Anfrage: Strom- und Gasttarife der Stadtwerke – zwischen Ratsbeschluss und Wirklichkeit
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 18. Oktober 2023
In der Ratsversammlung am 14. Juni 2023 hat der Stadtrat einstimmig folgenden Alternativvorschlag der Verwaltung beschlossen (VII-A-08429-NF-03), der maßgeblich auf Zuarbeit der Leipziger Stadtwerke angeboten wurde:
„Die Ratsversammlung nimmt zur Kenntnis, dass die Stadtwerke bereits beauftragt sind und daran arbeiten, spätestens im Zuge der zum 01.08.2023 angekündigten Tarifanpassungen (i.S. Tarifsenkungen) insbesondere auch Vertragswechseloptionen für Stammkunden und Stammkundinnen in Strom- und Gastarifen in barrierefreier Zugangsform, d.h. insbesondere auch als reine offline-Option, anzubieten.
Bis dahin können Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Leipzig GmbH im neuen Beratungszentrum der Stadtwerke Leipzig GmbH, in der Pfaffendorfer Straße 2, 04105 Leipzig, auf Wunsch auch gemeinsam mit geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einen Tarifwechsel durchführen.“
Im September 2023 haben dann die Leipziger Stadtwerke im Rahmen einer Pressekonferenz erklärt, dass sie (erst) zum 1. Januar 2024 ein neues Produkt einführen, das die bisherigen Bestpreisverträge ersetzt und für viele Bürger*innen zu Einsparungen führen wird.
Wir fragen hierzu verwundert an:
- Warum wurden die Tarifsenkungen entsprechend des Ratsbeschlusses vom 14. Juni 2023, insbesondere auch Vertragswechseloptionen für Stammkund*innen in Strom- und Gastarifen in barrierefreier Zugangsform, d.h. insbesondere auch als reine offline-Option, nicht bereits zum 1.8.2023 angeboten?
- Welche Konsequenzen folgen aus dem Handeln der Stadtwerke Leipzig entgegen dem ausdrücklichen Auftrag des Gesellschafters der LVV heraus?
Die Stadtwerke haben bei Kund*innen, deren Bestpreis-Tarife Ende 2022 drastisch erhöht wurden, keine Erhöhung der Abschläge vorgenommen und auch in den damaligen Schreiben mitgeteilt, dass eine Anpassung aufgrund der damals noch nicht ganz klaren gesetzlichen Grundlagen nicht nötig sei. Unter Berücksichtigung der Strom- und Gaspreisbremse wurden die Tarife somit ohne Anpassung der monatlichen Abschläge nahezu verdreifacht.
- Bei wie vielen Kund*innen wurden die monatlichen Abschläge nach der damaligen Tariferhöhung auf ein realistischen Vorauszahlungsmaß angepasst, wie viele haben dies freiwillig selbstständig getan und bei wie vielen ist dies bislang nicht erfolgt?
- Welche durchschnittlichen Nachzahlungen auf Strom- und Gasrechnungen haben die langjährigen Kund*innen zum neuen Abrechnungszeitpunkt zu erwarten, deren Abschläge trotz Tariferhöhung unverändert geblieben sind?
- Welche Kosten kommen diesbezüglich auf die Stadt zu, um etwa Bedarfsgemeinschaften bei der Zahlung ihrer Strom- und Gasrechnungen zu unterstützen?
- Wie gedenkt die Stadt Strom- und Gassperren, etwa auch bei Senior*innen, Auszubildenden und Studierenden mit geringen Einkünften, denen hohe Nachzahlungen drohen, zu vermeiden?
Antwort vom 18. Oktober 2023
- Warum wurden die Tarifsenkungen entsprechend des Ratsbeschlusses vom 14. Juni 2023, insbesondere auch Vertragswechseloptionen für Stammkund*innen in Strom und Gastarifen in barrierefreier Zugangsform, d.h. insbesondere auch als reine offline-Option, nicht bereits zum 1.8.2023 angeboten?
Antwort:
Bestandskunden der Leipziger Stadtwerke hatten bereits mit der Preissenkung zum 01.08.2023 die Möglichkeit vorfristig aus ihren bisherigen Verträgen in die Grundversorgung Strom zu wechseln. Es handelt sich hierbei um einen Tarif, welcher keinen Onlinezugang erfordert. Diese Möglichkeit wurde den Kunden auch aktiv im Kundencenter angeboten und vor Ort ein Tarifvergleich durchgeführt. Auch wenn die meisten Kunden den pur-Tarif als Folgeprodukt wählten, wurde vereinzelt auch dieses Angebot genutzt.
Darüber hinaus wurde allen Bestandskunden seit Herbst 2023 der Wechsel in die neuen, offlinefähigen Tarife L-Strom und L-Gas angeboten. Wirksam werden diese Tarife ab dem 01.01.2024.
- Welche Konsequenzen folgen aus dem Handeln der Stadtwerke Leipzig entgegen dem ausdrücklichen Auftrag des Gesellschafters der LVV heraus?
Antwort:
Aus Sicht der Leipziger Stadtwerke liegt kein Verstoß gegen die Regelungen des Ratsbeschlusses vom 14.06.2023 vor.
- Bei wie vielen Kund*innen wurden die monatlichen Abschläge nach der damaligen Tariferhöhung auf ein realistischen Vorauszahlungsmaß angepasst, wie viele haben dies freiwillig selbstständig getan und bei wie vielen ist dies bislang nicht erfolgt?
Antwort:
Die Abschläge der Bestandskunden der Leipziger Stadtwerke wurden nicht automatisch angepasst. Vielmehr wurde den Kunden gegenüber angeregt, ihre Tarife auf der Internetseite der Leipziger Stadtwerke durchzurechnen und etwaige Anpassungen eigenverantwortlich vorzunehmen. Nach den vorliegenden Kontaktauswertungen nutzten im letzten halben Jahr ca. 15.000 Haushalt- und Gewerbekunden die Möglichkeit der Abschlagsanpassung. Ob die vom Kunden geänderten Abschläge den Jahresverbrauch entsprechend abdecken, kann aktuell aufgrund der verschiedenen Einflussfaktoren (u. a. Verbrauchsreduzierungen) nicht prognostiziert werden.
- Welche durchschnittlichen Nachzahlungen auf Strom- und Gasrechnungen haben die langjährigen Kund*innen zum neuen Abrechnungszeitpunkt zu erwarten, deren Abschläge trotz Tariferhöhung unverändert geblieben sind?
Antwort:
Diesbezüglich liegen den Leipziger Stadtwerken keine Daten vor. Aufgrund der Wirkungen der gesetzlichen Preisbremsen sowie der durch die Kunden getroffenen Anpassungen (Abschlagsänderung, Verbrauchseinsparung) gehen die Leipziger Stadtwerke davon aus, dass die erfolgten Preiserhöhungen weitreichend abgefedert werden konnten.
- Welche Kosten kommen diesbezüglich auf die Stadt zu, um etwa Bedarfsgemeinschaften bei der Zahlung ihrer Strom- und Gasrechnungen zu unterstützen?
Antwort:
Zu Beginn dieses Jahrs hat der Bund aufgrund der Energiekrise die Gas- und Strompreisbremse auf den Weg gebracht. Um diese ordnungsgemäß umzusetzen und die Abrechnungen für Gas und Strom entsprechend anzupassen, haben die Stadtwerke Leipzig das Mahnverfahren ausgesetzt. Für die Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Leipzig kommt es bis Jahresende 2023 zu keinen Sperrungen der Gas- und Stromlieferungen.
Leistungsberechtigte Haushalte, die im Rahmen der Endabrechnung für Gaslieferungen zur Beheizung der eigenen Wohnung eine Nachzahlung leisten müssen, können die Übernahme der Kosten beim zuständigen Sozialleistungsträger – Jobcenter oder Sozialamt – beantragen. Dort wird dann der Anspruch auf Kostenübernahme geprüft. Das ist ein seit Jahren bewährter Vorgang, der den leistungsberechtigten Haushalten auch bekannt ist. Die dafür entstehenden Aufwendungen gehören zu den Kosten der Unterkunft und werden nicht gesondert erfasst.
Für Nachzahlungen aus der Lieferung von Strom gibt es keine entsprechende Möglichkeit der Übernahme, da die Kosten für Strom in der Regelleistung bereits enthalten ist. Haushalte, die die Nachzahlung nicht auf einmal leisten können, können bei ihrem Energieversorger eine Ratenzahlung vereinbaren.
Zur unmittelbaren Abwendung der Sperrung der Energiezufuhr kann das Sozialamt auf Antrag ein Darlehen an leistungsberechtigte Haushalte gewähren. Da in diesem Jahr keine Sperrungen seitens der Stadtwerke Leipzig durchgeführt werden, bleiben die Aufwendungen für die Übernahme von Darlehen gering. Zudem gelten seit dem 01.12.2021 neue Regelungen zur Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzugs (Strom- und Gasgrundversorgungsverordnung). Vor einer darlehensweisen Übernahme von Nachzahlungen zur Vermeidung von Sperrungen der Energiezufuhr ist zu prüfen, ob eine sog. Abwendungsvereinbarung zwischen Energieversorger und Haushalt geschlossen werden kann. Voraussichtlich ab Januar 2024 werden die Stadtwerke Leipzig das Mahnverfahren wiederaufnehmen, erste Sperren wären damit frühestens Ende Februar zu erwarten.
Aus diesen Gründen rechnet die Stadt Leipzig im Jahr 2023 mit Aufwendungen in Höhe von 10.000 Euro und im Jahr 2024 von bis zu 95.000 Euro für die darlehensweise Übernahme zur Abwendung der Sperrung der Energiezufuhr.
- Wie gedenkt die Stadt Strom- und Gassperren, etwa auch bei Senior*innen, Auszubildenden und Studierenden mit geringen Einkünften, denen hohe Nachzahlungen drohen, zu vermeiden?
Antwort:
Aufgrund der aktuellen Situation haben die Leipziger Stadtwerke Privatkunden betreffende Mahn- und Sperrverfahren bis zum Jahresende ausgesetzt.
Grundsätzlich besteht für jeden Kunden die Möglichkeit, Sperrungen durch den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder Abwendungsvereinbarung zu verhindern.
Auch für Seniorinnen und Senioren, Auszubildende und Studierende mit geringen Einkünften besteht die vorrangige Möglichkeit, eine Ratenzahlung für hohe Nachzahlungen mit dem Energieversorger zu vereinbaren. Zur unmittelbaren Abwendung der Sperrung der Energiezufuhr kann das Sozialamt auch diesem Personenkreis auf Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Darlehen gewähren.