Anfrage: Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 13. Dezember 2023
Wir hatten bereits mehrfach auf das Umsetzungsgebot der Wasserrahmenrichtlinie, das bis 2027 erfüllt sein muss, hingewiesen. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Gewässerschutz. Im Rahmen der Anfrage „Prioritätensetzung in der Wasserwirtschaft“ (Anfrage VII-F-07937) hatten wir dazu bereits angefragt. Dort wurde auch ausgeführt, dass die Prioritätensetzung bis zum 1. Quartal 2023 dem zuständigen Fachausschuss Umwelt, Klima, Ordnung vorgestellt werden soll. Diese Prioritätensetzung war das Ergebnis 6. Beschlusspunktes der Vorlage VII-DS-00815 vom 15. März 2022 („Zu diesem Zweck legt die Verwaltung dem Stadtrat bis zum IV. Quartal 2022 eine Priorisierung der Vorhaben zur Öffnung der Leipziger Mühlgräben sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vor. Soweit möglich und realistisch werden Prognosen zu Kosten und personellen Ressourcen getätigt“).
Die Bewirtschaftungsplanung soll entsprechend der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Flussgebieten stattfinden, die eine Koordinierung unter allen Anrainer*innen erfordert. Die wichtigsten Elemente der zielgerichteten und koordinierten Planung für den Schutz der Gewässer sind die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme für Flussgebiete bzw. Teilbereiche der Flussgebiete. Neben den Zielen und Instrumenten des Umweltschutzes sind auch wirtschaftliche Aspekte der Wassernutzung bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu betrachten. Als Referenz gilt die natürliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren in den Gewässern, ihre unverfälschte Gestalt und Wasserführung und die natürliche Qualität des Oberflächen- und Grundwassers.
Für erheblich veränderte oder künstliche Gewässer gilt anstelle des guten ökologischen Zustands das Umweltziel des guten ökologischen Potenzials. Grundsätzlich gelten hinsichtlich des Zustands eines Gewässers sowohl ein Verbesserungsgebot als auch ein Verschlechterungsverbot.
Fragen:
- In welchem Zustand befinden sich die Leipziger Gewässer hinsichtlich des Verbesserungsgebots und im Blick auf die Referenzpunkte und welche Veränderungen haben sich im Unterschied zur oben genannten Anfrage ergeben bzw. haben sich Veränderungen ergeben und wenn nein warum nicht?
- Welche Prioritätensetzung verfolgt die Stadt bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bzw. gibt es eine Prioritätensetzung bei der Umsetzung der Richtlinie? Wann wird der Sachstand zu BP 6 der Vorlage VII-DS-00815 veröffentlicht?
- Was sind die größten Hindernisse bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie innerhalb der Verwaltung und außerhalb?
- Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit den Anrainer*innen der Gewässer dar, um die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen?
- Gibt es eine gemeinsame Datenbank für Gewässer der 1. und 2. Ordnung, um bestehende Planungsunterlagen und bisherige Maßnahmen nachzuvollziehen, so dass alle Beteiligten sich informieren und davon profitieren können?
- Wie stellt sich die Zusammenarbeit hinsichtlich der Gewässer mit angrenzenden Landkreisen und Städten dar? Gibt es außer dem Zweckverband Parthenaue weitere gemeinsame Gewässerunterhaltungsverbände oder sind solche geplant um die Zusammenarbeit mit angrenzenden Kommunen hinsichtlich der Unterhaltungslast zu koordinieren?
Antwort der Stadtverwaltung
1. In welchem Zustand befinden sich die Leipziger Gewässer hinsichtlich des Verbesserungsgebots und im Blick auf die Referenzpunkte und welche Veränderungen haben sich im Unterschied zur oben genannten Anfrage ergeben bzw. haben sich Veränderungen ergeben und wenn nein warum nicht?
Der ökologische Zustand der natürlichen Oberflächenwasserkörper respektive das ökologische Potential der erheblich veränderten und künstlichen Oberflächenwasserkörper geht im Einzelnen aus der Abbildung 1 hervor. Die Einstufung der Leipziger Fließgewässer ist mäßig bis schlecht.
Abb.1: Ökologischer Zustand/Ökologisches Potential der Oberflächenwasserkörper im Territorium der Stadt Leipzig (HMWB … erheblich veränderter Wasserkörper, AWB … Künstlicher Wasserkörper, NWB … Natürlicher Wasserkörper), Datenquelle: Datenportal iDA, abgerufen am 4.12.2023
Die Einstufung basiert auf den, an der repräsentativen Messstelle als Referenzpunkt für den Oberflächenwasserkörper gemessenen, biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten/Phytobenthos, Benthische wirbellose Fauna und Fischfauna.
Der chemische Zustand ist für alle Oberflächengewässer nicht gut, was vor allem auf sogenannte ubiquitäre, d.h. überall verbreitete prioritäre Schadstoffe zurückzuführen ist.
Die Grundwasserkörper im Territorium der Stadt Leipzig sind in einem chemisch und mengenmäßig schlechten Zustand, was unter anderem aus der Bergbauvergangenheit resultiert.
Die Einstufung der Oberflächenwasser- und Grundwasserkörper ist an die Bewirtschaftungszeiträume gemäß Wasserrahmenrichtlinie geknüpft und erfolgt aller 6 Jahre. Für die Beantwortung der Anfrage zur „Prioritätensetzung in der Wasserwirtschaft“ (Anfrage VII-F-07937) im Dezember 2022 lag die auch heute noch maßgebliche Bewertung zu Grunde. Eine Aktualisierung wird voraussichtlich erst im Jahr 2027 erfolgen. Insofern können derzeit keine Aussagen über messbare Veränderungen gegenüber dem Stand Dezember 2022 getroffen werden.
2. Welche Prioritätensetzung verfolgt die Stadt bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bzw. gibt es eine Prioritätensetzung bei der Umsetzung der Richtlinie? Wann wird der Sachstand zu BP 6 der Vorlage VII-DS-00815 veröffentlicht?
Die Umsetzung der WRRL-Maßnahmen an den Gewässern obliegt den Gewässerunterhaltungslastträgern. In Sachsen ist die Landestalsperrenverwaltung für die Gewässer 1.Ordnung (z.B. Weiße Elster, Parthe) zuständig und die Kommunen (hier: Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer) für die Gewässer 2. Ordnung.
Die Wasserrahmenrichtlinie gilt grundsätzlich für alle Oberflächengewässer und das Grundwasser. Einige Gewässer, sogenannte Oberflächenwasserkörper, sind gegenüber der EU berichtspflichtig. Deshalb werden sie prioritär bearbeitet. Kleinere Gewässer werden dem Oberflächenwasserkörper zugeordnet, in den sie münden.
In der Stadt Leipzig sind folgende Gewässer II. Ordnung Oberflächenwasserkörper (siehe Antwort 1):
• Floßgraben
• Elstermühlgraben
• Pösgraben
• Nördliche Rietzschke
• Lösegraben
• Östliche Rietzschke als Bestandteil des OWK Parthe-4
• Krebsgraben als Bestandteil des OWK Weiße Elster-9
• Alte Luppe
• Zschampert
• Kulkwitzer See
Diese werden in der Priorisierung der Stadt Leipzig in Kategorie I eingestuft. Kategorie I umfasst verschiedene Gewässer mit unterschiedlichen Charakteristika und Herausforderungen im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL). Daher wurde diese Kategorie nochmals in der Dringlichkeit in a, b und c unterteilt:
I a: Die nördliche Rietzschke und der Pösgraben sind OWKs gemäß WRRL und unterliegen der HWRM-RL-Pflicht. Hier stehen die Umsetzung der WRRL und der Schutz vor Hochwasser im Fokus.
I b: OWKs in dieser Unterkategorie fallen ebenfalls unter die OWK WRRL und sind besonders im Kontext der Auenentwicklung sowie der Hochwassergefährdung relevant. Dazu gehören der Floßgraben, Zschampert, Alte Luppe und Elstermühlgraben.
I c: Diese Gewässer, darunter der Lösegraben, Krebsgraben und die östliche Rietzschke, sind ebenfalls OWKs gemäß WRRL und stehen im Fokus der Hochwassergefährdung.
Darüber hinaus werden Maßnahmen im Sinne der WRRL im gesamten Stadtgebiet kontinuierlich identifiziert, geplant und umgesetzt.
Mit dem Punkt 6 der Beschlussvorlage VII-DS-00815 hat der Stadtrat die Stadtverwaltung beauftragt, eine Priorisierung der Vorhaben zur Öffnung der Leipziger Mühlgräben sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vorzulegen. Diesen Sachstand bereitet die Verwaltung gerade vor. Eine Vorstellung dazu ist im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung im 1. Quartal 2024 vorgesehen.
3. Was sind die größten Hindernisse bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie innerhalb der Verwaltung und außerhalb?
Nach wie vor ist die Flächenverfügbarkeit an den Gewässern eine maßgebende Hürde in der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.
Um Gewässer zu renaturieren, werden Gewässerentwicklungskorridore benötigt, d.h. Flächen entlang der Gewässer, in denen dem Gewässer Raum für eine naturnahe Gestaltung des Gewässerlaufs (kurviger Gewässerverlauf, Laufverzweigungen) gegeben wird. Je nach Gewässertyp können dies bei den Gewässern II. Ordnung durchaus 60 m breite Streifen sein, die hier für eine optimale Gestaltung benötigt werden. Über Flurbereinigungsverfahren, Flächentausch, Vorkaufsrecht, Planfeststellungsverfahren und andere Instrumente wird kontinuierlich daran gearbeitet, Flächen entlang der Gewässer für die Gewässerentwicklung zur Verfügung zu stellen.
4. Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit den Anrainer*innen der Gewässer dar, um die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen?
Soweit es zur ordnungsgemäßen Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers erforderlich ist, besteht mit den Anliegern Konsens bzw. Einvernehmen zur Umsetzung der Maßnahmen. Unabhängig davon haben die Gewässeranlieger und -hinterlieger Gewässerunterhaltungsmaßnahmen, beispielsweise die Bepflanzung von Ufern, zu dulden (§ 41 Wasserhaushaltsgesetz i.V.m. § 38 Sächsisches Wassergesetz).
Bezüglich der Flächenverfügbarkeit sind die Ausführungen unter Frage 3 zu berücksichtigen.
5. Gibt es eine gemeinsame Datenbank für Gewässer der 1. und 2. Ordnung, um bestehende Planungsunterlagen und bisherige Maßnahmen nachzuvollziehen, so dass alle Beteiligten sich informieren und davon profitieren können?
Die im iDA-Portal des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie eingestellten Gewässersteckbriefe geben einen Überblick über die Wasserrahmenrichtlinienmaßnahmen für die berichtspflichtigen Gewässer I. und II. Ordnung: https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida/.
6. Wie stellt sich die Zusammenarbeit hinsichtlich der Gewässer mit angrenzenden Landkreisen und Städten dar? Gibt es außer dem Zweckverband Parthenaue weitere gemeinsame Gewässerunterhaltungsverbände oder sind solche geplant um die Zusammenarbeit mit angrenzenden Kommunen hinsichtlich der Unterhaltungslast zu koordinieren?
Sowohl auf konzeptioneller wie auch auf Projekt- und Maßnahmenebene bestehen verschiedenste Zusammenarbeiten hinsichtlich der gemeinsamen Gewässer sowie deren Einzugsgebiete. Mit den Unteren Wasserbehörden der Landkreise wie auch mit den Verwaltungen der angrenzenden Kommunen steht man hierzu in engem Austausch. Die Zusammenarbeit gestaltet sich als koordiniert und effizient.
Im Rahmen der sich in der Erarbeitung befindlichen Integrierten Wasserkonzeption (InWako) ist die interkommunale Betrachtung des Gebietswasserhaushalts und dessen Gewässersystems grundlegend.
Die Kooperationen auf Ebene einzelner Gewässer sind zahlreich: So besteht zum Lober im Nordosten Leipzigs eine Kooperationsvereinbarung mit den Gemeinden Rackwitz und Krostitz zur anvisierten gemeinsamen Renaturierung des Gewässers. Zum Pösgraben im Südosten der Stadt wird ein interkommunaler Hochwasserrisikomanagementplan erarbeitet. Interkommunale Zusammenarbeit zum Hochwasserschutz existiert auch betreffend des Lützschenaer Grenzgrabens und dem Lösegraben.
In Sachsen existieren (Stand 04/2023) nur zwei interkommunale Gewässerunterhaltungsverbände: Der Zweckverband Parthenaue sowie der Wasser- und Bodenverband Torgau. Es ist jedoch möglich, dass in Zukunft mehr solcher Verbände geplant oder geschaffen werden, um die Zusammenarbeit mit angrenzenden Kommunen weiter zu intensivieren und die Unterhaltungslast effektiv zu koordinieren. Stadtseitig bestehen hierzu derzeit keine weiterführenden Planungen.