Anfrage: Sperrliste von Kfz-Kennzeichen für codierte rechte Gesinnungsdemonstration
Anfrage vom 11. März 2020 zur Beantwortung am 25. März
Die Ordnungsbehörde der Stadt Leipzig ist an die Vorgaben der Fahrzeugzulassungsverordnung § 8 "Die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen" und die Einschränkungen des Freistaat Sachsen bei der Vergabe von Kennzeichen für Kfz gebunden.
Unserer Kenntnis nach sind die Abkürzungen KZ, HJ, NS, SA, SS auf Nummernschildern in Sachsen untersagt, zudem dürfen auch die Zahlen 14 und 28 nicht mehr vergeben werden. Leider finden sich auf der Webseite der Stadt Leipzig dazu keine Informationen. Etliche Kommunen in Deutschland haben die Landesvorgaben noch erweitert und schließen zusätzliche Kombinationen von Buchstaben und Zahlen aus.
Diese Einschränkungen sollen die Möglichkeit der codierten Verbindung von Buchstaben und Zahlen als verfassungsfeindliche oder/und verbotene Abkürzungen als Kennzeichen der nationalsozialistischen Gesinnung ausschließen. In Leipzig hat u. a. das amtliche Kennzeichen L-HH2004 für erhebliches Unverständnis gesorgt. Eine bewusste Nutzbarmachung dieser rechten Codes mit amtlicher Duldung muss ausgeschlossen werden.
Wie fragen an:
- Gibt es in Leipzig eine Liste von gesperrten Kfz-Kennzeichen, welche Kennzeichen werden nicht vergeben und warum geht die Ordnungsbehörde nicht offensiv damit um?
- Sind in Leipzig verbotene Kennzeichen im Umlauf, die u. U. vorzeiten vergeben worden sind oder wurden dergleichen Kennzeichen im Nachhinein entzogen? Wenn nein, warum nicht?
- Sieht der zuständige Bürgermeister eine Prüfung einer erweiterten Liste für verbotene Kennzeichen mit nationalsozialistischen Codes für Leipzig vor?
- Gibt es in Leipzig eine Liste von gesperrten Kfz-Kennzeichen? Welche Kennzeichen werden nicht vergeben und warum geht die Ordnungsbehörde nicht offensiv damit um?
Antwort der Verwaltung:
zu 1.
In Anlehnung an Sinn und Motivation des § 8 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV), wonach Kennzeichen nicht gegen die „guten Sitten“ verstoßen dürfen, sowie unter Anwendung entsprechender Hinweise der Aufsichtsbehörde (Landesamt für Straßenbau und Verkehr) für alle Kfz-Zulassungsbehörden des Freistaates Sachsen sind generell Kennzeichen mit den Buchstabenkombinationen HJ, KZ, NS, SA und SS nicht erteilungsfähig.
Darüber hinaus werden in der Kfz-Zulassungsbehörde der Stadt Leipzig grundsätzlich keine Kennzeichen mit der Buchstabenkombination L-AH bzw. L-HA und einer bestimmten Ziffernfolge zugewiesen. Die Handhabung ist verwaltungsintern festgelegt und wird dort ggf. geprüft und angepasst. Alle Mitarbeiter/-innen der Kfz-Zulassungsbehörde sind dazu angehalten, entsprechende Kennzeichenwünsche sensibel zu prüfen und ggf. mit Hinweis auf die Symbol-Problematik auch abzulehnen bzw. die Kennzeichen softwaregestützt zu sperren. Eine Liste ist diesbezüglich nicht nötig, da den Mitarbeiter/-innen der Zulassungsbehörde der Zugriff auf diese Kennzeichen nicht möglich ist.
Die Kfz-Zulassungsbehörde sieht kein Erfordernis darin, diese Liste offensiv medial zu verbreiten. Es handelt sich hierbei um ein zulassungsrechtliches Spezifikum, welches nur in einem sehr begrenzten Bereich anzuwenden ist, während der mediale Auftritt der Kfz-Zulassungsbehörde stets generelle Handhabungen und Informationen für eine Vielzahl von Fahrzeughaltern umfasst. Vielmehr werden die Mitarbeiter/-innen der Zulassungsbehörde darin geschult, bereits im Vorfeld entsprechende Anliegen sensibel und situationsgerecht zu behandeln. Zudem könnte ein offensiverer Umgang mit der Thematik eher kontraproduktiv wirken. Diejenigen, die tatsächlich anhand von Kennzeichen-Kombinationen ihre Gesinnung preisgeben, könnten sich durch Veröffentlichung der Liste erst recht dazu animiert fühlen, entsprechende Kennzeichen – schon wegen des Provokationscharakters – zu beantragen und mediale Aufmerksamkeit für Anliegen und Ideologie zu schüren. Ein Großteil der Bevölkerung kann weder mit den gesperrten Kennzeichen noch mit der dahinterstehenden Symbolik etwas anfangen.
Die Zahlensymbolik der Naziszene ist sehr vielfältig und für Außenstehende oftmals nur schwer nachzuvollziehen. Personen ohne entsprechenden "politischen" und "geschichtlichen" Hintergrund könnten dementsprechend eher irritiert, möglicherweise sogar belustigt auf eine derartige Liste reagieren. Dies würde der Thematik jedoch nicht angemessen sein und zu einer weiteren gesellschaftlichen Aufladung der Kennzeichen als Symbolträger führen. Das wird seitens der Kfz-Zulassungsbehörde nicht zuletzt vor dem Hintergrund kritisch gesehen, dass die Kennzeichen in erster Linie ein verwaltungsrechtliches Hilfsmittel zur Unterscheidung von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr darstellen und daher nicht Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung sein sollten. Diesen Grundsatz sollte die Stadt in ihrer Funktion als Zulassungsbehörde nicht verlassen.
zu 2.
Derzeit sind in Leipzig keine Fahrzeuge mit Kennzeichen vergeben, die laut den Rechtsaufsichtsbehörden nicht erteilungsfähig sind (siehe Antwort zu Frage 1). Von den in der Antwort zur Frage 1 aufgeführten und intern festgelegten Buchstabenkombinationen sind derzeit noch drei Fahrzeuge zugelassen. Die Hintergründe, warum die Zuteilungen der Kennzeichen noch nicht zurückgenommen wurden, sind vielfältig und spiegeln eine große Bandbreite verwaltungsrechtlicher Sachverhalte wider.
Auch gibt es Kennzeichen mit der Buchstabenkombination L-AH oder L-HA, bei denen das Kennzeichen schon seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, einer Person zugewiesen ist. Oft handelt es sich dabei um Initialen, ggf. zuzüglich Geburtsdaten. Auch Autohäuser nutzen teilweise schon seit Jahrzehnten die Buchstabenkombination L-AH (AH für Autohaus). In diesen Fällen wurde aus Gesichtspunkten des Bestands- und Vertrauensschutzes auf restriktive Maßnahmen verzichtet, soweit die Recherche keine offenkundige Nähe zu rechtsextremistischen Kreisen ergeben hat. Allerdings ist auch in diesen Fällen eine Neuerteilung von Kfz-Kennzeichen mit entsprechendem Symbolcharakter definitiv ausgeschlossen.
zu 3.
Derzeit wird das in Leipzig zur Anwendung kommende Verfahren unter Verwendung verwaltungsinterner Materialien als ausreichend angesehen. Wesentlich dabei ist, dass die Buchstabenkombinationen nicht nur in einer kaum nachzuvollziehenden Symbolik nur für Insider erkennbar sind, sondern, dass die Kennzeichen auch im Empfinden der breiten Bevölkerungsmasse als anstößig, deplatziert und offenkundig provokativ empfunden werden. So verhält es sich insbesondere bei den o. g. Buchstabenkombinationen HJ, KZ, NS, SA und SS. Weitergehende Kombinationen könnten eine Anpassung rechtsextremer Kreise nach sich ziehen, mit der Folge, dass immer mehr Buchstaben- und Ziffernfolgen gesperrt werden müssten. Angesichts der Gegebenheit, dass der Stadt Leipzig nur eine begrenzte Zahl anmöglichen Kennzeichen zur Verfügung steht, sowie der Tatsache, dass eine Sperrung bestimmter Kombinationen in vielen Fällen auch Bürger/-innen schlichtweg das Wunschkennzeichen entzieht, könnte eine Ausweitung der gesperrten Kennzeichen eher Unverständnis und Unmut bei den Bürger/-innen hervorrufen. Damit würde einer Entfremdung zwischen Verwaltung und Bürger/-innen Vorschub geleistet werden, was im Interesse genau jener Kreise liegt, deren Wirken mit den gesperrten Kennzeichen eigentlich begrenzt werden soll.
Sollte es wie bei o. a. Kennzeichen zukünftig bei entsprechenden Buchstabenkonstellationen ein offensichtlicher Bezug zu nationalsozialistischen Codes geben, würde die Stadtverwaltung eigeninitiativ eine Prüfung vornehmen und in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden gegebenenfalls weitere Varianten nicht mehr erteilen.