Anfrage: Spontanpartys

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 24. Februar 2021

Vorbemerkung: Nach einer Prüfung der Stadtverwaltung wurde festgestellt, dass es offenbar keine Flächen im Gebiet der Stadt Leipzig gibt, die für sogenannte „Spontanpartys“ in Betracht kommen (Informationsvorlage Nr. VII-Ifo-01584 ).

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Welche Orte werden sind den Polizeibehörden als Veranstaltungsorte bekannt und werden regelmäßig durch das Ordnungsamt und Landespolizei bestreift?
  2. Wie viele Spontanpartys wurden im Berichtsjahr (2020) festgestellt und wie beurteilt die Stadt die Verstöße und die Entwicklung in diesem Bereich?
  3. Welche Bußgelder (gestaffelt nach Ersttäter*innen und mehrfach Täter*innen) werden bei Verstößen wegen ruhestörenden Lärm, Verstoß gegen die Gewerbeordnung, Verstoß gegen das Naturschutzgesetz verhangen?
  4. Wer legt die Richtwerte der Bußgelder in Leipzig fest und wonach richtet sich die Höhe, außer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen?
  5. Kommt das Opportunitätsprinzip des OwiG bei Spontanpartys in Leipzig zur Anwendung und wenn nein, warum nicht und wenn ja, wann?

Antwort vom 24. Februar 2021

  1. Welche Orte werden sind den Polizeibehörden als Veranstaltungsorte bekannt und werden regelmäßig durch das Ordnungsamt und Landespolizei bestreift?

 

In den vergangenen Jahren gingen beim Ordnungsamt der Stadt Leipzig verschiedenste Meldungen zu möglichen illegalen Veranstaltungen im Stadtgebiet ein. Auslöser waren zumeist Beschwerden zu Ruhestörungen von unmittelbaren Anwohner/-innen, die aus verschiedensten Richtungen Techno-Musik vernommen haben und sich dadurch in ihrer Ruhe gestört fühlten. Eine genaue Lokalisation war dabei für die Anwohner/-innen oftmals schwierig, da der Schall durch Wohnbebauung, Waldbestand und ggf. den Wind gebrochen wurde und die Musik tatsächlich ganz woanders als von den Bürger/-innen wahrgenommen entstanden ist.

 

Bekannte Orte in den vergangenen Jahren waren und sind zum Teil auch weiterhin dabei besonders:

 

- die Sachsenbrücke im Clara-Zetkin-Park,

- der Parkplatz vor dem Völkerschlachtdenkmal,

- der Leipziger Auwald im Bereich Leutzsch,

- der Bereich am ehem. Black Triangle in Lößnig,

- der Volkspark Kleinzschocher

- der Bereich Lindenauer Hafen und

- die Freifläche Jahrtausendfeld im Bereich Karl-Heine-Straße zwischen Gießerstraße und dem Karl-Heine-Kanal

 

  1. Wie viele Spontanpartys wurden im Berichtsjahr (2020) festgestellt und wie beurteilt die Stadt die Verstöße und die Entwicklung in diesem Bereich?

 

Eine statistische Auflistung der Hinweise zu Spontanpartys/partybezogenem ruhestörenden Lärm wird im Ordnungsamt nicht geführt. Hinweise gehen über die Einsatzstelle, mitunter auch über das Führungs- und Lagezentrum der Polizei oder direkt bei der Polizeibehörde ein und werden an die im Einsatz befindlichen Außendienstmitarbeiter/-innen zur Sachaufklärung weitergeleitet. Insofern aber keine konkreten Feststellungen am angegebenen Ort gemacht werden konnten, wurde der Vorgang als Spontanparty nicht statistisch erfasst. Die Erfassung erfolgt nur bei tatsächlichen Feststellungen.

 

Im Berichtsjahr 2020 sind vom Außendienst des Ordnungsamtes insgesamt 14 illegale Partys aktenkundig bearbeitet worden. Der Großteil davon fand im Bereich der Sachsenbrücke im Clara-Zetkin-Park statt – ein gern gewählter Treffpunkt von jungen Menschen, gerade in den Sommermonaten.

 

In diesem Zusammenhang wird jedoch darauf verwiesen, dass im Jahr 2020 bedingt durch die Corona-Pandemie viele Festivals und Veranstaltungen abgesagt und Veranstaltungsobjekte geschlossen waren. Somit haben insbesondere junge Erwachsene die Partys unerlaubt in den öffentlichen Raum verlagert, da ihnen kein Angebot zum Feiern zur Verfügung stand.

 

Eine verschärfte Lage lässt sich hierbei allerdings nicht erkennen. Das Feiern im Freien gerade in den Sommermonaten bei milden Temperaturen und besonders in der Ferienzeit ist jährlich immer wieder festzustellen. Die Orte ändern sich mitunter, da die Personen um die Illegalität wissen und sich daher auch Orte aussuchen, die für Polizei und Ordnungsamt schwer auffindbar bzw. zugänglich sind und auch ein schnelles Verlassen gewährleisten. Die Operativgruppe des Ordnungsamtes ist in den Sommermonaten deshalb i. d. R. bis 2:30 Uhr im Einsatz, um auf Lärmbeschwerden aus der Bürgerschaft reagieren   und Schwerpunktstandorte präventiv kontrollieren zu können.

 

  1. Welche Bußgelder (gestaffelt nach Ersttäter*innen und mehrfach Täter*innen) werden bei Verstößen wegen ruhestörenden Lärm, Verstoß gegen die Gewerbeordnung, Verstoß gegen das Naturschutzgesetz verhangen?

 

Die jeweilige Geldbuße richtet sich im Einzelfall nach den konkret festgestellten Verstößen unter Berücksichtigung von Art und Umfang der verletzten Vorschriften. Ein Bußgeldkatalog ist dafür nicht vorgesehen. Im vorliegenden angefragten Sachverhalt zu Spontanpartys kommen in der Regel folgende Rechtsgebiete in Betracht:

 

Rechtsgebiete

Bußgeldrahmen in EUR

Sächsisches Naturschutzgesetz i. V. m. nachfolgend erlassenen Rechtsverordnungen

5

bis

50.000

§ 117 Ordnungswidrigkeitengesetz

5

bis

5.000

Sächsisches Sonn- und Feiertagsgesetz

5

bis

5.000

Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Leipzig

5

bis

5.000

Sächsisches Waldgesetz

5

bis

25.000

Gewerbeordnung (z. B. Reisegewerbe)

5

bis

50.000

Preisangabenverordnung

5

bis

25.000

Kreislaufwirtschaftsgesetz

5

bis

100.000

Sondernutzungssatzung i. V. m. Sächsischem Straßengesetz

5

bis

500

Sächsisches Denkmalschutzgesetz

5

bis

500.000

Sächsische Bauordnung

5

bis

500.000

Jugendschutzgesetz

5

bis

50.000

 

Die Auflistung kann nicht abschließend erfolgen, da im jeweiligen Einzelfall durchaus auch andere Sachverhalte festgestellt werden könnten. Selbst Straftaten oder Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung oder steuerrechtliche Verstöße sind denkbar und in der Vergangenheit bereits festgestellt worden. In der Regel ist von einer Tateinheit (vgl. § 19 OWiG) aller verletzten Vorschriften auszugehen, sodass der verwirklichte Tatbestand mit der höchsten Geldbuße angemessen zu erhöhen ist.

 

  1. Wer legt die Richtwerte der Bußgelder in Leipzig fest und wonach richtet sich die Höhe, außer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen?

 

Die Bemessung der Geldbuße für die o. g. Rechtsgebiete liegt sowohl im Ermessen des jeweiligen Sachbearbeiters bzw. der Sachbearbeiterin unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgegebenen Rahmens, der Würdigung der besonderen Umstände im Einzelfall und unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als auch im Einvernehmen mit den jeweiligen Fachämtern/-behörden. Da Verfahren regelmäßig einer gerichtlichen Überprüfung gemäß § 69 Abs. 3 OWiG unterliegen, werden auch die Entscheidungen der Gerichte für zukünftige Verfahren einbezogen.

 

Neben den verwirklichten Tatbeständen mit ihren jeweiligen Bußgeldhöhen finden als weitere Bemessungsgrundlagen, u. a. die Größe der Veranstaltung bzw. das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Schutzgüter, Berücksichtigung. Weitere erhebliche Kriterien für die Höhe der Geldbußen sind das Vorliegen eines Erst- oder Wiederholungsverstoßes und/oder – wie bereits in der Anfrage genannt – die wirtschaftlichen Verhältnisse der/des Betroffenen.

 

  1.  Kommt das Opportunitätsprinzip des OwiG bei Spontanpartys in Leipzig zur Anwendung und wenn nein, warum nicht und wenn ja, wann?

 

Die Ordnungsbehörde kann Ordnungswidrigkeiten verfolgen, ist dazu jedoch nicht zwingend verpflichtet. Ob sie es tut, entscheidet sie auch in allen Fällen der Kenntnis der Durchführung von Spontanpartys gem. § 47 Abs. 1 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen. Es gilt das Opportunitätsprinzip im Unterschied zum Legalitätsprinzip im Strafrecht. Die Ausübungsfreiheit geht weit, ist aber nicht frei und insbesondere an Willkürverbot und Gleichheitsgrundsatz gekoppelt. Vor allem wird auch in diesen Fällen eine einheitliche, selbstbindende Verwaltungspraxis und die gesetzliche Wertung beachtet.

Die vom Opportunitätsprinzip gewährte Entscheidungsfreiheit darf nicht zu Willkürentscheidungen führen. Der/die zuständige Außendienstmitarbeiter/-in des Ordnungsamtes wird sich nicht von sachfremden Erwägungen – etwa privaten Interessen – leiten lassen, sondern orientiert sich an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten.

 

Zulässig sind etwa die folgenden Aspekte:

- Lässt sich der mit der Geldbuße erstrebte Zweck auf effektivere Weise erreichen?

- Ist zur Klärung der Sach- oder Rechtslage ein unverhältnismäßiger Aufwand vonnöten?

 

Sofern die Ordnungswidrigkeit geringfügig ist und ein ggf. angerichteter Schaden von den „Tätern“ wieder gut gemacht wurde, kann im Einzelfall auch gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen von der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit absehen werden.

Bei stattfindenden Spontanpartys im Stadtgebiet sind meist mehrere Rechtsverstöße zu verschiedenen Rechtsgrundlagen tangiert (siehe Antwort zu Frage Nr. 3). Besonders zu berücksichtigen sind dabei naturschutzrechtliche Aspekte, da die Orte häufig im Landschaftsschutzgebiet liegen und gerade durch die laute, basshaltige Techno-Musik die Fauna erheblich gestört wird. Hinzu kommt, dass für die Musikanlage zumeist ein benzinbetriebenes Aggregat zur Stromerzeugung genutzt wird, dessen Betrieb wiederum eine Schädigung von Flora und Fauna bewirken kann. Auch wird das „Equipment“ häufig mit Fahrzeugen über nicht für den Fahrverkehr mit Kfz freigegebene Wege an- und abtransportiert.

 

Darauf aufbauend steht den Bediensteten vor Ort zwar ein Ermessen der Ahndung zu. Eine Verbesserungswirkung bzw. Einsicht nur durch Ansprache und Verwarnung stellt sich bei den Verursachern jedoch in der Regel kaum ein, zumal die Feiernden um die Illegalität wissen und bei Eintreffen von Polizei und/oder Ordnungsamt das Weite suchen. Übrig bleiben dann noch die Besitzer/-innen der jeweiligen technischen Geräte, die für die spontane Party zur Verantwortung gezogen werden können, da diese den Transport der Gerätschaften vorsätzlich – also mit Wissen und Tun – an die besagten Orte mit der bewussten Absicht, eine Party zu feiern, umgesetzt haben.

 

Gesamtheitlich betrachtet ist die Entscheidung zur Art und Weise der Anwendung des Opportunitätsprinzips von den Gesamtumständen zur Party abhängig. Zur Anwendung kommen muss es bei Ordnungswidrigkeiten jedoch regelmäßig.

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