Anfrage: Stadttauben

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 21. November 2024

Als Nachkommen von gezüchteten Brief- und Haustauben gelten Stadttauben als verwilderte Haustiere. Die Taube wurde und wird als Nutztier, Brieftaube, als preisgekrönte Zucht- oder reinweiße Hochzeitstaube gehalten. Als Stadttauben werden die Tiere bezeichnet, die sich verfliegen oder ausgesetzt werden und sich dann einem bestehenden “Stadttaubenschwarm” anschließen.

In der Stadt leben die Tiere unter widrigsten Umständen als Straßentiere. Durch mangelhafte, nicht artgerechte Ernährung und Lebensbedingungen kommt es immer wieder zu Problemen und schwerwiegenden Folgen für die domestizierten Tiere, aber auch für die Stadtbevölkerung. Darauf gezüchtet, brüten die Tiere jahreszeitenunabhängig, sodass die Populationen beim Versuch der Tötung, Vertreibung, Abwehr oder Fütterungsverbote nicht zurückgehen, sondern die (Nachkommen der) Tiere leiden oder verhungern. Ehrenamtliche Helfer*innen und Vereine kümmern sich um verletzte, kranke, in Not geratene Tauben, die von Bürger*innen beinahe täglich gemeldet werden.

Das Augsburger Modell ist dabei ein Beispiel, wie tierschutzgerechtes Stadttaubenmanagement funktionieren und Bedürfnisse von Menschen und Tieren in Einklang bringen kann.

Aus diesem Grund fragen wir an:

  1. Welche Zahlen liegen der Stadt Leipzig zu Tauben und Taubenschwärmen im Stadtgebiet vor und wie stellen sich diese dar?
  2. Wie erfolgt die Bearbeitung seitens der Stadt Leipzig bei Anrufen von Bürger*innen, die sich durch Tauben belästigt fühlen oder verletzte Tiere melden und um Hilfe bitten?
  3. Was kostet diese Bearbeitung die Stadt pro Jahr?
  4. Wie hoch sind die jährlichen Kosten der Stadt Leipzig für Vergrämungsmaßnahmen an kommunalen Liegenschaften?
  5. Wie hoch sind die Reinigungs- und Restaurierungskosten der Stadt Leipzig für die Beseitigung des Hungerkots der Tauben auf den öffentlichen Plätzen und an den kommunalen Gebäuden?
  6. Wie schätzt die Stadtverwaltung den Erfolg des Taubenschlags am Bayerischen Bahnhof ein? Wie kann auf eine weitere Verbesserung der Situation für Tiere und Menschen vor Ort hingewirkt werden?
  7. Wie bewertet die Stadt Leipzig die Einführung weiterer solcher Taubenschläge zur Populationskontrolle?
  8. Welche ggf. weiteren Maßnahmen sieht die Stadtverwaltung als geeignet, die Situation der Stadttauben in Leipzig zu verbessern?

 

Antwort der Stadtverwaltung vom 21. November 2024

1. Welche Zahlen liegen der Stadt Leipzig zu Tauben und Taubenschwärmen im Stadtgebiet vor und wie stellen sich diese dar?

Dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt (VLA) liegen keine Informationen zur Anzahl von Tauben auf dem Stadtgebiet vor.

2. Wie erfolgt die Bearbeitung seitens der Stadt Leipzig bei Anrufen von Bürger*innen, die sich durch Tauben belästigt fühlen oder verletzte Tiere melden und um Hilfe bitten?

Im Jahr 2024 sind bisher 14 Hinweise mit Taubenproblematik über die bekannten Kanäle bei der Einsatzstelle des Ordnungsamtes eingegangen und dokumentiert:

  • davon 8 x bzgl. verdacht auf illegale Taubenfütterung (in Verbindung mit Verschmutzung durch Taubenkot)
  • davon 1 x bzgl. einer toten Taube
  • davon 2 x bzgl. kranker/verletzter Tauben
  • davon 2 x bzgl. Tauben, welche in Gebäuden/Baustellenabsicherungen (Netz) „gefangen“ waren
  • davon 1 x bzgl. Verschmutzung durch Taubenkot.

Dabei wird wie folgt mit den Hinweisen umgegangen:

  • bei Kenntnis von lfd. oder regelmäßiger Taubenfütterung wird der Sachverhalt an den Außendienst des Ordnungsamtes weitergegeben
  • bei Kenntnis von kranken/verletzten Tauben wird der Sachverhalt an das VLA abgegeben
  • bei Kenntnis von toten Tauben im öffentlichen Raum wird der Fahrdienst der Stadtreinigung (EB SRL) informiert
  • bei sonstigen Sachverhalten wird situationsgerecht reagiert (ggf. Verweis auf Privatrecht im Zusammenhang mit privaten Mietverhältnissen etc.).

Durch den Außendienst des Ordnungsamtes erfolgt eine Vor-Ort-Kontrolle. Bei Feststellung eines entsprechenden Befalls und einer dadurch bestehenden gesundheitlichen Gefährdung, werden die Eigentümer der Grundstücke und Gebäude zu entsprechenden Vergrämungsmaßnahmen aufgefordert. Die Eigentümer können dann eigenständig entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen. Sollten die Eigentümer der Aufforderung nicht nachkommen, werden Maßnahmen des Verwaltungszwanges ergriffen.

Das VLA klärt Hinweisgeber darüber auf, dass Stadttauben zum Stadtbild dazu gehören und es nicht möglich ist, „Taubenfreiheit“ in einer Großstadt zu erreichen. Bei angezeigten Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, wenn Hausverwaltungen Tauben vergrämen, kontrolliert das VLA die angezeigten Sachverhalte und lässt festgestellte Verstöße durch die Hausverwaltung beseitigen. Sofern das VLA den Verdacht auf eine Straftat feststellt, erhält die Staatsanwaltschaft Leipzig eine diesbezügliche Anzeige.

Die Stadtverwaltung vertritt die Rechtsauffassung, dass Stadttauben herrenlose Tiere sind, weshalb keine Versorgungspflicht für die Kommune entsteht. Bürger, die verletzte Tauben melden, werden an Tierschutzvereine verwiesen. Sollte es sich um eine aktuell entflogene Taube handeln, was an der Beringung bzw. dem Aussehen zu erkennen ist, nimmt sich das VLA dem Tier im Rahmen seiner Aufgabe als Fundbehörde für (Fund-)Tiere an.

3. Was kostet diese Bearbeitung die Stadt pro Jahr?

Es können keine bzw. keine signifikanten Kosten benannt werden.

4. Wie hoch sind die jährlichen Kosten der Stadt Leipzig für Vergrämungsmaßnahmen an kommunalen Liegenschaften?

Bisher kam es an kommunalen Liegenschaften nur in Einzelfällen zu einem gehäuften Auftreten von Tauben oder anderen Vögeln. Als bewährte Methode wurden diese Gebäudeteile mittels Spikes geschützt. Damit wurde ein weiteres Niederlassen von Tauben erfolgreich verhindert.

Vergrämungsmaßnahmen gegen Stadttauben sind im Bereich der Werterhaltung nicht bekannt. Eine Kenntlichmachung von evtl. Maßnahmen zu Tierabwehr, die eine Kosten-analyse diesbezüglich erlaubt, gibt es nicht.

5. Wie hoch sind die Reinigungs- und Restaurierungskosten der Stadt Leipzig für die Beseitigung des Hungerkots der Tauben auf den öffentlichen Plätzen und an den kommunalen Gebäuden?

Eine Benennung von Reinigungs- und Restaurierungskosten beim Amt für Gebäudemanagement ist nicht möglich, da diese nicht speziell erfasst werden.

Es sind in der Vergangenheit beim Mobilitäts- und Tiefbauamt jeweils einmalige Reinigungskosten angefallen für:

  • 2017 - I/R05 Berliner Brücke/Innenraum Widerlager Seite Wollkämmerei - Reinigung/Desinfektion, 5.100,- EUR
  • 2024 - I/R07 Brücke Torgauer Straße II/IV/R10 Hofer Brücke - Reinigung Widerlager/Besichtigungswagen, 5.700,- EUR.

6. Wie schätzt die Stadtverwaltung den Erfolg des Taubenschlags am Bayerischen Bahnhof ein? Wie kann auf eine weitere Verbesserung der Situation für Tiere und Menschen vor Ort hingewirkt werden?

Zum „Taubenschlag am Bayerischen Bahnhof“ können keine Aussagen getroffenen werden. Dieser liegt in der gemeinsamen Verantwortlichkeit der Deutsche Bahn AG und dem Verein Stadttaubenhilfe Leipzig e. V.

7. Wie bewertet die Stadt Leipzig die Einführung weiterer solcher Taubenschläge zur Populationskontrolle?

Stadttauben sind herrenlose Tiere, selbst wenn sie Nachfahren von vormals in Obhut gehaltenen Tieren sind. Dazu gibt es kontroverse Diskussionen.

Insbesondere die Autoren Hübel und Arleth haben 2021 in einem Rechtsgutachten die Auffassung rechtlich hergeleitet, dass Stadttauben auch nach diversen Generationen noch als Fundtiere anzusehen seien und daher eine Fürsorgepflicht der Kommune bestünde.

(VÖ 29.10.2021, https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2021/11/ Rechtsgutachten_ Stadttaubenschutz-rechtlicherstatus-kommunale-Pflichten-und-Zustaendigkeiten_Arleth_ 2021-10.pdf).

Die Stadtverwaltung folgt dieser Rechtsauffassung nicht. Es wird mit Blick auf die biologischen Entwicklungen von Stadttauben der folgende Standpunkt vertreten, aufgeführt im Kommentar zum Tierschutzgesetz der Autoren Hirt/Maisack/Moritz/Felde:

„…Populationen verwilderter Tauben finden sich an fast allen menschlich bewohnten Orten. Als Nachkommen domestizierter Haustauben haben sog. Stadttauben viele von deren Merkmalen der Haustaube beibehalten, sich aber in vielen Merkmalen auch wieder der Wildform angenähert. An den Lebensraum „Stadt“ haben sie sich weitgehend angepasst. Vor allem in den Innenstädten von Metropolen finden Tauben aufgrund der Baustruktur Nistmöglichkeiten wie leerstehende Dachböden und Häuser, Nischen in Fassaden, Brücken und offenen Dachkonstruktionen (z. B. in Bahnhöfen)“ (Hirt/Maisack/Moritz/Felde, 4. Aufl. 2023, TierSchG Anh. § 2 Rn. 93a, beck-online).

Aus vorgenanntem Standpunkt ergibt sich, dass für die Kommune keine Verpflichtung entsteht, sich der Stadttauben durch Versorgung und Pflege anzunehmen (sog. Taubenschläge). Die Stadttaube ist ein wildlebendes Tier. Deren grundsätzliche Versorgung bzw. im speziellen Falle von Verletzungen o. a. Hilflosigkeit ist eine rein freiwillige Aufgabe. Die Betreuung von Taubenschlägen ist zeit- und personalintensiv. Die Stadt Limburg, welche derzeit auf Grund ihrer Taubenbekämpfung in den Schlagzeilen ist, rechnet mit ca. 90.000 Euro pro Schlag jährlich (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/taubenpopulation-regeln-geburtenkontrolle-statt-toeten).

Gleichwohl ist auch die Effektivität von Taubenschlägen durchaus umstritten. Beispielhaft für eher kritische Positionen zu Taubenschlägen sei auf die Veröffentlichung aus der Stadt Basel verwiesen (siehe Anlage).

Diese sieht die Gefahr, dass Taubenschläge eher eine zusätzliche Futterquelle für solche Tauben darstellen, die nicht in den Schlägen brüten. Dadurch könne man die Population im Grundsatz erhöhen und damit das Gegenteil des Gewollten bewirken.

8. Welche ggf. weiteren Maßnahmen sieht die Stadtverwaltung als geeignet, die Situation der Stadttauben in Leipzig zu verbessern?

Das VLA hat keine Kenntnis dazu, in welcher gesundheitlichen Verfassung die Taubenschwärme sind. Selbst wenn diese Information vorläge, mangelt es an Vergleichsdaten mit anderen Städten und deren Taubenschwärme. Insofern kommt hier die Frage auf, woran die Antragsteller festmachen, dass es Stadttauben in Leipzig schlechter ginge als anderen wildlebenden Tieren im Stadtgebiet. Es gehen ja auch täglich Anrufe zu anderen verletzten Wildtieren ein. Unbestritten ist das Zusammenleben von Mensch und Wildtier in Städten in der Regel für die Wildtiere ein Drahtseilakt.

Die Stadt Augsburg hat auf ihrer Internetseite veröffentlicht, dass sie zehn Taubenschläge und zwei Taubentürme betreiben lässt (https://www.augsburg.de/umwelt-soziales/umwelt/umweltstadt-augsburg/stadttauben konzept).

Die Fläche der Stadt Augsburg ist halb so groß wie die der Stadt Leipzig, insofern würden in Leipzig weit mehr Taubenschläge benötigt. Sofern man die Kosten von 90.000 EUR je Schlag, die Limburg annimmt, zu Grunde legt, müsste Leipzig bei vorsichtig angenommenen 15 Schlägen ca. 1,5 Mio. EUR jährlich aufwenden.

Für das VLA ist fraglich, ob Kosten-Nutzen-Aufwand verhältnismäßig ist. Aus dortiger Sicht sollte das Fütterungsverbot im Fokus von Maßnahmen stehen:

    • die konsequente Durchsetzung des städtischen Fütterungsverbotes für Tauben
    • öffentlichkeitswirksame Aufklärung der Bürger, wozu das Fütterungsverbot dient und dass Tauben eine solche Fütterung nicht benötigen.

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