Anfrage: Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht
Anfrage zur Beantwortung am 19. April 2023
Seit 1. Januar 2023 gilt die Mehrwegangebotspflicht für Getränke und Speisen zum Sofortverzehr – eine Entwicklung, die Leipzig auf dem Weg zur Zero-Waste-Stadt entgegenkommt. Somit müssen Letztvertreiber*innen von Lebensmitteln Mehrwegalternativen zu Einwegverpackungen aus Kunststoff anbieten. Kleinere Betriebe mit nicht mehr 80 m2 Verkaufsfläche und gleichzeitig nicht mehr als 5 Beschäftigten können die Mehrwegangebotspflicht erfüllen, indem sie von Kund*innen selbst mitgebrachte Gefäße akzeptieren. Verbraucher*innen müssen deutlich sichtbar über die jeweilige Regelung informiert werden und es dürfen keine Mehrkosten oder Nachteile für die Nutzung von Mehrwegverpackungen oder eigenen Gefäßen entstehen. Umweltverbände weisen bereits auf eine mangelhafte Umsetzung hin.
Wir fragen daher an:
1. Wie schätzt die Stadt die bisherige Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht in Leipzig ein (bitte differenzieren nach Restaurants/Cafés, Supermärkten, Lieferdiensten, Cateringanbietern, Kantinen)?
2. Das Amt für Umweltschutz ist in Leipzig für Kontrollen zuständig.
a. Wie wird die Einhaltung des Verpackungsgesetzes in Leipzig sichergestellt?
b. Wie viele Mahnungen wurden ausgesprochen, wie viele Ordnungswidrigkeiten wurden ggf. zur Anzeige gebracht?
c. Wie gestaltet sich die personelle Situation im Amt für Umweltschutz bzgl. der Kontrollen?
3. Der BUND Leipzig und die Stadtreinigung bieten eine telefonische Beratung für Gastronomie- und Lebensmittelbetriebe an. Eine finanzielle Unterstützung für die Etablierung von Mehrwegangeboten steht in Aussicht. Wie schätzt die Stadt Leipzig das bestehende Unterstützungsangebot ein?
4. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, gastronomische Betriebe und Letztvertreiber*innen von Lebensmitteln bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht zu unterstützen (z.B. mehrsprachige Informationen zur neuen Regelung, Vorlagen für Kundeninformationsposter u.a.)?
5. Momentan gibt es viele unterschiedliche Mehrwegpfandsysteme, sodass Kund*innen das Mehrweggeschirr häufig am selben Ort zurückgeben müssen, wo sie es gekauft haben. Inwieweit gibt es Bestrebungen, ein einheitliches oder einige wenige Mehrwegpfandsysteme in der Stadt Leipzig zu etablieren, um Mehrwegangebote attraktiver zu machen und gezielt Müllvermeidung zu befördern?
6. Inwiefern kann die Reichweite von Mehrwegsystemen in den städtischen Institutionen wie beispielsweise Schulen, Kitas oder Kantinen der Stadt Leipzig gesteigert werden?
Antwort vom 19. April 2023
Frage 1: Wie schätzt die Stadt die bisherige Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht in Leipzig ein (bitte differenzieren nach Restaurants/Cafés, Supermärkten, Lieferdiensten, Cateringanbietern, Kantinen)?
Antwort
Erfahrungen aus dem Förderprojekt „Allerlei to Go“ (ursprünglich Projekt „Mehrweg“) (Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“) des EB SRL zeigen, dass bei der konkreten Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zur Mehrwegangebotspflicht bei vielen Gastronomiebetrieben Verunsicherung und Unklarheit besteht, z. B. in Bezug auf gesetzliche Erleichterungen und Ausnahmen. Das Mehrwegangebot wird in der Branche (bis auf wenige Ausnahmen) noch nicht umgesetzt. In viele Bereichen suchen die Gastronomen/-innen noch nach Lösungen und setzen zum Beispiel vermehrt auf Nutzung von Pappe/Karton.
Kontrollen wurden stichprobenartig auf zahlenmäßig niedrigem Niveau von der Abfall-/Bodenschutzbehörde bislang bei Unternehmen im Bereich der Systemgastronomie, Supermarkt, Backwarenketten (auch mit Cafébetrieb) durchgeführt und haben ergeben, dass sich die überwachten Betriebe an die gesetzlichen Vorgaben halten. Bei der Kontrolle von Imbissangeboten/Kleingastronomie wurde bei festgestellten Defiziten darauf hingewiesen und in angemessenem Abstand nachkontrolliert.
Erfahrungsberichte zeigen, dass sich die Unternehmen überwiegend ihrer Pflicht bewusst sind Mehrwegverpackungen/-becher anzubieten, es sich in der Praxis aber erst noch etablieren muss. Auch wird an dieser Stelle auf die Abhängigkeit von der Höhe der verbraucherseitigen Nachfrage in Bezug auf Mehrwegverpackungen verwiesen – ohne die es erhebliche Planungsunsicherheiten bei der Anschaffung von Mehrwegverpackungen gibt. Praxisseitige Vorschläge (Betriebe, Interessenverbände) zur Verbesserung der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht in Leipzig sind beispielsweise die Einführung eines stadtweit gemeinsamen Systems (Bessere Verfügbarkeit und Rückgabemöglichkeiten) und einer App-basierten barrierefreien Lösung. Weitere Fragen bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht sind die Sicherstellung, dass eine dauerhafte gleichmäßige Verteilung und Rücknahme der Behälter im Stadtgebiet erfolgt, die Höhe eines angemessenen Pfands für Mehrwegverpackungen, wieviel Behältervarianten anzubieten/vorzuhalten sind usw. Auch stellen die Anschaffungskosten von Mehrwegverpackungen insbesondere für kleinere Gastronomiebetriebe oft einen hohen finanziellen Aufwand dar.
Frage 2 - Das Amt für Umweltschutz ist in Leipzig für Kontrollen zuständig.
Frage 2 a: Wie wird die Einhaltung des Verpackungsgesetzes in Leipzig sichergestellt?
Antwort
Nach § 36 Absatz 1 Nummer 28, 29 und 30 Verpackungsgesetz handelt ordnungswidrig, wer entgegen der Verpflichtung aus § 33 Absatz 1 Satz 1 eine Ware in einer Mehrwegverpackung anbietet, entgegen § 33 Absatz 1 Satz 2 auch in Verbindung mit § 34 Absatz 1 Satz 3 oder Absatz 2 Satz 2 Verpackungsgesetz eine Verkaufseinheit zu einem höheren Preis oder zu schlechteren Bedingungen als die Einheit aus Ware und Einwegverpackung anbietet oder wer entgegen § 33 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder § 34 Absatz 3 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 Verpackungsgesetz, einen Hinweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in vorgegebener Weise gibt. Diese Ordnungswidrigkeiten können nach § 36 Absatz 2 Verpackungsgesetz mit einer Geldbuße von bis zu zehntausend Euro geahndet werden. Die Überwachung der Einhaltung der Mehrwegangebotspflicht obliegt im Freistaat Sachsen den unteren Abfallbehörden (hier: AfU, Abfall-/Bodenschutzbehörde). Im Rahmen eigener Kontroll- und Überwachungstätigkeiten sensibilisieren auch die Sicherheitsbehörde des Ordnungsamtes und die Lebensmittelüberwachung des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes das AfU unterstützend anlassbezogen vor Ort für die geänderte Rechtslage.
Wichtiges Ziel der Kontrollen ist zunächst die Information und Aufklärung zum Thema Mehrwegangebotspflicht.
Zur Konkretisierung und zur Vereinheitlichung des Vollzugs der gesetzlichen Vorschriften erarbeiten die Bundesländer aktuell einen Leitfaden „Fragen und Antworten zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht nach §§ 33, 34 VerpackG“. Derzeit ist nicht bekannt, wann die Vollzugshilfe zum Zwecke eines einheitlichen Vollzuges vorliegen wird. Eine zielgerichtete Prüfung, welche weiteren unterstützenden Vollzugshandlungen durch Ordnungsamt und Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt ggf. im Rahmen der eigenen Aufgabenerfüllung geleistet werden können, kann allerdings erst nach Erlass der Vollzugshilfe durch das SMEKUL vorgenommen werden.
Frage 2 b: Wie viele Mahnungen wurden ausgesprochen, wie viele Ordnungswidrigkeiten wurden ggf. zur Anzeige gebracht?
Antwort
Im Rahmen der von der Abfall-/Bodenschutzbehörde durchgeführten Kontrollen wurde keine Mahnung ausgesprochen. Der Zentralen Bußgeldbehörde liegt bislang kein Verfahren zur v. g. Problematik vor. Dies ist aufgrund des seit dem Inkrafttreten der Rechtsnorm vergleichsweise geringen Zeitraumes (seit 01.01.2023) auch nicht zu erwarten.
Frage 2 c: Wie gestaltet sich die personelle Situation im Amt für Umweltschutz bzgl. der Kontrollen?
Antwort
Im AfU ist eine halbe Stelle (0,5 VZÄ) für den Vollzug des Verpackungsgesetzes (Pfandpflicht/Geändertes Pfandsystem/Plastiktütenverbot), der Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) und der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung (EWKKennzV) sowie der Gewerbeabfallsverordnung eingerichtet.
Diese wendet anteilig ca. 10 Wochenstunden auf den Vollzug (Vorbereitung, Kontrolle, Nachbereitung) des Verpackungsgesetzes (Systembeteiligungspflicht/Vollständigkeitserklärung/Pfand/Plastiktüten/Mehrweg) mit Einwegverpackungsverbotsverordnung und der Einwegverpackungskennzeichnungsverordnung auf. Gemäß Erlass des SMEKUL vom 21.09.2022 (41-8312/11/1) wird im Jahr 2023 für die unteren Abfallbehörden allerdings die Überwachung von Autowerkstätten (AltölV, AltfahrzeugV, NachwV) und nicht etwa die Überwachung der Einhaltung der Mehrwegangebotspflicht als aktueller Vollzugsschwerpunkt gesetzt.
Frage 3: Der BUND Leipzig und die Stadtreinigung bieten eine telefonische Beratung für Gastronomie- und Lebensmittelbetriebe an. Eine finanzielle Unterstützung für die Etablierung von Mehrwegangeboten steht in Aussicht. Wie schätzt die Stadt Leipzig das bestehende Unterstützungsangebot ein?
Antwort
Im Rahmen der Richtlinien des Förderprojektes sind viele Aktionen und Maßnahmen in den durch das Förderprojekt vorgesehenen Zentren geplant. Eine Erweiterung in alle Stadtgebiete wäre nachahmenswert und sinnvoll.
Frage 4: Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, gastronomische Betriebe und Letztvertreiber*innen von Lebensmitteln bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht zu unterstützen (z. B. mehrsprachige Informationen zur neuen Regelung, Vorlagen für Kundeninformationsposter u. a.)?
Antwort
Im Rahmen des Förderprojektes „Allerlei to Go“ (ursprünglich Projekt „Mehrweg“) ist ein Marketingkonzept für drei Zentren entwickelt worden, welches unter anderen auch mehrsprachige Informationen beinhaltet. Die Ansätze können gesamtstädtisch angewendet werden, wenn eine Finanzierung gesichert ist.
Im Rahmen des Förderprojektes „Allerlei to Go“ (ursprünglich Projekt „Mehrweg“) erfolgt ein Austausch mit den Kammern und der DEHOGA-Leipzig.
Auf die Beratungspflichten der Industrie- und Handelskammern gemäß § 46 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz wird hingewiesen.
Frage 5: Momentan gibt es viele unterschiedliche Mehrwegpfandsysteme, sodass Kund*innen das Mehrweggeschirr häufig am selben Ort zurückgeben müssen, wo sie es gekauft haben. Inwieweit gibt es Bestrebungen, ein einheitliches oder einige wenige Mehrwegpfandsysteme in der Stadt Leipzig zu etablieren, um Mehrwegangebote attraktiver zu machen und gezielt Müllvermeidung zu befördern?
Antwort
Um Mehrwegangebote attraktiver darzustellen, fokussiert sich das Förderprojekt „Allerlei to Go“ (ursprünglich Projekt „Mehrweg“) darauf, Gastronomiebetriebe über die Vorteile von Mehrwegsystemen zu beraten. Dabei werden in den Fördergebieten u. a. auch Gewerbetreibende, die sich im Zusammenschluss für ein Mehrwegsystem entscheiden, gesondert gefördert. Bei der Kundschaft liegt der Fokus auf Sensibilisierungen zur Mehrwegnutzung. Jedoch ist ein Lenkungseingriff auf die Auswahl des Mehrwegsystems für die Verwaltung unzulässig.
Frage 6: Inwiefern kann die Reichweite von Mehrwegsystemen in den städtischen Institutionen wie beispielsweise Schulen, Kitas oder Kantinen der Stadt Leipzig gesteigert werden?
Antwort
Bei der Speiseversorgung in Schulen und Kindertagesstätten kommen gewöhnliches Geschirr, Besteck und Gläser zum Einsatz. Eine Versorgung mit Assietten ist nur im Ausnahmefall und auch nur für einen befristeten Zeitraum zulässig, beispielsweise bei Havarien oder baulichen Verzögerungen in der Fertigstellung der Küchen-/ Ausgabebereiche.
Die Kantinen im Neuen Rathaus und im Technischen Rathaus werden eigenständig, also nicht durch die Stadt Leipzig, betrieben. Eine Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung zu Mehrwegangeboten liegt in der Verantwortung des Betreibers.
Das Angebot der Kantine im Neuen Rathaus ist seit Jahren bereits auf Mehrweg ausgerichtet. Alle Speisen werden nur mit Mehrweggeschirr ausgegeben und die Getränkeausgabe erfolgt ebenfalls in Mehrwegverpackungen. Im Technischen Rathaus wird eine Essenversorgung der Mitarbeiter/-innen derzeit in Abstimmung zwischen dem Eigentümer, dem neuen Betreiber und der Stadtverwaltung Leipzig aufgebaut, um wieder einen Kantinenbetrieb am Standort zur Verfügung zu stellen. Auch hier ist die Stadt Leipzig kein unmittelbarer Vertragspartner und kann somit nicht direkt Einfluss nehmen. Alle Beteiligten sind sich aber einig, dass ein Mehrwegsystem am Standort schnellstmöglich eingeführt werden soll. Die Essenversorgung am TRH beginnt am 11. April 2023. Geliefert wird das Essen interimsweise in der Assiette bis ein vollständiger Kantinenbetrieb etabliert ist. Es soll dann künftig auf Mehrwegkonzepte gesetzt werden. Das Besteck ist von Anfang an Mehrweg. Geplant ist nach dem zeitnahen Umbau des Kantinenbereiches, den Betrieb vor Ort zu starten und dann wird es nur noch ein Mehrwegangebot geben. Hierzu finden bereits Abstimmungen zwischen dem Eigentümer des Technischen Rathauses, dem Kantinenbetreiber Domizil und der Stadt Leipzig statt, um schnellstmöglich umzustellen. Um auch das Getränkeautomatenangebot gleich auf Mehrweg auszurichten, hat der neue Eigentümer signalisiert, allen Mitarbeiter/-innen des Technischen Rathauses Mehrwegbecher zur Verfügung zu stellen. Die Ausgabe der Mehrwegbecher erfolgt durch das Referat Verwaltungsunterbringung zeitnah.