Anfrage: Umsetzung der Eingliederungshilfe in Leipzig

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung im Rahmen der Ratsversammlung am 20. Januar 2021

Die Eingliederungshilfe ist eine Sozialleistung, die seit 2020 in Deutschland im SGB IX geregelt ist. Sie soll Menschen mit einer Behinderung oder von Behinderung bedrohten Menschen helfen, die Folgen ihrer Behinderung zu mildern und sich in die Gesellschaft einzugliedern (§ 90 SGB IX).”

Die reformierte Eingliederungshilfe ist von den Ländern und Kommunen umzusetzen. Mit unserer Anfrage möchten wir folgende Informationen über die Umsetzung der Veränderung der Regelung von SGB XII ins SGB IX und die damit verbundenen möglichen Herausforderungen der Umsetzung für die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung bzw. Ratsuchenden und Betroffenen bekommen.  

  1. Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hat die Stadtverwaltung Leipzig bisher umgesetzt und welche sind geplant? Über welche Methoden und Instrumente stellt die Stadtverwaltung die Umsetzung sicher?
  2. Der Gesetzgeber hat in Art. 25 Abs. 2 BTHG dem BMAS die Möglichkeit gegeben, die Träger der Eingliederungshilfe bei der Umsetzung des Gesetzes zu begleiten. Wird die Stadtverwaltung Leipzig vom BMAS begleitet?
  3. Welchen Einfluss haben die geänderten Regelungen in Bezug auf Einkommens- und Vermögensverhältnisse? Auf welcher Grundlage erstellt die Stadt ihre Prognosen? Ist mit einem Ausgabenanstieg zu rechnen?
  4. Wie haben sich Ausgaben und Einnahmen in Bezug auf die EGH in den Jahren 2015-2020 verändert? Bitte nach folgenden Einzelpositionen auflisten:
  • -Leistungen zur Teilhabe an Bildung,
  • -sozialen Teilhabe,
  • -Wohnraum (eigene Wohnung, besondere Wohnform, Wohngemeinschaft),
  • -Assistenzleistungen,
  • -heilpädagogischen Leistungen und medizinischen Rehabilitation,
  • -Mobilität und Kraftfahrzeug,
  • -Beförderung,
  • -Arbeitsleben, Beschäftigung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen und Leistungen zur Beschäftigung bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern zu untergliedern.
  1. Haben die Änderungen durch das BTHG Auswirkungen auf den Arbeitsumfang des Bereichs der Eingliederungshilfe? Bestehen hier Wechselwirkungen zur Personalplanung, z.B. Personalmangel?
  2. Wie werden die Mitarbeiter der Eingliederungshilfe bzgl. der Änderungen des BTHG geschult? Erfolgt eine Berücksichtigung im Personalentwicklungskonzept?

Antwort der Verwaltung vom 21. Januar 2021

1. Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hat die Stadtverwaltung Leipzig bisher umgesetzt und welche sind geplant? Über welche Methoden und Instrumente stellt die Stadtverwaltung die Umsetzung sicher?

Das BTHG sieht vor, dass die Ermittlung des individuellen Bedarfs durch ein Instrument erfolgt, das sich an der International Classification of Functions (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) orientiert. Dies umfasst die Beschreibung einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe neun definierten Lebensbereichen. Im Freistaat Sachsen wurde dafür mit der Bekanntmachung vom 9. April 2019 der Integrierte Teilhabeplan Sachsen als Instrument zur Bedarfsermittlung eingeführt.

Mit der vierten Reformstufe des BTHG zum 1. Januar 2023 wird der leistungsberechtigte Personenkreis der Eingliederungshilfe (Art. 25 a BTHG, § 99 SGB IX) neu festgelegt.

Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes wurden notwendige Maßnahmen zur Umsetzung veranlasst. So gab es ein umfangreiches Schulungskonzept für die Mitarbeitenden des Bereichs Eingliederungshilfe.

Darüber hinaus wurden arbeitsorganisatorische Abläufe überarbeitet und an die neue Rechtslage angepasst (z. B. Antragsunterlagen, Bescheide, EDV-Anpassung, etc.).

Die Umsetzung weiterer Maßnahmen auf örtlicher Ebene ist derzeit nicht erforderlich.

2. Der Gesetzgeber hat in Art. 25 Abs. 2 BTHG dem BMAS die Möglichkeit gegeben, die Träger der Eingliederungshilfe bei der Umsetzung des Gesetzes zu begleiten. Wird die Stadtverwaltung Leipzig vom BMAS begleitet?

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt die Träger der Eingliederungshilfe mit dem Projekt „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“ (www.umsetzungsbegleitung-bthg.de). Die Projektumsetzung erfolgt durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. In verschiedenen Veranstaltungen werden fachlich relevante Neuregelungen vertiefend und umsetzungsorientiert aufbereitet. Das bereitgestellte Internetportal informiert über Neuregelungen und Umsetzungserfahrungen. Darüber hinaus wird ein Wissenstransfer und Austausch ermöglicht. Das Angebot wird durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialamtes im Bereich Eingliederungshilfe genutzt.

3. Welchen Einfluss haben die geänderten Regelungen in Bezug auf Einkommens- und Vermögensverhältnisse? Auf welcher Grundlage erstellt die Stadt ihre Prognosen? Ist mit einem Ausgabenanstieg zu rechnen?

Die Änderungen der Einkommens- und Vermögensbetrachtung wurde innerhalb der vier Reformstufen des Inkrafttretens des BTHG in zwei Stufen umgesetzt. Die erste Reformstufe ab 1. Januar 2017 beinhaltete Änderungen in der Einkommens- und Vermögensheranziehung, insbesondere durch die Erhöhung des Einkommensfreibetrags um bis zu 260 Euro monatlich und des Vermögensfreibetrags um 25.000 Euro (vormals 2.600 Euro). Die dritte Reformstufe ab 1. Januar 2020 beinhaltete die Erhöhung des Vermögensfreibetrages auf rund 50.000 EUR sowie die einkommenssteuerrechtliche Betrachtung des Einkommens. Das Partnereinkommen und -vermögen wird nicht mehr herangezogen.

Der überwiegende Teil der Leistungen in sachlicher Zuständigkeit des Sozialamtes sind einkommens- und vermögensunabhängige Leistungen für Kinder im Vorschul- und Schulalter. Für die Leistungen des Sozialamtes als örtlichem Träger der Eingliederungshilfe betreffen die Änderungen der Einkommens- und Vermögensanrechnung nur wenige Einzelfälle im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe (z.B. Assistenzleistungen für erwachsene Menschen mit Behinderung). Ein Ausgabenanstieg bzw. eine Einnahmeverringerung ist auf Seiten des örtlichen Trägers für die einkommens- und vermögensabhängigen Leistungen daher nicht zu erwarten.

Die Änderungen der Einkommens- und Vermögensanrechnung betreffen vorrangig Leistungen, die durch den Kommunalen Sozialverband Sachsen erbracht werden. Dieser plant Kostensteigerungen auch infolge des BTHG in seinem Haushalt ein. Dies hat auch Auswirkungen auf die Sozialumlage, die die Stadt Leipzig an den Kommunalen Sozialverband Sachsen zahlt. Die Sozialumlage betrug 93 Mio. Euro im Jahr 2020.

4. Wie haben sich Ausgaben und Einnahmen in Bezug auf die EGH in den Jahren 2015-2020 verändert? Bitte nachfolgenden Einzelpositionen auflisten:

  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung,
  • Sozialen Teilhabe,
  • Wohnraum (eigene Wohnung, besondere Wohnform, Wohngemeinschaft),
  • Assistenzleistungen,
  • heilpädagogischen Leistungen und medizinischen Rehabilitation,
  • Mobilität und Kraftfahrzeug,
  • Beförderung,
  • Arbeitsleben, Beschäftigung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen und Leistungen zur Beschäftigung bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern zu untergliedern.

Das Sozialamt als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe ist zuständig für die Leistungen zur sozialen Teilhabe und zur Teilhabe an Bildung.

In der nachfolgenden Tabelle sind die Aufwendungen (Ausgaben) und Erträge (Einnahmen) des Sozialamtes als örtlichen Trägers der Eingliederungshilfe in den Jahren 2015 bis 2020 aufgeführt.

Die Leistungen zur Sozialen Teilhabe umfassen:

  • Leistungen für Wohnraum: aufgrund der Änderungen des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB IX wurden per 30.09.2018 Fälle im Bereich ambulant betreutes Wohnen und stationäre Wohnformen der über 65-jährigen Menschen an den KSV übergeben. Dies führte zu Minderaufwendungen und Mindererträgen in der Position Wohnraum.
  • Assistenzleistungen: Die Assistenzleistungen im Rahmen der Sozialen Teilhabe wurden bis zum 31.12.2019 gemeinsam mit anderen Teilhabeleistungen auf verschiedenen Sachkonten verbucht. Die gesonderte Abbildung über ein separates Sachkonto erfolgt seit dem 01.01.2020.
  • Heilpädagogische Leistungen
  • Leistungen zur Mobilität: Erstmals wurden zum 01.01.2020 Leistungen zur Mobilität im Rahmen der Sozialen Teilhabe im SGB IX (Neufassung) eingeführt.
  • Weitere Leistungen im Rahmen der Sozialen Teilhabe: Das sind u. a. Leistungen zum Wohnen im Schulalter, Leistungen zur Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben in der Gemeinschaft und Hilfsmittel.
  • Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen:
  • Hilfen zu einer Schulbildung: Darunter fallen u. a. Leistungen in Form von Schulassistenzen in Regelschulen und Förderschulen, Hortintegration sowie Hilfsmittel im Rahmen schulischer Ausbildung-
  • Sonstige Eingliederungshilfen: Sonstige Eingliederungshilfen umfassen u. a. Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie, Besuchsbeihilfen, Leistungen zur Förderung der Verständigung.

Aus der Übersicht wird deutlich, dass die Gesamtaufwendungen im Bereich der Eingliederungshilfe in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Eine Ausnahme bildet lediglich das Jahr 2019. Hier kam es zu Fallabgaben an den Kommunalen Sozialverband Sachsen im Bereich ambulant betreutes Wohnen und stationäre Wohnformen der über 65-jährigen Menschen mit Behinderungen. Im Haushalt des Sozialamtes führte dies zu geringeren Aufwendungen und Erträgen als im Vorjahr. Allerdings stieg im selben Jahr die Sozialumlage an den Kommunalen Sozialverband Sachsen um 5 Mio. Euro.

Der überörtliche Träger der Eingliederungshilfe (Kommunaler Sozialverband Sachsen) ist für Leistungen am Arbeitsleben, Beschäftigung im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen und Leistungen zur Beschäftigung bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern zuständig.

5. Haben die Änderungen durch das BTHG Auswirkungen auf den Arbeitsumfang des Bereichs der Eingliederungshilfe? Bestehen hier Wechselwirkungen zur Personalplanung, z.B. Personalmangel?

Ja, insbesondere die Durchführung des Integrierten Teilhabeplans Sachsen erfordert einen höheren zeitlichen Aufwand gegenüber der bisherigen Bedarfsermittlung.

Für die Umsetzung der dritten Reformstufe des BTHG wurden zum 01.01.2020 8,0 VZÄ (1,0 VZÄ Sachbearbeiter/in, 7,0 VZÄ Sozialarbeiter/in) im Stellenplan des Sozialamtes zusätzlich eingerichtet. 4,0 VZÄ (Sozialarbeiter/in) sind bis zum 31.12.2021 befristet. Über die Fortführung wird je nach tatsächlicher Entwicklung des Personalbedarfs entschieden. 2021 ist deshalb eine Überprüfung des Stellenbedarfs vorgesehen.

6. Wie werden die Mitarbeiter der Eingliederungshilfe bzgl. der Änderungen des BTHG geschult? Erfolgt eine Berücksichtigung im Personalentwicklungskonzept?

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sachgebietes Eingliederungshilfe nehmen regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teil. Inhalte der Veranstaltungen sind z. B. die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF), Methoden der Bedarfseinschätzung, gesetzliche Grundlagen und Schnittstellen, Einsatz von Einkommen und Vermögen, Teilhabeplanverfahren.

Zur Anwendung des neuen Bedarfsermittlungsinstrumentes ITP wurden die Mitarbeitenden durch den KSV Sachsen geschult.

Weitere notwendige Schulungen/fachspezifische Weiterbildungen werden fortlaufend im Rahmen der jährlichen Fortbildungsmaßnahmen konzipiert und organisiert. Die Weiterbildungsangebote des Projektes „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“ sowie Veranstaltungen verschiedener Bildungsträger (z. B. Kommunales Bildungswerk e.V.) werden in Anspruch genommen.

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