Anfrage: Umsetzung verkehrsberuhigender Maßnahmen in der Stadt Leipzig
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 30. Oktober 2019
Mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen kann der motorisierte Verkehr verlangsamt oder verdrängt werden, um die Verkehrssicherheit und Qualität des Wohnumfeldes zu erhöhen. In ihren verschiedenen Umsetzungsformen wie Tempo-30-Zone, verkehrsberuhigter Bereich, Spielstraße oder Fußgängerzone sind sie geeignet, die Verkehrssicherheit und Lebensqualität eines Quartiers positiv zu beeinflussen. Mit ihnen werden wohnungsnahe Möglichkeiten von Spiel und Bewegung sowie erhöhte Aufenthaltsqualitäten für alle Generationen ermöglicht. In zahlreichen Kommunen wird derzeit im Rahmen der Mobilitätswende die verstärkte Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche auch in Bestandsquartieren diskutiert. Dazu zählt auch die temporäre Umsetzung von verkehrsberuhigenden Maßnahmen (z.B. „Ottensen macht Platz – Flanierquartier auf Zeit“). Mit der in Leipzig zu verzeichnenden zunehmenden Bevölkerungsdichte, einer wachsenden Zahl an Kindern und einem veränderten Mobilitätsverhalten insbesondere der jüngeren Generation gewinnen verkehrsberuhigte Bereiche eine neue Relevanz in neuen ebenso wie in bestehenden Wohnquartieren. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, wie die Spielräume der StVO zur Umsetzung verkehrsberuhigender Maßnahmen in Leipzig konkret genutzt werden, um unter Einbeziehung der Anwohner sowie mit geeigneten baulichen Maßnahmen die Umfeldqualität in Wohnquartieren zu verbessern.
Wir fragen an:
- Auf welchen Straßen bzw. Plätzen in Leipzig wurden bislang verkehrsberuhigende Maßnahmen umgesetzt (Bitte unter Angabe der konkreten Umsetzungsform, des Einrichtungsdatums sowie der angewandten baulichen und sonstigen Maßnahmen)?
- Welche Voraussetzungen müssen aus Sicht der Stadtverwaltung jeweils vorliegen, damit verkehrsberuhigende Maßnahmen in ihren verschiedenen Umsetzungsformen realisiert werden können?
- Wie läuft das Verfahren zur Realisierung von temporären und dauerhaften verkehrsberuhigenden Maßnahmen in ihren verschiedenen Umsetzungsformen in Leipzig bislang ab?
- Mit welchen baulichen und sonstigen Veränderungen werden verkehrsberuhigende Maßnahmen in ihren verschiedenen Umsetzungsformen in Leipzig bislang realisiert?
Antwort der Verwaltung:
zu 1.
Die Beantwortung der Frage ist in der gewünschten Form nicht möglich, da derartige Statistiken in der Stadt nicht geführt werden. Grundsätzlich kann ausgeführt werden, dass die Wohngebiete in Leipzig nahezu flächendeckend verkehrsberuhigt sind. Dort sind - wie als Regelfall vorgesehen - Tempo 30-Zonen vorhanden. Dort wo es die bauliche Gestaltung gestattet und die Voraussetzungen nach Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gegeben sind, sind auch in Einzelfällen Verkehrsberuhigte Bereiche mit Zeichen 325 angeordnet.
Außerdem gilt in Verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen, wie z.B. der Innenstadt oder am Lindenauer Markt, Tempo 20; vorzugsweise in der Innenstadt sind zudem Fußgängerbereiche eingerichtet.
zu 2.
Die Verwaltung ist bei der Anordnung von Regelungen zur Verkehrsberuhigung an die Vorschriften der StVO gebunden, bei Planung und Bau von Bereichen mit Verkehrsberuhigung auch an die dafür einschlägigen Richtlinien, wie z.B. die für die Anlage von Stadtstraßen (RASt06).
Für Tempo 30-Zonen, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche, die mit Zeichen 325 gekennzeichnet werden, bedarf es eines städtischen Verkehrskonzeptes, wie es z.B. der Flächennutzungsplan, Bebauungspläne oder sonstige planerische Konzepte sind, die vom Stadtrat beschlossen werden.
Tempo 30-Zonen dürfen nach StVO nur in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Radverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf angeordnet werden. Sie dürfen sich nicht auf das festgelegt innerörtliche Vorfahrtstraßennetz erstrecken. Der Durchgangsverkehr kann nur von geringer Bedeutung sein. Außerdem dürfen Tempo 30-Zonen nur in Straßen ohne Lichtsignalanlagen, Fahrstreifenbegrenzungen, Leitlinien (Mittellinie) oder benutzungspflichtigen Radverkehrsanlagen angeordnet werden.
Um einen verkehrsberuhigten Bereich mit Zeichen 325 StVO ausweisen zu können, müssen bestimmte bauliche Voraussetzungen erfüllt sein, die dem Fahrzeugführer verdeutlichen, dass in solchen Bereichen die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. Auch muss die bauliche Gestaltung verkehrsberuhigter Bereiche so ausgeführt sein, dass sie die Kraftfahrer in jeder Situation veranlasst, die dort geforderte Schrittgeschwindigkeit nicht zu überschreiten. Das Fehlen eines Gehwegs und die Ausbildung als Mischverkehrsfläche allein, ist für die Ausweisung als verkehrsberuhigter Bereich nicht ausreichend.
Die besondere Situation in verkehrsberuhigten Bereichen erfordert eine besondere Gestaltung, die sich deutlich von anderen Straßen unterscheidet. Geeignet, die Aufenthaltsfunktion zu verdeutlichen, sind z.B. die Einordnung von Bäumen bzw. Pflanzbeeten, Sitzgruppen, Bänken oder anderer Gestaltungselemente auf der Fahrbahn. Ebenso sollte die Anbindung verkehrsberuhigter Bereiche an die übrigen Straßen über einen abgesenkten Bord bzw. eine baulich ausgeführte Grundstückszufahrt erfolgen, damit der Kraftfahrer schon bei der Einfahrt die Änderung der Nutzung der Verkehrsflächen erkennen kann.
Für Fußgängerzonen ist eine straßenrechtliche Widmung, d.h. einer Einziehung oder Teileinziehung der öffentlichen Straße für bestimmte Verkehrsarten nach § 8 des Sächsisches Straßengesetzes erforderlich. Des Weiteren müssen sie so ausgebaut werden, dass die vorrangige Benutzung durch Fußgänger eindeutig erkennbar ist. Die Gestaltung muss durch eine entsprechende Oberflächengestaltung und Straßenraumgestaltung, mit denen eine hohe Aufenthaltsqualität erreicht wird (Bänke, Bäume, Wasserspiele usw.), an die Bedürfnisse des Fußgängerverkehrs angepasst sein.
zu 3.
Die Anordnung dauerhaft verkehrsberuhigender Maßnahmen erfolgt im Rahmen des Verwaltungshandeln auf Grundlage der StVO und der bei Frage 2 erwähnten städtischen Konzepte und Planungen.
Temporär verkehrsberuhigende Maßnahmen werden derzeit nicht umgesetzt. Nach § 45 StVO Abs. 1 Satz 2 Nummer 6 sind temporäre Verkehrsbeschränkungen zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsorganisatorischer Maßnahmen möglich. Dafür muss allerdings derzeit noch eine besondere örtliche Gefahrenlage nachgewiesen werden. Im vor Kurzem vorgelegten Entwurf für eine Neufassung der StVO ist eine sogenannte Innovationsklausel für zeitlich und örtlich begrenzte Pilotprojekte vorgesehen, nach der ein Nachweis der besonderen örtlichen Gefahrenlage nicht mehr erforderlich wäre.
Diese Neuregelung bleibt abzuwarten. Inwieweit Pilotprojekte zur Verkehrsberuhigung mit zeitlich befristeten Regelungen rechtssicher eingerichtet werden können und welche Straßen perspektivisch dafür infrage kommen, müsste untersucht werden.