom Gesetz her leider weder zu beteiligen noch beteiligt. Bauvorhaben und Sanierungen von Gebäuden sind zudem nicht bei der Unteren Naturschutzbehörde anzeigepflichtig und das Gesetz sieht in Sachsen auch nicht vor, dass ein Bauherr vor jeder Sanierung ein Artenschutzgutachten (quasi zum Beweis der Nicht-Betroffenheit artenschutzrechtlicher Verbote) erstellen lassen muss. Die Verwaltung kann somit keine generelle Auskunft zur o.g. Frage geben. Die direkt bei der Unteren Naturschutzbehörde eingereichten Artenschutzgutachten (welche mitunter aber auch keine artenschutzrechtlich relevanten Befunde beinhalten) werden zudem nicht in einer Datenbank erfasst, eine Beantwortung der Frage ist daher auch nicht mit einem angemessenen Aufwand möglich.

Zu 2.

Nistkästen als Ersatzlebensstätten können in zahlreichen Verfahren und aus unterschiedlichen Gründen (z.B. auch als CEF-Maßnahme) errichtet worden sein, und zwar ohne, dass die untere Naturschutzbehörde involviert war oder gar einen eigenen Bescheid erlassen hat. Die von der unteren Naturschutzbehörde im Rahmen eines eigenen Verwaltungsaktes festgesetzten Ersatzlebensstätten werden nicht in einer Datenbank erfasst, eine Beantwortung der Frage ist daher nicht mit einem angemessenen Aufwand möglich.

Zu 3.

Im Zusammenhang mit der Sanierung von Gebäuden ist die Beseitigung von Gehölzen regelmäßig nicht Gegenstand der bei der unteren Naturschutzbehörde eingereichten Anträge. Sofern Gehölze eine gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG besonders geschützte Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätte sind, entscheidet die untere Naturschutzbehörde bei Verlust auch über den erforderlichen Ersatz (wie z.B. Strauchanpflanzungen). Eine zentrale Erfassung ist gesetzlich nicht vorgesehen - und erfolgt durch die untere Naturschutzbehörde auch nicht.

Zu 4.

Die Untere Naturschutzbehörde nutzt neben eigenen Feststellungen die Zentrale Artendatenbank Sachsen und die Informationen des ehrenamtlichen Naturschutzdienstes, insbesondere aber auch die Hinweise von anerkannten Naturschutzvereinigungen, von Ornithologen, von Planungsbüros und Gutachtern sowie Hinweise von Bürgern (meist Anwohnern).

Zu 5.

Der Unteren Naturschutzbehörde sind in der Stadt mehrere Hundert Gebäude bekannt, welche als Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätte für Vögel fungieren, die Palette reicht dabei von großen Gebäuden (wie z.B. der Oper und dem Neuen Rathaus) bis zum Einfamilienhaus und der Gartenlaube. Eine zentrale Erfassung ist gesetzlich nicht vorgesehen und erfolgt durch die untere Naturschutzbehörde auch nicht.

Zu 6.

Die der Unteren Naturschutzbehörde bekannten, regelmäßig von Gebäudebrütern genutzten Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätten werden nur anlassbezogen untersucht. Die Untersuchungsmethode hängt dabei von der jeweiligen konkreten Situation und dem Erfordernis ab.

Zu 7.

Wie zu Frage 2 ausgeführt, können Nistkästen als Ersatzlebensstätten in zahlreichen Verfahren und aus unterschiedlichen Gründen (z.B. als CEF-Maßnahme) errichtet worden sein und zwar ohne, dass die untere Naturschutzbehörde involviert war oder gar einen eigenen Bescheid erlassen hat. Die Behörde kann daher auch nur eine Aussage bzgl. der im Rahmen eines eigenen Verwaltungsaktes festgesetzte Ersatzlebensstätten geben. In ihren Bescheiden wird in der Regel die Vorlage eines Lageplanes sowie einer Fotodokumentation zu den realisierten Ersatzmaßnahmen festgesetzt. In Abhängigkeit von der Bedeutung der Angelegenheit und der personellen Kapazitäten erfolgt dann meist die Abnahme und ggf. später auch noch eine entsprechende Nachkontrolle durch die Untere Naturschutzbehörde.

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