Anfrage: Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 15. Mai 2019
Als Ergebnis der Kohlekommission werden 40 Milliarden über 20 Jahre ausgereicht, um den Strukturwandel in den Kohleregionen zu gestalten. Die Stadt Leipzig hat in seinen unabgestimmten Projektvorschlägen in die Mottenkiste gegriffen eine ganze Anzahl an zukunftsuntauglichen Dinosauriern geborgen. Daneben wurden allerdings auch zukunftsweisende Wissenschafts-, Verkehrs- und Kulturprojekte skizziert, während der agra-Tunnel unter „Bergbaureparatur“ fallen kann, also Bergbaufolgen heilt.
Laut Medienberichten – offizielle Dokumente sind bisher nicht zugänglich – finden sich in den Eckpunkten des Bundesministers Altmeier nur drei Projekte für Leipzig. Demnach finden sich von der umfangreichen Projektübersicht nur drei Projekte aus Leipzig vorne, also für eine zeitnahe Umsetzung.
In Anbetracht dessen, dass die Länder ihren Teil an den Kosten tragen sollen, sind viele Projekte allein schon aus Finanzierungsgründen höchst fraglich. Die Projekte sind viel zu grob gerechnet, Mehrausgaben für Einzelmaßnahmen sind vorhersehbar. Das bedeutet, dass nachrangige Projekte niemals finanziert werden. Somit gewinnt die Priorisierung eine entscheidende Bedeutung wenn der Strukturwandel tatsächlich günstig beeinflußt werden soll, hochwertige Arbeitsplatze entstehen können und nicht nur Partikularinteressen ohne Gemeinwohlsinn befriedigt werden sollen.
Darum fragen wir:
- Wie kommt die Priorisierung im Eckpunktepapier des Bundesministers zustande?
- War es unklug, die von Freistaat so gewünschte Sachsenhalle auf der „Leipziger Liste“ zu platzieren?
- Was hat der Lückenschluss Mittlerer Ring mit einem Strukturwandel von der Kohle in die postfossile Zeit oder mit „Arbeitsplätze der Zukunft“ zu tun?
- Welche Möglichkeiten der Beteiligung hat der Stadtrat Leipzig, um die Gewichtung zu beeinflussen – oder dürfen wir am Ende nur ja oder „wir wollen kein Geld aus der Kohlekommission“ sagen?
Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 15. Mai 2019
Komm. Dezernatsleiter Dr. Schimansky: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren!
Zur Frage 1. Das Eckpunktepapier für ein Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen mit Stand vom 03.04.2019 ist ein Entwurf, der auf den strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ basiert. Es bildet die Grundlage für die Diskussion mit den Bundesländern der Braunkohleregionen, bevor der Gesetzentwurf dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt wird. Der Diskussionsprozess ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Die von den Kommunen eingereichten Projektvorschläge finden sich im Entwurf vom 03.04. noch nicht wieder. Die Vorschläge waren bis zum 19.03. der Landesregierung zu übermitteln, welche die Vorschläge erst Anfang Mai an den Bund weitergereicht hat.
Unser Ziel war - das haben wir auch in den Ausschüssen schon ausführlich dargelegt -, diesen Termin, den der Freistaat uns als Deadline gesetzt hat, unter allen Umständen zu halten. Niemand hätte länger darauf gewartet, insbesondere nicht auf die Vorschläge der Stadt Leipzig. Der Entwurf mit seinen ersten Prioritätensetzungen greift die Vorschläge der Kommission auf und möchte diese in Abstimmung mit den betroffenen Ländern mit gesetzlichen und außergesetzlichen Maßnahmen untersetzen. Die Landesregierungen sind dabei das zentrale Bindeglied zwischen Bund und Regionen bzw. der kommunalen Ebene. Für das Mitteldeutsche Revier werden laut Bund und Kommission derzeit folgende Schwerpunkte gesehen: Industrietransformationen, nachhaltige Industriegesellschaft, Entwicklung zu einem europäischen Logistik-Hub, Innovationen, Digitalisierung, Bildung und Kreativität. Unsere Vorschläge zielen insbesondere auf die Punkte 1 und 3.
Zur Frage 2. Um den Ländern die strukturpolitischen Hilfen bis 2038 zur Verfügung zu stellen, wird der Bund ein „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ vorlegen. Dieses Gesetz wird nach uns vorliegenden Informationen und der aktuellen Diskussionen zwei Bestandteile haben: Erstens: einen Verfahrensvorschlag zur Umsetzung von Maßnahmen, bei denen der Bund die Zuständigkeit hat, in Höhe von circa 26 Milliarden Euro einschließlich erster Projektbenennungen; ich verweise da auf Tagesordnungspunkt 20.3, der in der Sitzung nächste Woche behandelt wird.
Zweitens: das „Investitionsgesetz Kohleregionen“. Damit gewährt der Bund den Ländern bis 2038 Finanzhilfen in Höhe von circa 14 Milliarden Euro. Zum Ersten: Der Gesetzentwurf wird, wie gesagt, bis 2038 reichen. Er wird erste und für den Prozess besonders relevante Projekte enthalten sowie Strukturen und Zuständigkeiten festlegen, wie der weitere Projektzufluss und die Projektentwicklung sichergestellt werden sollen. Wir gehen davon aus, dass der fortlaufende Projektzufluss genügend Zeit für die Einbindung kommunaler Gremien, des Stadtrates, bieten wird. Die sehr knappen Zeitvorgaben bei der Einreichung im März 2019 ermöglichten keine rechtzeitige Einbindung des Stadtrats.
Zum Zweiten: Für Investmittel aus dem „Investitionsgesetz Kohleregionen“ soll die Finanzhoheit bei den Ländern liegen. Diese sind aufgefordert, entsprechende Förderprojekte selbst herauszuarbeiten und umzusetzen. Für die Auswahl und Umsetzung dieser Projekte sollen regionale Gremien und Strukturen verankert und eingebunden werden. Dabei soll nach unseren Vorstellungen die Metropolregion eine wesentliche Rolle spielen. Einen detaillierten Entwurf dazu gibt es noch nicht. Für die weitere Einreichung von Projektvorschlägen seitens der Stadt Leipzig erarbeiten wir derzeit einen Verfahrensvorschlag, der die Einbindung des Stadtrats und seiner Gremien vorsieht. Eine entsprechende Vorlage wird der Ratsversammlung nach der Sommerpause vorliegen.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Vielen Dank für die Beantwortung der Frage. - In den Medien wurde ja diese „Altmaier-Liste“ - so nenne ich sie mal - veröffentlicht, die auch drei Projekte aus Leipzig enthielt. Wie sind die Medienberichte zu verstehen? Sind das dann Bundesprojekte, die mit der Projektliste, die Sie bis zum 19.03. einzureichen hatten, nichts zu tun haben? Es sind da auch zwei Projekte aufgelistet - die Informationsvorlage dazu steht heute auf der Tagesordnung -, die in unseren Projektvorschlägen gar nicht beschrieben waren, nämlich Lückenschluss Mittlerer Ring und Agra-Tunnel. Wird es dafür Bundesmittel geben, oder kommen die Mittel, die wir separat beantragen, aus einem anderen Topf?
Sie haben jetzt noch mal sehr schön dargestellt, dass die Stadt Leipzig nur sehr wenig Zeit hatte, um Vorschläge einzubringen. Die Zeit war zu knapp, um den Rat zu beteiligen.
Wie können Sie jetzt sicher sein, dass es dann, wenn es an die Umsetzung geht, anders sein wird?
Komm. Dezernatsleiter Dr. Schimansky: Zum Ersten. Das ist kein anderer Topf; es ist schon der erste Topf, den ich genannt hatte. Aber unsere Vorschläge sind dort noch nicht eingeflossen; davon gehen wir jedenfalls aus. Wir sind beauftragt worden, die Vorschläge der Kohlekommission und den Entwurf zu bewerten. Dabei haben wir festgestellt: Eine ganze Reihe von Themen, die uns wichtig sind, sind gar nicht berücksichtigt worden.
Deshalb haben wir uns, ausgehend von über 50 Vorschlägen, auf die Top Ten verständigt, auch unter dem Gesichtspunkt, auf verschiedene Fördertöpfe, die uns möglich erscheinen, zuzugreifen, also nicht nur auf die Förderung von Inhalten zu setzen, sondern auch auf Investitionsfördermittel.
Angesichts der aktuellen Situation scheint es so zu sein, dass Projekte, die auf bestehende Förderszenarien respektive Fördertöpfe des Bundes und des Landes aufsetzen, eine gute Chance haben, und dass Projekte aus dem innovativen Bereich, dem Technologiebereich, der inhaltlichen Ausgestaltung des Digital-Hubs oder der Digital-Fakultät, eher geringe Chancen haben. Deshalb hat bei der Abwägung der Top Ten auch das eine Rolle gespielt. Wenn die eigentlich von uns bevorzugten Themen keine Rolle spielen, aus welchen Gründen auch immer, dann wollen wir wenigstens ein paar haben, die in die Förderlogik passen könnten.
Stadträtin Krefft (Bündnis 90/Die Grünen): Okay. Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass der Bund eine Vorschlagsliste gemacht hat, die für Leipzig unzureichend war. Deshalb hat Leipzig eine eigene Vorschlagsliste vorgelegt. Diese war bei Veröffentlichung noch nicht verarbeitet. Nächste Woche, haben Sie gesagt, ist ein Verhandlungstermin. Ich will einfach nur wissen: Werden der Lückenschluss des Rings und der Agra-Tunnel mit Bundesmitteln gemacht? Womit müssen wir rechnen, und was ist mit den Projekten, die Sie jetzt noch mal aufgeführt haben? Wird sich die Stadt Leipzig dafür engagiert einsetzen, dass die Leipziger Liste berücksichtigt wird?
Komm. Dezernatsleiter Dr. Schimansky: Wir werden uns selbstverständlich engagiert dafür einsetzen, insbesondere auch für die Projekte, die im Technologiebereich eine unmittelbare oder mittelbare Wirkung auf Arbeitsplätze, Neuansiedlungen und Unternehmensentwicklungen haben.