Anfrage: Umgang mit wilden Vögeln in der Stadt

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung am 8. Juli 2020

In Leipzig sind in jüngerer Vergangenheit wiederholt Zwischenfälle mit Tauben bekannt geworden. Während zum Beispiel am Augustusplatz und Hauptbahnhof immer wieder verletzte Tauben gefunden werden, sorgten in den letzten Jahren Tauben am Bayrischen Bahnhof, am Hauptbahnhof und im Citytunnel für Sperrungen der Bahnstrecke und eine zeitweilige Einstellung des Zugverkehrs.

Während offiziell mit Spikes, Draht und anderen Abwehrmaßnahmen gegen die Taubenpopulation vergeblich vorgegangen wird, werden immer wieder verklebte Tiere gefunden, die offenbar mit rechtswidriger Klebepaste in Berührung gekommen sind. Sogar von mehreren Fällen von abgeschossenen Tauben wurde in den Medien berichtet.

Eine Auswahl an Artikeln dazu finden Sie hier:

 Wir fragen daher an:

  1. Hat die Stadt Leipzig einen Managementplan für Gebäudebrüter und andere Vögel und wenn ja, wie sieht dieser aus?
    • Welche Maßnahmen zur Vogelabwehr ergreift die Stadt und wie wird die Wirksamkeit eingeschätzt?
    • Wer führt diese Maßnahmen aus (stadteigenes Personal oder Fremdfirma)
    • Was kostet die Stadt diese Maßnahmen?
  1. Wie wird die Vogelabwehr kontrolliert und welche rechtlichen Bestimmungen gelten diesbezüglich?
    • Wie kontrolliert die Stadt Leipzig, dass bei der Vogelabwehr an städtischen und an privaten Einrichtungen nur Maßnahmen ergriffen werden, die dem Tierschutzgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz, der Bundesartenschutzverordnung und dem Bundesjagdgesetz entsprechen?
    • Welche Maßnahmen hat die Stadtverwaltung ergriffen, um gegen den unerlaubten Einsatz von Gift, Klebepasten und den Abschuss im Stadtgebiet zur Bekämpfung von Vögeln vorzugehen?
  1. Ist die Stadttaube ein Haustier oder ein Wildtier nach Ansicht der Stadtverwaltung und bitte begründen Sie das?

Antwort der Verwaltung

Zu 1.)

Der Stadt Leipzig liegt kein Managementplan für Gebäudebrüter und anderen Vögeln vor.

Zu 1.1)

Für die Abwehr von Vögeln ist der Hauseigentümer/Grundstücksbesitzer zuständig. Diese Maßnahmen können unter dem Überbegriff Schädlingsbekämpfung subsumiert werden. Über die Art und Weise sowie die Wirksamkeit von Vogelabwehrmaßnahmen an/in durch das Amt für Gebäudemanagement verwalteten Gebäuden sind keine abrufbaren Informationen vorhanden.


Zu 1.2 und 1.3)

Der Stadt Leipzig liegen hierzu keine Erkenntnisse vor

Zu 2.)

Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes (TierSchG) besagt, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf (§ 1 Satz 2 TierSchG). Wann und wie ein vernünftiger Grund vorliegt, bedarf der Auslegung.

§ 11 Abs. 1 Nr. 8 e) TierSchG stellt die gewerbsmäßige Schädlingsbekämpfung, welche u. a. auch die Vogelabwehr beinhaltet, unter Erlaubnispflicht.
Mit einer solchen Erlaubnis ist ein Nachweis der Sachkunde des Verantwortlichen und die Vor-Ort-Kontrolle der Betriebsräume, in denen die Bekämpfungsmittel lagern, verbunden. Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt erwartet, dass die Bekämpfungsmittel nach Biozidrecht zugelassen sind.
Der Gesetzgeber hat somit die Absicht, das „wie“ der Schädlingsbekämpfung zu regeln und stellt das „ob“ der Schädlingsbekämpfung nicht in Frage. Insofern ist auszulegen, dass Schädlingsbekämpfung grundsätzlich als vernünftiger Grund im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG zu verstehen ist. Hier gilt jedoch das Gebot größtmöglicher Schmerzvermeidung.

Jeder im Stadtgebiet Leipzig ansässige, gewerbsmäßige Schädlingsbekämpfer sollte eine tierschutzrechtliche Erlaubnis vorweisen können. Es ist jedoch zu beachten, dass große Firmen überregional bis deutschlandweit tätig sind. Dies ist durch das TierSchG gedeckt. Somit können in Leipzig Schädlingsbekämpfer tätig sein, die ihre Erlaubnis von einer anderen Kommune erhalten haben. Eine Pflicht zur Mitteilung des Bekämpfungsortes ist vom TierSchG nicht vorgesehen.

Im Gegensatz zur Schadnagerbekämpfung sind für das Töten von Vögeln, die Gebäude schädigen, hohe Hürden etabliert. Die durch die Stadt Leipzig erteilten tierschutzrechtlichen Erlaubnisse umfassen ausschließlich das Vergrämen (Vertreiben) von Vögeln.

So ist sichergestellt, dass für das Töten von Vögeln eine Einzelfallgenehmigung erteilt werden muss und vorab ergriffene, mildere Maßnahmen abgeprüft bzw. ggf. gefordert werden können. In den vergangenen Jahren wurde keine solche tierschutzrechtliche Erlaubnis erteilt.

Das Vergrämen von Vögeln muss so schonend wie möglich durchgeführt werden. In der Regel werden sog. „Spikes“ und Netze zur Verhinderung von Nistmöglichkeiten für Tauben verwendet.

Zu 2.1)

Zunächst ist auf die Antwort unter Frage 2 zu verweisen. Sofern der Stadt Leipzig zur Kenntnis gelangt bzw. der Verdacht besteht, dass Abwehrmaßnahmen ergriffen worden, die nicht konform mit den einschlägigen Rechtsvorschriften sind, wird ein Verwaltungsverfahren und ggf. ein Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Beim Verdacht auf Vorliegen einer Straftat, weil beispielsweise eine streng geschützte bzw. eine besonders geschützte Art der Vogelschutzrichtlinie betroffen ist, erfolgt eine entsprechende In-Kenntnis-Setzung der zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Jeder in Leipzig ansässige gewerbsmäßige Schädlingsbekämpfer wurde bereits 2017 durch das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt über die Schäden der Klebepasten sowie der damit verbundene Verstoß gegen das Tierschutzgesetz aufgeklärt.


Zu 2.2)

Die Stadt Leipzig geht gegen den Einsatz von Vergrämungsmitteln, die geeignet sind Vögeln Leid zuzufügen, verwaltungsrechtlich vor.

In der Vergangenheit wurde in mehreren Fällen das Entfernen von Klebepaste gegenüber der verantwortlichen Hausverwaltung erfolgreich gefordert. Ebenso würde mit ausgelegtem Gift verfahren, welches nicht selektiv in Bezug auf den zu bekämpfenden Schadnagerbefall ausgelegt ist.

Voraussetzung ist jeweils, dass der Stadt Leipzig solche Fälle zur Kenntnis gegeben werden. Für das zielführende Durchsetzen des Verbotes des Einsatzes von Klebepasten muss zudem der Einsatzort ermittelbar sein.

Eine Pflicht für Schädlingsbekämpfer zur regelmäßigen Meldung, wo und wie bekämpft wird, sieht das Tierschutzgesetz nicht vor.

Der Abschuss von Vögeln ist keine generell erlaubte Bekämpfungsmethode und bedarf der Beteiligung mehrerer Ämter. Insofern ist beim gemeldeten Abschuss von Vögeln ohne Erlaubnis der Verdacht auf Vorliegen einer Straftat nach Tierschutzgesetz, Naturschutzrecht und ggf. weiterer Gesetze zu prüfen.

Zu 3.)

Stadttauben (Columba livia forma domestica) gehören, auch wenn sie weitestgehend Nachkommen von entflogenen domestizierten Haus- oder Rassetauben oder von ausgebliebenen Brieftauben sind, zu den wild lebenden Tieren im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG.

Für die Erfüllung das Merkmals wildlebend ist es erforderlich aber auch ausreichend, dass das Tier nicht unter der Verfügungsgewalt des Menschen steht und nicht von diesem gelenkt wird (vgl. Erbs/Kohlhaas/Stöckel/Müller-Walter, 229. EL März 2020, BNatSchG § 1 Rn. 17: „Wild lebend meint hier, dass das Exemplar nicht unter der Verfügungsgewalt des Menschen steht und seine Lebensäußerungen nicht unmittelbar vom Menschen gelenkt werden. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Art wild lebt, abgestellt wird auf das einzelne Exemplar. Daher sind etwa auch verwilderte Haustiere erfasst“).

Gleiches ergibt sich auch aus den tierschutzrechtlichen Vorschriften:

Haus- bzw. Nutztiere werden sowohl im europäischen als auch im nationalen Rechtsrahmen im Bereich der Tiergesundheit als auch des Tierschutzes als Tiere, die in Obhut des

Menschen zu einem bestimmten Zweck gehalten werden, legal definiert. Das Halten eines Tieres setzt den Besitz, die tatsächliche Verfügungsgewalt, voraus.

Stadttauben stellen weiterhin keine Europäische Vogelart i. S. d. Art. 1 der Richtlinie 2009/147/EG (sog. Vogelschutzrichtlinie) dar und gehören damit auch nicht zu den besonders geschützten Arten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) BNatSchG. Ebenso unterliegen Stadttauben nicht dem Jagd- oder Fischereichrecht.

Als wildlebende Tiere und damit als Bestandteil der Natur gelten für sie jedoch die allgemeinen naturschutzrechtlichen Vorschriften gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 BArtSchV (vgl. Müller-Walter aaO, § 1 BArtSchV Rn. 22: "Domestizierte Formen werden durch die Aufnahme einer Art in die Anlage 1 BArtSchV nicht erfasst; als solche gelten insbesondere Haustaube einschließlich verwilderter Formen, Hauskatze, ... Honigbiene.

Die verwilderte Form der Haustaube und der Hauskatze sind aber als solche, nicht bloß als Individuen, wildlebend und Bestandteil der Natur und unterfallen somit dem allgemeinen Schutz".

Gemäß der o. g. allgemeinen Schutzvorschriften ist es verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) sowie diesen unter Verwendung von bestimmten Methoden und Geräten nachzustellen, diese anzulocken, zu fangen oder zu töten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BArtSchV).

Die Naturschutzbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen von den o. g. Verboten zulassen. Artenschutzrechtlichen Ausnahmen zum Fang oder zur Tötung von Stadttauben wurden von der Stadt Leipzig jedoch nie erteilt.

Darüber hinaus ist es entsprechend § 21 Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Leipzig (PolVO) verboten, wildlebende Haustauben und Ratten zu füttern. Auf Basis jagdrechtlicher Bestimmungen im Landesjagdgesetz ist das allgemeine Fütterungsverbot von Wildtieren umfänglich verankert. In der Polizeiverordnung durften somit nur die genannten freilebenden Tierarten mit einem Fütterungsverbot geregelt werden. Zu viele Tauben auf zu engem Raum sind ein menschengemachtes Problem. Eine überdurchschnittliche Population an Tauben schadet letztendlich auch den Tieren. Diese leiden unter damit verbundenem Dauerstress, Krankheiten und Parasiten treten häufiger auf und die Jungensterblichkeit der Tiere steigt im ersten Lebensjahr. Verschmutzungen und Verunreinigungen mit Taubenkot im öffentlichen Bereich stellen zudem auch ein hygienisches und ästhetisches Problem dar. Mit zu vielen Tauben kommt es zu Lärm- und Geruchsbelästigungen der Stadtbewohner sowie Taubendreck an Gebäuden. Die Tauben verlieren die Scheu vor den Menschen und werden unfreiwillig zum Krankheitsüberträger.

Prinzipiell können alle Tiere, so auch Tauben, Krankheitserreger an oder in sich tragen. Es ist nicht auszuschließen, dass z. B. Ornithoseerreger, Salmonellen oder Sporen von Schimmelpilzen übertragen werden können. Somit besteht Infektionsgefahr, wenn z. B. auf Märkten und in Straßencafés Lebensmittel durch umherfliegende Tiere verschmutzt werden.

Das Verbot der Fütterung von wildlebenden Haustauben im öffentlichen Bereich ist daher eine wirksame und tiergerechte Möglichkeit, den Bestand der Tauben natürlich zu verringern.

Ansammlungen von Stadttauben finden sich in Leipzig am Hauptbahnhof, Bayerischen Bahnhof sowie im Innenstadtbereich. Die Stadttaubenpopulation wird nicht durch die Stadt Leipzig erfasst, hat sich jedoch seit der Wende bis heute verkleinert, da aufgrund der Sanierung vieler Gebäude potenzielle Nistplätze weggefallen sind.

Ein Taubenproblem gibt es in Leipzig nach Kenntnis der Stadt derzeit nicht.

Zurück