Anfrage: Solarausbau, Kohleausstieg und Energiewende – wo steht Leipzig?
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 28. Februar 2024
Vor dem Hintergrund der neu vorgelegten Energieleitlinie (VII-DS-08573), der Beschlüsse der Stadt zum Solarausbau auf kommunalen Gebäuden (VII-A-02703-NF-01), zum Ausstieg aus der Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf (VI-A-08196-NF-02), zum Energiekonzept und Flächenbedarfen für Erneuerbare Energien (VII-A-07144-NF-02), zur kommunalen Wärmeplanung (VII-A-02889) u.a. stellen wir folgende Fragen:
- Wie schätzt die Stadt Leipzig die aktuellen Solarausbauziele für kommunale Gebäude (1.000 bis 1.500 kWp/Jahr, ca. 25-30 Dächer/Jahr) ein? Wann erscheint der Energiebericht 2022?
- Wie steht die Stadt zu einer Zielanhebung des kommunalen Photovoltaikausbaus vor dem Hintergrund des schnell voranschreitenden Klimawandels und hoher Energiepreise?
- Laut Beschluss vom 30.10.2019 soll die Stadt Leipzig ab 2023 nur noch Restwärmemengen aus Lippendorf beziehen mit einer Verlängerungsoption bis maximal 2025. In der Energieleitlinie wird das Kohlekraftwerk Lippendorf an erster Stelle der Fernwärmequellen der Stadt Leipzig benannt. Wie gestaltet sich der Wärmemix der Stadtwerke Leipzig seit 2019? Welcher Wärmemix wird für 2024 und 2025 prognostiziert?
- Wann wird dem Stadtrat das Rahmenkonzept Potenzialflächen für Erneuerbare Energien vorgelegt, welches die Flächenbedarfe und -potentiale für Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen ermittelt, um den Ausbau im Stadtgebiet zu lenken und mit kommunalen Bedürfnissen zu vereinbaren?
- Wie koordiniert und steuert die Stadt den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Leipzig? Welche Erfahrungen hat die Stadt mit der Steuerungsgruppe zur kommunalen Wärmeplanung gemacht? Lassen sich diese Strukturen ggf. auf weitere kommunale Aufgaben im Bereich der Energiewende übertragen?
- Die Webseite waerme-fuer-leipzig.de dient als Plattform für Transparenz zur Wärmeplanung. Die erste Informationsveranstaltung zur Wärmeplanung hat im Dezember 2023 bereits stattgefunden, jedoch noch ohne konkrete Informationen zu Leipzig. Die Eckpunkte zum Leipziger Wärmeplan sollten bis Ende 2023 vorgelegt werden. Wann erreichen diese Eckpunkte den Stadtrat und die Öffentlichkeit? Wann soll die Bürgerbeteiligung zum Thema Wärmeplanung beginnen?
- Das Umweltbundesamt empfiehlt Klimakosten von deutlich über 200 € pro Tonne CO2. Welchen CO2-Preis legen die Stadtwerke bei Investitionsentscheidungen zugrunde?
- Wie ist der Stand der Umsetzung zum Beschluss VII-A-06782-NF-02 „Mieterstrom in Leipzig voranbringen“?
Antwort der Stadtverwaltung vom 21. Februar 2024
1) Wie schätzt die Stadt Leipzig die aktuellen Solarausbauziele für kommunale Gebäude (1.000 bis 1.500 kWp/Jahr, ca. 25-30 Dächer/Jahr) ein? Wann erscheint der Energiebericht 2022?
Der sukzessive Ausbau von PV-Anlagen auf kommunalen Dachflächen verfolgt die Umsetzung der Ziele des Klimanotstands 2019, des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand 2020, des Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 und die Ziele der Klimaneutralen Stadtverwaltung 2035. Der Ausbau von PV-Anlagen als Maßnahme im Bereich der nachhaltigen kommunalen Energie- und Wärmeversorgung trägt maßgeblich zur Minderung der Treibhausgasemissionen bei und somit zur Einhaltung des notwendigen Absenkpfads bis hin zum Zustand der Klimaneutralität 2040. Die Leipziger Kommunale Energieeffizienz GmbH (LKE) verfügt über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen, um die städtischen Ausbauziele im Bereich Photovoltaik abzubilden. Zudem wurden mit der öffentlichen Vorlage „Ertüchtigung von kommunalen Dachflächen und Dachflächen für künftige PV Anlagen“ (VII-DS-08553) die anvisierten Projekte zur strategischen Erreichung der Ausbauziele dargelegt.
Der Energiemanagementbericht für die Jahre 2021 und 2022, herausgegeben vom Amt für Gebäudemanagement, ist auf der Internetseite der Stadt Leipzig als Dokument abrufbar.
2) Wie steht die Stadt zu einer Zielanhebung des kommunalen Photovoltaikausbaus vor dem Hintergrund des schnell voranschreitenden Klimawandels und hoher Energiepreise?
Die Stadt arbeitet gemeinsam mit der LKE GmbH an einer ambitionierten Umsetzungs-strategie zur Erreichung der aktuellen Zielvorgaben von 1.000 bis 1.500 kWp pro Jahr. Eine pauschale Zielanhebung unterstützt das politische Ziel, trägt jedoch nicht zur Lösung einer Vielzahl von Herausforderungen in der praktischen Umsetzung bei. Neben Themen der Wirtschaftlichkeit sowie Verfügbarkeit von Fachkräften und externen Dienstleistern am Markt sind zudem technische und rechtliche Regularien, wie notwendige Dachertüchtigungen, Statikberechnungen und Abstimmungen mit dem Denkmalschutz zu beachten und können Projektverzögerungen implizieren.
3) Laut Beschluss vom 30.10.2019 soll die Stadt Leipzig ab 2023 nur noch Restwärme-mengen aus Lippendorf beziehen mit einer Verlängerungsoption bis maximal 2025. In der Energieleitlinie wird das Kohlekraftwerk Lippendorf an erster Stelle der Fernwärmequellen der Stadt Leipzig benannt. Wie gestaltet sich der Wärmemix der Stadtwerke Leipzig seit 2019? Welcher Wärmemix wird für 2024 und 2025 prognostiziert?
Der Textabschnitt in der Energieleitlinie wird aktualisiert.
Die Aufgabe der Stadt Leipzig und der Leipziger Stadtwerke ist es, die Versorgung mit Fernwärme sicherzustellen. Hierfür sind die Leipziger Stadtwerke robust aufgestellt und können auf verschiedene Optionen zur Sicherung der Wärmeversorgung zurückgreifen. Insbesondere die im Jahr 2022 ausgerufene bundesweite Gasmangellage hat die Bedeutung eines breiten Erzeugungs- und Beschaffungsportfolios für die sichere Versorgung der Stadt Leipzig noch einmal deutlich gemacht. Nach Fertigstellung Ende 2022 wurde das neue Heizkraftwerk Leipzig Süd im November 2023 offiziell in Betrieb genommen. Für das Jahr 2023 zeigt sich auch deshalb eine deutliche Reduzierung des Fernwärmebezugs aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf.
Der jährliche Wärmemix hängt von vielfältigen Faktoren ab, um eine verlässliche, klimafreundliche und wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten. Neben der kundenseitigen Wärmenachfrage beinhalten diese Faktoren unter anderem die strukturelle Verfügbarkeit und den Preis von Erdgas, die Strom- und CO2-Preise, die Verfügbarkeit eigener Anlagen sowie die verfügbare Bereitstellung von Fernwärme aus dem Kraftwerk Lippendorf. In den Jahren 2019 - 2022 betrug der Anteil der kohlebasierten Wärmelieferung aus dem Kraftwerk Lippendorf ca. 65 % mit jährlichen Schwankungen. Im letzten Jahr konnte eine anteilige Reduzierung auf unter 40 % erreicht werden. In den Jahren 2024 und 2025 gehen die Leipziger Stadtwerke von einem ähnlichen Niveau aus, wobei Jahresschwankungen zu erwarten sind.
Die Konkretisierung der Fernwärmetransformation ist Arbeitsbestandteil der kommunalen Wärmeplanung und damit noch nicht final abgeschlossen. Der aktuelle Stand wird unter Leipziger Wärme 2038 - Leipziger Stadtwerke (zukunft-fernwaerme.de) kommuniziert. Anfang des II. Quartals 2024 soll der Stadtrat über die Eckpunkte der kommunalen Wärmeplanung informiert werden. Hierbei wird auch über den Fernwärmeausbau und die anstehende Transformation der Fernwärme berichtet.
4) Wann wird dem Stadtrat das Rahmenkonzept Potenzialflächen für Erneuerbare Energien vorgelegt, welches die Flächenbedarfe und -potentiale für Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen ermittelt, um den Ausbau im Stadtgebiet zu lenken und mit kommunalen Bedürfnissen zu vereinbaren?
Bundes- und Landesebene haben sich für den EE-Ausbau ambitionierte Ziele gesetzt, im Zuge derer Wind- und Solarenergie stark ausgebaut werden sollen. Die Stadt Leipzig schafft mit der „Rahmenkonzeption für die planerische Steuerung von Flächenbedarfen zur EE-Gewinnung“ (RaKo-FEE) ein Instrument, welches den EE-Ausbau im Stadtgebiet unter Abwägung kommunaler Zielsetzungen und vielfältiger Flächenansprüche lenken soll. Mit ersten Planungsergebnissen ist voraussichtlich Ende 2024 zu rechnen.
5) Wie koordiniert und steuert die Stadt den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Leipzig? Welche Erfahrungen hat die Stadt mit der Steuerungsgruppe zur kommunalen Wärmeplanung gemacht? Lassen sich diese Strukturen ggf. auf weitere kommunale Aufgaben im Bereich der Energiewende übertragen?
Die Steuerungsgruppe zur kommunalen Wärmeplanung hat sich als strategisches Steuerungsgremium etabliert. Im Austausch zwischen dem federführenden Referat für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz (Stadtverwaltung) sowie mit den Leipziger Stadtwerken und der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (Beteiligungsunternehmen) werden wegweisende Ergebnisse für die lokale Wärmewende erarbeitet. Die strukturelle Zusammenarbeit erfolgt mit klarem Fokus auf der Erstellung der kommunalen Wärmeplanung, für die es eine gesetzliche Grundlage und Rahmensetzung gibt. Eine Übertragung auf andere Sachverhalte ist nicht ohne weiteres möglich. Zum einen, da nicht alle beitragenden Ämter und politischen Planungsebenen (Land/Bund) in der Steuerungsgruppe vertreten sind und zum anderen, weil Zielstellungen, zu erbringende Ergebnisse und Aufgabenfelder in anderen Bereichen nicht oder nur teilweise geregelt sind.
Für den Ausbau erneuerbarer Energien im Allgemeinen sieht der Gesetzgeber keine zentrale Koordinierungs- und Steuerungsfunktion durch die Kommune vor. Diese liegt in der Hand des Bundes und der Länder. Die Kommunen sind in ihrem Hoheitsgebiet ‚lediglich‘ dafür zuständig, die planerischen Voraussetzungen für den Ausbau durch Dritte zu schaffen.
Dessen unbenommen sieht sich die Stadt Leipzig in der Verantwortung, den EE-Ausbau weiterhin zu unterstützen und ambitioniert voran zu treiben, insbesondere im eigenen Verantwortungsbereich der kommunalen Objekte und Liegenschaften. Auch sollen die Aktivitäten von Dritten beim Ausbau der erneuerbaren Energien nach Möglichkeit unterstützt werden, ohne wettbewerbsverzerrende Wirkungen zu induzieren.
6) Die Webseite www.waerme-fuer-leipzig.de dient als Plattform für Transparenz zur Wärmeplanung. Die erste Informationsveranstaltung zur Wärmeplanung hat im Dezember 2023 bereits stattgefunden, jedoch noch ohne konkrete Informationen zu Leipzig. Die Eckpunkte zum Leipziger Wärmeplan sollten bis Ende 2023 vorgelegt werden. Wann erreichen diese Eckpunkte den Stadtrat und die Öffentlichkeit? Wann soll die Bürgerbeteiligung zum Thema Wärmeplanung beginnen?
Die Eckpunkte des kommunalen Wärmeplans wurden bis Ende 2023 erstellt und kürzlich im Rahmen einer Klausur des Oberbürgermeisters von der Verwaltungsspitze diskutiert. Nachdem das nun anstehende verwaltungsinterne Mitzeichnungsverfahren abgeschlossen ist, werden die Eckpunkte Anfang des II. Quartals 2024 dem Stadtrat sowie der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Bürgerbeteiligung zum Thema Wärmeplanung hat sowohl mit der Veröffentlichung auf www.waerme-fuer-leipzig.de als Informationsplattform sowie mit dem ersten öffentlichen Forum als Auftakt zur Sensibilisierung bereits begonnen. Neben der Werbung um Verständnis für die bestehenden Rahmenbedingungen zur Aufstellung einer kommunalen Wärmeplanung im ersten öffentlichen Forum, wird das nächste Forum die ersten Eckpunkte der Leipziger Wärmeplanung in den Blick nehmen.
7) Das Umweltbundesamt empfiehlt Klimakosten von deutlich über 200 € pro t CO2. Welchen CO2-Preis legen die Stadtwerke bei Investitionsentscheidungen zugrunde?
Klimakosten finden durch stetig steigenden Baukosten (u. a. steigende CO2-Preise, steigende Gebäudeanforderungen etc.) bereits Eingang in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eines jeden Bauvorhabens. Dabei sind die vom Umweltbundesamt (UBA) für aussagegemäß „praktische Politikrelevanz“ ermittelten Wohlfahrtskosten nicht unmittelbar für betriebswirtschaftliche Entscheidungsfindungen relevant und geeignet. Für Investitionsentscheidungen werden Prämissen verwendet, die von realen Marktpreisen ausgehen und langfristig steigende CO2-Preise in Richtung 200 EUR/t vorsehen.
8) Wie ist der Stand der Umsetzung zum Beschluss VII-A-06782-NF-02 „Mieterstrom in Leipzig voranbringen“?
Eine breite Etablierung von Mieterstrommodellen scheitert nach wie vor an bestehenden Regularien, wobei bislang weder der Gesetzgeber noch die Bundesnetzagentur eine diesbezüglich tragfähige Lösung geschaffen haben.
Folglich liegt der Anteil von Mieterstromanlagen auch aktuell noch deutlich hinter den Erwartungen. Laut Presseartikel im Handelsblatt lag der Anteil von Mieterstromanlagen im Zeitraum von Januar 2023 bis August 2023 lediglich bei 0,3 % in Bezug auf die im gleichen Zeitraum in Betrieb genommenen PV-Anlagen.
Die Aktivitäten der Leipziger Stadtwerke begrenzen sich daher auf einzelne Pilotanlagen mit durchaus erfreulichen Entwicklungen. In einer LWB-Immobilie (Gundermannstr. 21-31) konnten Ende 2023 zwei im Eigentum der LSW stehende Mieterstromanlagen in Betrieb genommen werden.